❥ Chapter 5

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Lyas POV

Hey Nick,
morgen ist der erste Schultag ohne Dich. Morgen werde ich zum ersten Mal unseren Schulweg alleine laufen. Ab jetzt ist er nur noch mein Schulweg. Eigentlich könnte ich auch Maddie fragen, ob sie mich begleitet, aber das würde sich komisch anfühlen, da wir immer diesen Weg geangen sind. Ich bin noch nicht bereit dazu, Nick. Verdammt, warum hast Du mich allein gelassen?
Warum hast Du nie mit mir über das geredet, was Dich bedrückt? Ich hätte Dir doch zugehört.

Mir laufen Tränen über die Wangen auf das Papier und ich spüre wieder diesen stechenden Scherz in meiner Brust, der deutlich macht, wie groß die Leere in mir ist. Wie soll ich das nur ohne ihn schaffen? Wir haben uns versprochen, dass unser letztes Schuljahr das Beste wird, weil wir es gemeinsam durchstehen. Nick, Maddie, Jonah und ich. Nicht, dass Maddie mir egal ist, aber wenn ich mit ihr zusammen bin weiß ich sofort, was oder genauer gesagt, wer fehlt und dieses Gefühl ist beschissen. Wann hört das endlich auf?

Verdammt Nick, ich vermisse Dich. Gestern habe ich wieder den Typ gesehen, der die Zeitungen austrägt und dachte, das wärst Du. Warum muss er auch unbedingt dieselbe Jacke haben wie Du? Ich weiß noch, als wir uns darüber manchmal lustig gemacht haben. Jetzt ist diese Verwechslung alles andere als lustig.
Danach bin ich ins Bad gelaufen und musste mich ersteinmal ausweinen. Eine halbe Stunde saß ich dort unter der Dusche und konnte den Moment nicht aus meinem Kopf bekommen, als du in der Badewanne lagst. Verdammt, Nick! Das werde ich Dir nie verzeihen können.
Wow, das ist wohl der bisher mit Abstand kitschigste Brief von allen, aber so fühle ich nun mal und weil ich Dir immer alles anvertrauen konnte, schreibe ich es hier für Dich auf. In der Hoffnung, dass Du das doch irgendwann lesen und sagen wirst, dass es alles nur ein blöder Traum war.
Ich werde morgen an Dich denken und versuchen, für uns beide stark zu bleiben. Wenigstens steht Maddie mir zur Seite, wenn sie noch etwas mit mir zutun haben möchte. In den letzten Wochen war ich nämlich wirklich keine Freundin und habe ihr auch keine Chance gegeben, selbst eine zu sein.

"Lya, es gibt Essen! Kommst du runter?", ruft Mom von unten.

"Ja, einen Moment noch", gebe ich zurück.

Ich wische mir meine Tränen aus dem Gesicht und schreibe noch eine Verabschiedung.

Bis bald und wünsche mir viel Glück für ich stoppe kurz und atme tief durch mein, unser letztes Schuljahr.
Bis bald,
Lya

Als ich den Brief beendet habe, lege ich den Stift ab und betrachte mein Buch. Ich bemerke, wie viele Seiten ich davon bereits in den vergangenden Monaten geschrieben habe. Erinnerungen kommen hoch und meine Augen fangen wieder an zu brennen. Doch bevor ich mich komplett in all den Briefen und damit verbundenen Emotionen verlieren kann, klappe ich das Buch zu und lege es wieder zurück in meine Schublade.

Ich stehe auf und gehe, bevor ich runter zum Abendessen gehe, zuerst ins Badezimmer, um mein Gesicht wieder etwas herzurichten. Meine Eltern und Tessa müssen nicht sehen, dass sich wieder geweint habe, obwohl sie sich das mit großer Wahrscheinlichkeit sowieso denken können. Aber ich möchte nicht, dass sie mir das ansehen, also wasche ich schnell mein Gesicht mit kaltem Wasser, um mich wieder etwas zu beruhigen. Danach versuche ich schnell mit Concealer meine Augenringe zu verdecken, die dadurch entstanden sind, dass ich immer noch nicht richtig schlafen kann.

Die Albträume und der Schulstart beschäftigen mich zu sehr. Mom und Dad ist das auch schon aufgefallen und sie haben mich darauf bereits versucht anzusprechen, mehrmals sogar, aber ich habe immer wieder abgeblockt und meinte, alles sei in Ordnung. Was natürlich eine Lüge ist und das wissen wir alle, aber dennoch ist es mir lieber, wenn sie mich nicht zu etwas drängen, wofür ich noch nicht bereit bin und ich glaube so langsam fangen sie an, das zu verstehen und auch zu akzeptieren.

"Lyana?"

"Bin schon unterwegs."

Ich laufe aus dem Badezimmer raus nach unten und setzte mich an den Esstisch.
"Hier bin ich."

Meine Familie sieht mich wortlos an und ich weiß, dass sie es merken. Vielleicht kann ich meinen Schmerz doch nicht so gut verstecken, wie ich dachte.
"Wollen wir jetzt essen oder wollt ihr mich die ganze Zeit anstarren?"

Dad räuspert sich und reißt Mom und Tessa somit endgültig aus ihrer Starre heraus. Sie essen weiter und auch ich nehme ein paar Pommes auf meine Gabel. Ja, ich esse Pommes mit einer Gabel. Nick hat das immer gemacht und irgendwann habe ich mir wohl diese Angewohnheit von ihm abgeschaut und mich davon niemals entwöhnt. Nick...

Gedankenverloren stochere ich mit einer Gabel auf meinem Teller herum, ohne etwas zu essen. Ich habe keinen Hunger und Essen wird mir auch nicht helfen, den Gedanken an die morgige Leere neben mir zu füllen.

"Iss doch bitte wenigstens ein bisschen, Lya. Oder möchtest du etwas anderes?", fragt Mom mich, als wäre ich eine Platte aus Glas, die jeden Moment zerbrechen könnte.

"Nein, alles gut." Eine knappe Antwort, mit der sie sich nicht zufrieden geben wird, wie ich ihr förmlich im Gesicht ablesen kann. Mom legt ihre Gabel hin und lässt das Stück Wurst darauf stecken. Oh je, jetzt bekomme ich etwas zu hören.

"Nein, Lyana. Nichts ist gut. Wir wissen nicht wie wir dir helfen können. Du redest ja nicht mit uns. Was können wir tun, damit es dir etwas besser geht?" Darauf antworte ich nicht. Sie kennen die Antwort. „Leider können wir an dem Geschehenden nichts ändern, aber wir müssen das Beste daraus machen. Etwas anderes bleibt uns nicht übrig. So blöd das auch klingt."

"Das weiß ich doch, okay?" Wieder blocke ich ab, aber Verdrängung ist für mich momentan die einfachste Lösung und das Einzige, was mich davon abhält, nicht komplett zusammenzubrechen. Oft klappt es auch relativ gut, aber je näher der Schulstart kommt, desto schwerer wird es für mich, nicht komplett durchzudrehen.

Danach herrscht Stille und alle wenden sich wieder ihrem Essen zu. Ich jedoch nicht. Also stehe ich auf. "Ich habe keinen Hunger und bin müde. Ich gehe jetzt ins Bett. Gute Nacht", verkünde ich. Eigentlich bin ich nicht müde, aber gerade brauche ich etwas Abstand von allem, um mich auf den Tag morgen vorzubereiten.

Mom nickt nur kaum merklich, während Tessa und Dad mich mitleidig ansehen. Ich schiebe den Stuhl an den Tisch und gehe die Treppe hoch in mein Zimmer. Als ich die Zimmertür schließe, lehne ich mich dagegen. Meine Beine geben unter mir nach und ich sinke zu Boden. Wie soll ich dieses Schuljahr ohne ihn durchstehen?

Break The FallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt