E.1 K.3

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People change their minds... You hate someone today, but tomorrow you might like That Person.

"Okay, es tut mir wirklich leid", erklärte ich Izzi, während ich mit einem feuchten Handtuch das wenige Blut aus den Kratzern wischte. Die kleinen "Kätzchen" waren nicht gerade erfreut darüber gewesen, dass er sich um sie kümmern wollte. Die Erste, die ironischer Weise Harmony hieß, hatte ihn gleich am Anfang von ihrem Kratzbaum aus angesprungen und sich in seinen Pulli gekrallt.

Als Izzi durch ihre Attacke nach hinten taumelte, wäre er fast auf Hilde getreten, die zwar mir ihrem komplett schwarzen Fell sehr elegant aussah, sich aber nicht davor sträubte, sich Izzis Bein vorzunehmen und sich dort mit ihren Krallen zu verhaken. Der kleine Raum war vom Fauchen und Knurren der Katzen, sowie den Ausrufen von Izzi gefüllt, die nicht alle sehr nett gegenüber den Katzen waren.

Ich beschloss ihm zu helfen und warf eine Hand voll Leckerlis zu den vieren und Hilde und Harmony ließen den malträtierten Izzi in Ruhe. Dieser sah mich nur mit einer Mischung aus Verwirrung, Schrecken und Verständnislosigkeit an. Das er seine Pulli Ärmel nach oben Richtung Ellenbogen gezogen hatte, entpuppte sich spätestens jetzt als fataler Fehler, denn Harmony hatte wahre Arbeit geleistet. Izzis Arme waren dort, wo frei Haut war, über und über mit mal mehr, mal weniger schlimmen Kratzern übersät, einige waren sogar blutig.

Ich nahm ihn also mit den Waschraum und hier saßen wir nun, er auf dem Rand einer der Badewannen, in denen wir eigentlich die Hunde wuschen und ich kniete vor ihm, um seine Wunden zu versorgen. "Das hast du absichtlich gemacht, gib es zu", erwiderte er gekränkt. Lügen war keine Option. Ich sah ihn mitleidig an und antwortete: "Ja, aber ich hätte nicht gedacht, dass Harmony so mies drauf ist, ich schwöre!".

"Dieses kleine Biest heißt Harmony? Soll das ein Scherz sein?", entgegnete er und konnte sich das Grinsen nicht mehr verkneifen. "Hey, sie hieß schon so, als sie hergekommen ist. Die vier sind schwer vermittelbar, ich denke du weißt warum. Wenn die Kätzchen Pech haben werden wir keine Besitzer für sie finden. Das ist das schwerste an meinem Job. Zu sehen, dass Tiere die eigentlich Herzensgut sind, kein Zuhause finden."

Izzi schaute mich mit großen Augen an und dieser selbstgefällige Ausdruck, den ich sonst so an ihm hasste, war verschwunden. "So, das sollte reichen", beendete ich diesen irgendwie komischen Moment und stand auf um das Handtuch auszuwaschen. "Die Kratzer werden noch ein bisschen bleiben, das tut mir leid, aber nach und nach verblassen sie", sagte ich und hängte den Lappen zum Trocknen auf.

"Es ist vielleicht ein Fehler, wenn ich das frage, aber kann ich dir noch irgendwie helfen?", wollte Izzi mit einem kleinen Lächeln wissen. "Ein paar von den Hunden müssten noch ein bisschen raus, aber du musst mir nicht helfen", erwiderte ich und hoffte doch irgendwie, dass er mitkommen würde. Wenn er dieses überhebliche Getue sein ließ, konnte man es glatt mir ihm aushalten.

"Sind die bissig?", fragte er mit gespielt verängstigten Ausdruck. Jetzt konnte auch ich ein Lachen nicht zurück halten und schüttelte einfach nur mit dem Kopf.

"Nimm du die zwei, die anderen beiden nehme ich", erklärte ich Izzi und hielt ihm zwei Leinen hin, an denen zwei Labrador Geschwister geleint waren, beide dunkelbraun und mit den wohl süßesten Kulleraugen der Welt. Ich selbst hatte unsere älteste Hündin und einen unser einzigen Welpen dabei. Der kleine hatte gute Chancen auf eine Adoption, aber die alte Leika... Keiner wollte einen Hund, der nach einem oder vielleicht zwei Jahren starb.

Wir gingen über einen Feldweg auf ein kleines Wäldchen zu und schwiegen dabei die meiste Zeit. Ich fühlte mich etwas unwohl in seiner Nähe, ich kannte ihn ja auch kaum. "Du magst mich nicht sonderlich, oder?", fragte Izzi auf einmal aus heiterem Himmel. "Na ja, es ist so, dass... Ich will dich jetzt nicht irgendwie beleidigen, aber es ist einfach deine Art die mich nicht anspricht. Du kommst sehr, wie soll ich das sagen... überheblich rüber? Heute Morgen war ich glücklich, dich nie wieder zu sehen. Und jetzt? Jetzt führen wir zusammen Hunde aus", versuchte ich ihm so schonend wie möglich zu erklären. Auch wenn ich ihn wirklich nicht mochte, ihn zu beleidigen war trotzdem nicht meine Absicht.

Auf ein mal fühlte ich mich schlecht. Nicht im Sinne von "ich muss mich übergeben" schlecht, sondern einfach mies. Und ich hatte das Gefühl, dass es wegen Izzi war. In zwei Tagen war wirklich viel passiert und ich kam damit immer noch nicht klar, mit dieser irgendwie erdrückender psychischen Last. Mir war alles zu viel. May ging nicht zum Arzt, das Tierheim nahm zu wenig Spenden ein und ich musste mir überlegen, wie ich die Tiere ohne Geld für Futter versorgen konnte und dann noch Izzi, mit diesem Grinsen.

Ich nahm ihm die Hundeleinen aus der Hand und sagte: "Izzi, es ist besser wenn ich alleine zurück gehe. Es tut mir leid, aber ich bereue es, dich jemals kennengelernt zu haben." Er sagte nichts. In dem Wald neben uns glitt Schnee von einem der Äste. Ein dumpfer Aufprall. Dann drehte ich mich weg, schneller als sonst, mit vier Hunden im Schlepptau. War vergessen möglich?

"Danke, dass du heute hilfst", sagte ich zu May und reichte ihr das Shampoo, das sie entgegennahm und eine kleine Menge auf den Rücken des kleinen Terrier der vor uns in der Wanne kauerte und betroffen drein guckte gab. "Kein Problem, es ist doch heute Samstag, da habe ich doch eh keine Uni", antwortete sie und massierte den Schaum etwas ein.

Ich brauste den Kleinen ab und legte dem zitterten Kerlchen ein Handtuch um. Genau hier hatte ich damals mit Izzi gesessen. Schnell verwarf ich den Gedanken an ihn wieder und widmete mich May, die versuchte den Hund trocken zu rubbeln, dieser aber von der Idee gar nicht begeistert war und probierte abzuhauen. Ich hob ihn hoch, damit es meine beste Freundin leichter hatte und ließ ihn wieder runter, als wir fertig waren.

"Warum wurde er hier abgegebenen?", wollte May wissen, als ich den frisch gebadeten Neuankömmling in seinen Zwinger brachte. "Seine Familie muss umziehen und hat in der neuen Stadt nur ein kleines Appartement mieten können und weil es dem Süßen hier nicht zumuten wollten haben sie sich an mich gewandt", erklärte ich ihr und verschloss seufzend die Tür. Ein weiterer kleiner Racker hier eingesperrt. "Und, wie heißt er?", fragte sie weiter. Ich stockte. Ich schluckte und erwiderte: "Felix".

Ich wusste das May ihn seit dieser Nacht nicht vergessen konnte, oder eher wollte. Aber sie hat ihn nie wieder gesehen. Bei mir und Izzi war es genau anders herum. Ich wollte ihn unbedingt aus meinen Gedanken verbannen und die letzten Wochen hat das wirklich gut geklappt. Außer der Vorfall vorhin. Aber das zählt nicht. "Bleibst du noch etwas hier? Weil der Schnee endlich weg ist kann ich die Hunde hinten ein bisschen auf die Wiese lassen", meinte ich und May nickte, um ihr Einverständnis zu zeigen.

Später am Abend erledigte ich meine Einkäufe in dem Supermarkt, der in der Nähe meiner Wohnung lag. Ich legte meine Sachen auf das Band. Gemüse. Nudeln. Joghurt. Ich stellte mich gegenüber den Verkäufer und reichte ihm meine Kreditkarte und da sah ich ihn. Er ging gerade aus dem Laden. Er war mit dem Rücken mir zu gewandt. Ich erkannte ihn ganz deutlich. Aber er hatte mich nicht gesehen. Jetzt konnte ich ihn ansprechen. Ein Wort. Nur ein Wort. Das könnte meine ganze Zukunft ändern. Verrückt. Noch hatte ich die Chance. Sollte ich? Sollte ich nicht?

"Entschuldigung? Sie können ihre Karte wieder aus dem Gerät ziehen", riss mich der Kassierer aus meinen Gedanken. Ich wandte den Blick ab und konzentrierte mich wieder auf das Einkaufen. Da war meine Chance dahin. Er war nicht mehr zu sehen. Ich raffte mein Zeug in meine Tasche und schlich nach draußen. Ihn zu sehen hatte mich aus dem Konzept gebracht.

Was mich noch mehr aus dem Konzept brachte war er, wie er vor dem Eingang stand und zu warten schien. "Hey", sagte er. Ich stand nur da und starrte ihn an. Schuldgefühl. "Hast du auf mich gewartet?", fragte ich ihn perplex. "Ja, aber länger als du denkst", antwortete er mit einem Lächeln. Nichts mehr von diesem doofen Grinsen das ich so gehasst hatte. "Es gibt viel zu bereden. Kommst du mit zu mir?", wollte ich mit leise Stimme wissen. Und Izzi nickte. "Ja. Ja, das fände ich gut".

New Year New Fear | Dner & Izzi FF|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt