Kapitel Dreiundzwanzig: Wettbewerb 2.0

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Seit einer halben Stunde lauschen wir den Erzählungen von Samuel, während meine Hände zu kribbeln beginnen und sie es kaum erwarten können endlich anzufangen. Er spricht über die Geschichte und der Entstehung dieses Events, dass mich kaum interessiert. Mich juckt es in den Fingern endlich den Teig auszurollen und mein kleines Café vorzustellen.

Verstohlen blicke ich alle Teilnehmer an, sehe die Zutaten vor ihnen und überlege mir, was sie alles zaubern wollen. Während ich mir alles ansehe, gehe ich meine Rezepte in meinem Kopf nochmals durch.

Ich habe mich dafür entschieden, von all meinen kleinen Leckereien etwas zuzubereiten. Sie sollen die Vielfältigkeit in unserem Café sehen und nicht nur eins davon.

Das laute Räuspern reißt mich aus meinen tiefen Gedanken raus, sodass ich aufsehe und in das belustigte Gesicht von Samuel blicke. Kurz zwinkert er mir noch zu, bevor er sich an die Menge wendet und den Start der Runde verkündet.

Verlegen wende ich meinen Blick auf die Theke vor mir, versuche die roten Wangen zu verbergen und beginne all die Köstlichkeiten zuzubereiten.

Meine Konzentration ist allein auf meine Arbeit fixiert, während ich den Teig ausrolle, alles andere noch dazu vorbereite und mich tief darin versinke. Diese Leidenschaft, die ich mit dem Backen verbinde, lässt mich alles andere vergessen und nimmt mich auf eine Reise mit, auf der keine Sorgen herrschen und alles friedlich ist.

Kein Hunter James ist da, der meinen Kopf zum Explodieren bringen könnte.

Immer mehr nehmen meine Kreationen Farbe an und man kann langsam die Köstlichkeiten erkennen. Samuel und drei Kameraleute schlängeln sich immer mal wieder bei uns vorbei, beobachten unser Treiben und senden es Live in die Übertragung.

Dass meine ganze Familie und Brices Creek zu sehen, kann ich mir denken. Unsere einzige Kneipe in der Stadt hat eine Liveübertragung angekündigt und sogar Faith hat den Fernseher aus unserer kleinen Kammer hervorgeholt.

Die ersten Lamingtons sind bereits fertig, das wienerbrød ist im Ofen und der Rest ist noch in Bearbeitung. Lange werde ich nicht mehr brauchen, da ich alles genau durchgeplant habe und genau weiß, welche Reihenfolge die beste ist.

Als ich auf die Stoppuhr einen Blick werfe, rechne ich mir die Zeit nochmals durch und stelle erleichtert fest, dass ich mich nicht verrechnet habe. Ich mache mich für den Endspurt bereit und bin bereits auf das Ergebnis gespannt.

Denn egal, ob ich hier gewinne oder nicht, das ist nicht wichtig, weil ich meinen Spaß habe. Das ist wichtiger als irgendwelchen Preis zu gewinnen.

Gerade rechtzeitig platziere ich alle Köstlichkeiten auf der kleinen Etagere, als der Gong erklingt und ich innehalte. Erleichterung durchflutet mich, weil ich es geschafft habe in der Zeit zu bleiben.

Auch die anderen hören auf, einige sind nicht ganz fertig geworden und doch sehe ich die meisten stolz lächeln. Wie es scheint durchleben wir alle die gleichen Gefühle in diesem Augenblick.

„Die Zeit ist um, meine Lieben. Ich bitte euch, nichts mehr daran zu ändern. Die Jury wird gleich nach vorne kommen und danach werden sie bei euch allen vorbeischauen."

Samuel lächelt uns alle an, als er sich umdreht, weil die Türe sich öffnet. Fünf weiter Köpfe schreiten zu uns, sehen sich alles an und haben einen Notizblock in der Hand. Das muss wohl die Jury sein.

„Da wir nun alle vollzählig sind, schlage ich vor, dass wir mit der Bewertung beginnen. Viel Spaß dabei und ich wünsche euch guten Appetit", erklingt die Stimme des Organisators.

Tief atme ich durch, warte geduldig bis sie bei mir ankommen und wische dabei meine Hände an der Schürze. Die Aufregung hat sich in mir breit gemacht, sodass mein Herz schneller gegen meine Brust schlägt und meine Hände feucht werden. Ich hoffe nur das niemand etwas davon bemerkt.

„Hallo Haylee Lane. Was haben sie für uns zubereitet?" Ein großgewachsener Mann steht vor mir, lächelt mich charmant an und wartet gespannt auf meine Antwort.

Seine Augen leuchten auf, als er die Etagere erblickt und leckt sich dabei über die Lippen. Das ist ein gutes Zeichen, oder?

„Hallo", grüße ich ihn lächelnd zurück. „Ich habe hier nicht nur eine Kreation für euch, sondern mehrere. Unser Café ist dafür bekannt viele verschiedene Leckereien aus aller Welt zu bieten und da dachte ich mir, ich mache das hier auch."

Zum Glück hört sich meine Stimme souverän an. An ihr kann man nicht erkennen, was genau in mir vorgeht. Langsam zeige ich auf die verschiedene Gebäcke und erkläre ihm alles, als wäre er ein Kunde bei uns.

„Hier haben wir Lamingtons, Eclair und das wienerbrød. In der Mitte finden sie Waffeln, Crumble und Baklava. Zudem haben wir noch das Bananenbrot mit Schweizer Schokolade und den Berliner Pfannkuchen. Also greifen sie zu und genießen es."

Beeindruckt sieht er mich an, als ich meine kleine Rede beendet habe.

„Sie haben aber viel geleistet, Haylee Lane. Ich bin sehr angetan von ihrer Idee. Na dann, probiere ich mal das erste Stück."

°°○°°

Glücklich und erschöpft stehe ich an der Rezeption und checke gerade aus dem Hotel aus. Der gestrige Tag ist noch immer in meinen Gedanken präsent und ich bin glücklich, dass ich unter die ersten Drei gekommen bin. Sie alle waren begeistert von allem und als das Event vorbei war, haben wir uns entschieden noch gemeinsam was trinken zu gehen.

Der Abend war lustig und ich habe viele neue Menschen kennengelernt. Aber jetzt wird es Zeit wieder nach Hause zu gehen. Meine Arbeit ist hier getan und ich kann es kaum erwarten alle wiederzusehen.

Ich bin es gar nicht mehr gewohnt, solange weg zu sein, weshalb ich so schnell wie möglich abreisen möchte.

Schnell verstaue ich meine Tasche auf die Hinterbank und setze mich anschließend ans Steuer. Mein alter Wagen beginnt zu schnurren, als ich den Motor starte und den Weg nach Hause einschlage. Das Radio summt im Hintergrund und hebt meine Laune immer weiter an.

All das Geschehene ist aus meinem Kopf verschwunden und dafür bin ich mehr als dankbar. Meine Methode alles in eine tiefe Schublade zu stecken, scheint erfolgreich zu sein, sodass ich darüber nur lächeln kann und mich auf meine Freunde und Familie freue.

Ich muss mich bei ihnen bedanken, für ihre kleinen Zettelchen, die mir eine große Motivation für die letzten beide Tage waren. Denn ich kann froh sein, solche Menschen um mich herum zu haben.

Kurz vor meinem Ziel, beginnt mein kleines Auto komische Geräusche von sich zu geben. Mein Blick richtet sich auf den Tacho und ich sehen, wie sich die Geschwindigkeit immer mehr reduziert, auch wenn ich mein Fuß auf dem Gaspedal habe.

Verwirrt stoppe ich den Wagen, runzle dabei meine Stirn als ich versuche ihn nochmals zu starten. Leider springt er nicht mehr an, weswegen ich laut aufstöhne und die Nummer von meiner besten Freundin wähle, um ihr meine missliche Lage zu erklären.

„Wie war′s, Zuckerschnecke?", fragt sie mich direkt, als sie den Hörer abnimmt.

„Gut, aber ich hab ein kleines Problem. Mein Wagen will nicht mehr starten und deswegen werde ich mich verspäten. Tut mir leid, Süße."

Faith kichert los, zeigt mir somit ihre Schadenfreude, die in ihr herrscht. Sie lacht gerne andere aus, wenn es mal nicht nach Plan läuft.

„Ich schick dir jemanden. Wo bist du genau?"

„Auf der Landstraße, kurz vor Brices Creek", erkläre ich ihr. „Danke Faith", füge ich noch hinzu und beende das Gespräch mit ihr.

Verärgert lehne ich mich in meinem Sitz zurück und hoffe, dass der Abschleppdienst bald auftauchen wird. Ich habe keine Lust, lange auf diesen zu warten.

Aber ich konnte mir ja denken, wen genau meine beste Freundin angerufen hat. Denn wir haben nur eine Werkstatt in unserer Stadt und diese hat wieder geöffnet.

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