❥ Chapter 38

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Lyas POV

"Du hattest letztes Mal noch erzählt, dass Nick am Dienstag Geburtstag hatte. Wie erging es dir an diesem Tag?", fragt Mrs Jensen und sieht mich aufmerksam an.

Ich räuspere mich und knete angespannt meine verschränkten Finger in meinem Schoß. "Es war kein einfacher Tag", beginne ich, "doch ich war nicht allein und das hat mir sehr geholfen."

Je mehr Zeit vergeht, desto erleichterter bin ich, dass ich einer Unternehmung mit Alec zugestimmt hatte. Nick hätte sicher nicht gewollt, dass ich mich in einer Ecke verkrieche und vor mich hintrauere, so wie ich das die vergangenen Monate gemacht habe. Sein Geburtstag war immer einer der schönsten und lustigsten Tage und Alec hat mir geholfen, den Ruf für diesen Tag aufrecht zu erhalten, ohne dass ich darum gebeten habe. Mittlerweile habe ich das verstanden und kaum noch Schuldgefühle deswegen. Wahrscheinlich hat der Besuch an seinem Grab mich aus einer Starre befreit, denn plötzlich kommt mir alles so real vor. Nick ist tot und ich kann nichts mehr daran ändern. Es war zu spät und nun muss ich mit den Folgen leben. Leider kann ich ihn nicht mehr zurückbringen.

"Das freut mich zu hören", sagt Mrs Jensen darauf und macht sich kurz Notizen. "Wie hast du diesen Tag denn verbracht?"

"Alec, ein ähm Freund und ich waren im Kino und danach in einem Café."

"Das hört sich doch toll an."

Meine Mundwinkel verziehen sich zu einem kleinen Lächeln. "Ja, wir hatten eine tolle Zeit." Daraufhin spüre ich eine unangenehme Schwere in meinem Bauch und Erinnerungsstücke an meinen ersten Grabbesuch nach der Beerdigung kommen mir in den Kopf. Mein Lächeln verschwindet und ich senke den Blick auf meine Schuhe. Eine kurze Stille entsteht, in der ich mich versuche zu sammeln. Wie immer wartet Mrs Jensen ab und gibt mir meine Zeit. Mittlerweile weiß sie, dass ich während der Therapiestunde immer mal wieder einige Minuten brauche, um mich zu beruhigen, bevor ich weiterspreche.
"Danach waren wir noch an Nicks Grab", sage ich mit leiser Stimme, die mir fast wie ein Flüstern vorkommt. Zuerst glaube ich, dass Mrs Jensen mich nicht gehört hat, doch sie fragt nach, wie ich mich dabei gefühlt habe.
"Es war mein erster Besuch seit der Beerdigung. Zuerst hatte ich nicht vor, dort hinzugehen, aber irgendwie hat Alec es geschafft, mich zu überzegen. Es, ähm, es war nicht gerade einfach... Ehrlich gesagt war es sogar fast noch schwerer als bei der Beerdigung selbst." Ich schlucke den Kloß herunter, der sich mittlerweile in meinem Hals gebildet hat. Jetzt sehe ich erneut seinen Grabstein vor meinem inneren Auge und ich beiße mir in die Wange, um keine Tränen zu vergießen.

"Hm, ja, das stelle ich mir auch nicht einfach vor. Aber zum Glück hattest du Unterstützung von Alec, oder?"

"Ja. Er war für mich da." Schon wieder, füge ich in meinem Kopf noch hinzu. Irgendwie ist er immer da.

"Er scheint ein sehr guter Freund zu sein." Mrs Jensen formuliert es eher als Aussage, als eine Frage.

Ich spüre, dass meine Wangen heiß werden und nehme mir ein Taschentuch aus der Box auf dem Tisch zwischen uns und putze mir die Nase. Auch, wenn das eigentlich gar nicht nötig war, hoffe ich so zumindest, von meiner Röte im Gesicht ablenken zu können. Keine Ahnung, woher die auf einmal kommt, aber ich wünsche mir, sie würde einfach verschwinden. "Ja", antworte ich daraufhin kurz angebunden.

"Okay. Lass uns doch mal über diesen Alec reden. Wer ist er eigentlich?", stochert sie weiter nach und bringt mich somit völlig raus. Ich muss sie verwirrt angesehen haben, denn im nächsten Moment schenkt sie mir ein kleines Lächeln. "Ich weiß, du fragst dich wahrscheinlich, was dieses Thema in deiner Therapie zusuchen hat, da du doch wegen Nicks Tod hier bist, aber es scheint mir, als wäre er seit Kurzem von großer Bedeutung in deinem Leben." Das macht mich sprachlos. So sehe ich das nämlich nicht. Okay, er hat mir an Nicks Geburtstag geholfen und erkundigt sich immer mal wieder nach meinem Wohlergehen und er hängt immer mit uns ab, aber sowas machen Freunde doch, oder nicht? Das ist doch nichts wirklich großes von Bedeutung.
"Na ja, wir sind Freunde und Freunde unterstützen sich. Also ist da doch nichts bei", erwidere ich mit einem Schulterzucken.

"Wenn man die richtigen Leute als Freunde hat, ja. Jedoch können sich nur die wenigsten glücklich schätzen, solche Freunde zu haben." Treffer versenkt. Sie hat absolut recht. Ich kann mich glücklich schätzen, so viel Unterstützung von allen Seiten zu bekommen. Schließlich ist das nicht selbstverständlich. Daraufhin nicke ich nur gedankenverloren und wir reden noch weiter über meine Freunde.

Break The FallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt