Kapitel Siebzehn: Rückzugsort

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Manchmal frage ich mich, wieso ich diesen ganzen Schmerz ertragen muss. Wieso passieren solche Dinge immer wieder und lassen mich nicht in Ruhe? Ist es nicht genug, dass ich die letzten Jahre eine schlimme Zeit durch habe? Nein, wie es scheint nicht, denn in dem Moment als ich dachte, dass ich diese Trennung überwunden habe, taucht Hunter auf und bringt mein Gefühlschaos in die nächste Runde.

Ich glaube er weiß gar nicht, was er mir mit seinen Berührungen, seinem Lächeln und seiner bloßen Anwesenheit antut. Wie denn auch? Ich gehe ihm so gut es geht aus dem Weg. Das Schlimmste daran ist, dass mein Herz und meine Seele genau diese Berührungen wollen und sich nach ihnen sehnen.

Als würden seine Hände die Risse, die tief in mir drinnen sind, heilen können und mich somit Stück für Stück wieder zusammenflicken. Aber mein Verstand wehrt sich verhemmt dagegen, denn dieser Mann ist dafür verantwortlich, dass sie überhaupt existieren.

Wäre das alles nicht passiert, hätte er mich vor fünf Jahren nicht verlassen, gebe es diese Schmerzen in mir nicht. Oder liege ich da falsch?

Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, aber die Zukunft liegt in meiner Hand und die entscheidende Frage ist, ob ich Hunter James in meinem Leben haben will. Bin ich bereit dafür, endlich nach vorn zu sehen und das Ganze zu vergessen? Ja, das bin ich, aber unter einer Bedingung, dass er mir den Grund verrät, weshalb er mir nur einen Brief hinterlassen hat und ohne weiteres gegangen ist.

Auf einmal stolpere ich über einen Stein und falle schmerzhaft auf den Boden. In meinen Händen vergraben sich kleine Kieselsteine, die sich mit den Spitzen in meine Haut bohren. Meine Knie sind aufgeschürft und in diesem Moment verfluche ich meine Entscheidung einen Rock zu tragen.

Ich kann bereits das Blut auf meiner Haut fühlen, dass sich seinen Weg nach unten bannt Richtung Boden. Schnell rolle ich mich auf die Seite und bemerke, dass ich in diesem ganzen Gefühlschaos meine Handtasche in der Bar vergessen habe.

Nachdem ich vor Hunter die Flucht ergreift habe, bin ich gedankenlos nach draußen gestürmt und habe mich in meinem Selbstmitleid gebadet.

Erst jetzt erkenne ich, wohin mich mein Unterbewusst sein hingeführt hat und kann darüber nur meinen Kopf schütteln. Ich bin an einer kleinen Lichtung im Wald, umgeben von Bäumen und Sträuchern, an genau dem Ort der für uns beide unser Rückzugsort war, oder auch ist.

Ich bin am Anfang unserer Trennung jeden Abend hier gewesen, da ich das Gefühl hatte, dass ich ihm an unseren Ort näher bin als irgendwo sonst. Stundenlang habe ich den Baum angesehen, der mit unseren Initialen versehen ist und habe geweint. Ich habe so viel geweint, dass ich verwundert war wie viele Tränen noch immer meine Wange hinab kullern.

Auch jetzt sehe ich mir dieses Kunstwerk von Hunter an und kann nicht verhindern, als sich die Erinnerung in den Vordergrund drückt und mir zeigt, wie schön es war, als noch alles war wie es sein sollte. Eine Träne löst sich aus meinem Augenwinkel, die ich schnell wegwische.

Nach so vielen Jahren kommen noch immer Tränen in mir hoch, auch wenn ich mir denke, dass es eigentlich genug waren. Ich muss endlich damit aufhören und mit dieser Sache abschließen. Ansonsten wird daraus nichts und ich werde niemals aus diesem Loch herauskommen, in dem ich mich befinde.

Ein Rascheln ertönt hinter mir, sodass ich erschrocken zusammenzucke und ich mich mit großen Augen umdrehe. Niemand kennt diesen Ort, weshalb mein Körper aus Angst zu zittern beginnt. Ob hier irgendwelche Tiere umherwandern? Ich war schon lange nicht mehr in der Nacht hier um mir diese Frage zu beantworten und außerdem habe ich auch nicht gehört.

Ein Strauch beginnt sich zu bewegen und das Rascheln wird immer lauter, da es näher kommt, weshalb ich langsam aufstehe und mir einen Baum suche, um mich hinter ihm zu verstecken. Die Äste bewegen sich, als ich eine dunkle große Gestalt erkennen kann, die sich gekonnt durchschlängeln und nicht auf die Geräusche achtet, die er verursacht. Ich versuche mich immer kleiner zu machen, weil die Person immer näher kommt, doch bevor er mein kleines Versteck erreicht, biegt er auf die andere Seite.

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