❥ Chapter 31

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Lyas POV

"Muss ich das wirklich anziehen, Mom? Geht nicht auch einfach eine Jeans und ein Pulli?", protestiere ich mit verschränkten Armen vor meiner Brust im Türrahmen des Schlafzimmers meiner Eltern gelehnt und sehe zu, wie Mom irgendwelche Ohrringe in ihrem Schuckkästchen sucht.

Sie seufzt schwer und wendet sich von ihrer Suche zu mir. "Bitte tu mir den Gefallen, Lyana." Oh je, mein ganzer Name. Immer, wenn sie genervt ist und ihr Geduldsfaden nahe der Zereißprobe ist, benutzt sie ihn. "Das Kleid steht dir wirklich gut und das solltest du auch einmal zeigen. Auch wenn wir nur mit der Familie essen gehen, können wir uns doch schick anziehen." Sie senkt die Lautstärke ihrer Stimme. "Früher hast du das doch gerne getan."
Ja, genau. Früher. Das letzte Mal, dass ich ein Kleid anhatte, war auf Nicks Beerdigung und dieses beschissene schwarze Kleid fällt mir immer wieder ins Auge, wenn ich auch nur meinen Kleiderschrank öffne. Ich hasse diesen Anblick.

Mom sieht mich mit einem bittenden Blick an, der mich an einen Welpen erinnert, wenn er etwas haben möchte. Aber in ihrem Blick liegt außerdem noch ein kleiner Schimmer Hoffnung, dass ich doch noch zustimme, jedoch auch etwas Enttäuschung, dass ich mich nicht mehr darauf freue, ein schickes Kleid anzuziehen, so wie sonst immer.
Also willige ich schließlich doch ein, das Kleid zu tragen und sofort erhellt sich Moms Miene. "Super! Wir fahren dann in einer Stunde los", sagt sie aufgeregt und wendet sich wieder ihrer Schmuckkiste zu.

Ich gehe zurück in mein Zimmer und öffne meinen Kleiderschrank. Als allererstes fällt mein Blick auf das schwarze Kleid, das ganz links hängt. Es ist das einzige schwarze Kleid, das ich besitze. Damals hatte ich es gekauft, weil es mir gefiel, doch da wusste ich noch nicht, dass ich es irgendwann zur Beerdigung meines besten Freundes tragen sollte. Seitdem habe ich es nie wieder angezogen, geschweige denn vom Kleiderbügel genommen. Schwer schluckend wende ich meinen Blick davon ab und nehme das bordeauxrote Kleid heraus, das ich heute anziehen werde.

Ich betrachte es. Dieses Kleid habe ich von meinen Eltern zum 17. Geburtstag bekommen, aber ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, es anzuziehen. Vor einigen Monaten habe ich mich total gefreut, weil ich es schon seit längerem im Auge hatte, es für mich aber immer zu teuer war, weshalb ich es immer wieder schweren Herzens zurückließ, bis meine Eltern es mir dann schenkten.

Ich ziehe es an, stelle mich vor den Spiegel und betrachte mich selbst. Das Kleid ist aus angenehmer Baumwolle und fühlt sich leicht auf meiner Haut an. Es geht mir bis zu den Knien und hat kurze Ärmel, ähnlich wie ein T-Shirt. An meiner Hüfte hat es eine Art Gürtel, der das leicht geblümte Oberteil zur Geltung bringt. Und weil ich noch einen draufsetzen möchte, hole ich mein Schminktäschchen hervor und tusche meine Wimpern und trage etwas Labello auf meine Lippen. Das reicht mir dann auch schon wieder und auf mehr habe ich ehrlich gesagt keine Lust. Sollen sie doch damit zufriedengeben. Wenigstens ist der Schein wieder hergestellt.

Erneut stelle ich mich vor den Spiegel und betrachte mich als Ganzes. Irgendwie sehe ich nicht mehr mich im Spiegel, sondern mein altes Ich. Die alte Lya, die ihr Leben noch genossen hat und zufrieden mit allem war. Die immer ein Lächeln auf den Lippen hatte und zu jedem freundlich war. Gott, wie ich sie verabscheue. Alles was ich jetzt noch sehe, sind vereinzelte Überbleibsel. Zwar habe ich mich vom Aussehen her nicht verändert, aber meine Ausstrahlung ist eine völlig andere. Aber ich glaube, das bleibt nicht aus, wenn man einmal den Tod gesehen hat. Ich weiß nicht, welche Version von mir selbst ich gerade mehr verabscheue und bevor ich noch den Spiegel einschlage, wende ich mich ab und bereite meine kleine schwarze Umhängetasche vor, indem ich mein Handy und mein Portemonnaie hineinlege.

Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät mir, dass es Zeit ist, runterzugehen, was ich auch sofort mache, sobald ich mir noch schnell eine Jacke geschnappt habe. Unten angekommen ziehe ich mir noch schnell passende Turnschuhe an und los geht's. Auch, wenn ich deswegen ein leises Seufzen von Moms und Tessas Seite bekomme, lasse ich sie an und gehe schonmal zum Auto. Wir sind zu keinem Dinner mit dem Präsidenten eingeladen, also sehe ich keinen Grund, High Heels zu tragen.

Break The FallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt