Kapitel Achtzehn: Besuch

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Vor zehn Jahren

Gedankenverloren schaue ich meinen Dozenten an, der gerade über irgendeinen Künstler spricht und ich an seinen Augen erkennen kann, dass er von ihm begeistert ist. Ich wünschte mir, dass ich dieselbe Leidenschaft aufbringen kann, aber seit ich wieder am College bin, ist irgendwie alles anders.

Noch vor ein paar Wochen war ich mit vollem Elan dabei, habe mir zur jede Vorlesung Notizen gemacht und mich immer wieder gemeldet. Und jetzt? Jetzt langweile ich mich dabei, denn der Mensch, der mir eine andere Seite des Lebens gezeigt hat, fehlt mir unglaublich. Er hat mir gezeigt wie schön das Leben sein kann. Hat sich solche Mühe gegeben, mir jeden Aspekt zu zeigen und es mich lieben zu lernen.

Es sind jetzt bereits zwei Wochen von unserem Abschied vergangen und die optimistischen Gedanken verflogen. Die erste Euphorie, dass wir das zusammen überstehen werden, sinkt mit jeder Sekunde, die vergeht.

Faith hat mich versucht auf andere Gedanken zu bringen und doch kann ich an nichts anderes denken, als an den Mann der mir mein Herz gestohlen hat. Jeden Abend telefonieren wir zusammen, weshalb das meine Lieblingszeit wurde und das einzige Highlight von meinem Tag.

Meine Wahrnehmung hat sich auch verabschiedet, weshalb ich nicht mal bemerke, dass unsere Vorlesung vorbei ist. Meine Sitznachbarin stupst mir leicht in den Arm, weswegen ich meinen Kopf verwirrt zu ihr drehe.

„Die Stunde ist um. Wir können gehen, außer du willst noch weiter Mr. Keller zuhören.“

Verwundert schaue ich mich im Saal um und sehe, dass ihn bereits alle verlassen haben. Wir zwei sind noch die Einzigen, Mr. Keller ausgeschlossen, die übrig geblieben sind. Peinlich berührt senke ich meinen Blick und packe alles zusammen. Sara schaut auf meinen leeren Notizblock und hebt belustigt die Augenbraue in die Höhe.

„Kannst du mir …“, verlegen streiche ich eine Haarsträhne hinter mein Ohr, unfähig den Satz zu beenden.

„Klar. Ich schick dir meine Notizen per Mail.“

Erleichtert atme ich tief ein und bedanke mich mit einem ehrlichen Lächeln bei ihr. Sie hat mir bereits zuvor ihre Notizen gesendet und mir dabei den Arsch gerettet.

„Wir sehen uns“, verabschiedet sie sich von mir, als wir bereits an der Tür ankommen, da wir die nächste Vorlesung nicht miteinander haben. Kurz winke ich ihr zu, um mich dann umzudrehen und in die andere Richtung, zu meinem nächsten Kurs, zu sprinten. Durch mein Trödeln habe ich die Zeit total vergessen und muss mich deshalb beeilen, um noch pünktlich anzukommen.

Außer Atem lasse ich mich auf meinen Stuhl nieder, während mich Luke amüsiert anblickt.

„Hast du es auch mal geschafft?“, neckt er mich und zwickt mir dabei in den Arm.

„Hey, das tut weh“, beschwere ich mich und reibe dabei über meinen Arm, um den Schmerz abzumildern. „Und ja, habe ich, wie du es sehen kannst.“

Irgendwie hat es sich eingependelt, dass wir immer nebeneinander sitzen und uns gegenseitig helfen. Er ist einer der wenigen, mit dem ich aus der Uni Kontakt habe. Luke und Sara. Sie beide sind so etwas wie Freunde geworden, auch wenn wir uns in der Freizeit fast nicht sehen, da ich eigentlich immer am Büffeln bin.

Außer die letzten zwei Wochen.

Der Dozent beginnt mit seiner Vorlesung, weswegen sich Luke von mir abwendet und ihm interessiert zuhört. Dieses Mal versuche ich aktiv mitzumachen und schreibe immer wieder etwas auf meinen Notizblock, um nicht gelangweilt zu wirken.

Immer wieder höre ich ein Klopfen in der Nähe, sodass meine sowieso miserable Konzentration sich verabschiedet und seufze laut auf. Angestrengt versuche ich das Geräusch zu überhören, als Luke mich von der Seite anstupst und zum Fenster zeigt.

Konfus drehe ich mich zur angezeigten Stelle, um völlig überrascht mit offenem Mund dazusitzen. Denn draußen steht niemand anderes als mein Freund, der mich mit einem verschmitzten Lächeln ansieht und mir mit dem Finger ein Zeichen gibt, nach Draußen zu kommen.

Völlig überfordert sehe ich mich im Saal um und vergewissere mich, dass dieser kleiner Moment niemand gesehen hat.

„Na geh schon. Dieser Kerl wird langsam ungeduldig“, kommentiert Luke und lächelt mich an.

„Wie soll ich denn von hier verschwinden?“

Leise lacht er los und sieht mich ungläubig an. Als er bemerkt, dass mir meine Frage ernst war, schüttelt er den Kopf und hebt die Hand.

„Tut mir leid für die Störung, Sir. Aber Haylee fühlt sich nicht wohl und da habe ich mich gefragt, ob Sie sie von der Vorlesung entschuldigen können?“

Erschrocken weiten sich meine Augen und die ganze Farbe weicht mir aus dem Gesicht. Durch den Schock, der mir Luke gerade bereitet hat, sehe ich auch wirklich krank aus, sodass mich unser Dozent ohne weiteres entlässt. Dankbar schaue ich meinem Sitznachbar in die Augen, bevor ich alles zusammenpacke und Richtung Ausgang marschiere. Die neugierigen Blicke ignoriere ich dabei, denn mir ist diese Situation bereits äußerst peinlich. Da brauche ich die Blicke meiner Mitstudenten nicht.

Kurz nachdem ich die Tür des Saales schließe, werde ich an die nächste Wand gedrückt und stürmisch begrüßt. Durch die Berührungen kann ich deutlich erkennen, wer genau vor mir steht und erwidere den Kuss mit der gleichen Leidenschaft wie Hunter. Laut seufze ich in den Kuss hinein, als sich sein Geschmack in meinem Mund ausbreitet. Lange habe ich auf mein Lieblingsaroma verzichtet, weswegen ich nicht genug bekommen kann und meine Hände um seinen Nacken schließe, damit ich Hunter noch näher zu mir ziehen kann.

Wegen des Luftmangels lösen wir uns voneinander, auch wenn sich alles gegen mich sträubt und ich mehr haben will. Außer Atem lege ich meine Stirn auf seine, schließe meine Augen und fühle den Moment. Mein Verstand kann es noch gar nicht registrieren, dass Hunter hier bei mir ist, auch wenn mein Herz es schon weiß. Denn seit langen fühle ich mich wohl, geborgen und zu Hause. Und diese Gefühle gibt mir nur ein Mensch.

„Hi, Zimtschnecke. Hast du mich vermisst?“

Seine funkelnden Augen zeigen mir, dass er die Antwort bereits kennt, sie aber trotzdem hören will.

„Natürlich. Das waren die längsten zwei Wochen meines Lebens.“

„Ja, meine auch, Hails. Deshalb habe ich mich entschieden, dich besuchen zu kommen, weil ich es nicht erwarten konnte, dich zu sehen.“

Sanft streichelt sein Finger meine Wange, während die andere Hand an meiner Hüfte ruht und ich noch immer zwischen ihm und der Wand eingekesselt bin.

„Das war die beste Idee, die du hattest. Aber komm, wir sollten verschwinden, bevor uns noch jemand sieht.“

Zustimmend nickt Hunter mir zu und führt mich raus aus dem College. Immer weiter zieht er mich hinter sich her und hat dabei das schönste Lächeln im Gesicht, weshalb ich kurz stehen bleibe und mich verfluche keine Kamera dabei zu haben, um den Moment festzuhalten. Denn es gibt nichts Schöneres für mich, als wenn Hunter ehrlich und strahlend lächelt.

„Wo willst du hin?“, hakt er nach.

„Wie lange bleibst du?“, entgegne ich und hoffe, dass er länger bei mir sein kann, als ein paar Stunden.

„Wir haben bis Sonntagabend Zeit, uns auf die Nerven zu gehen. Also, wohin?“

Kreischend springe ich ihm in die Arme und drücke ihn fest an mich. Das ist das schönste Geschenk, das er mir machen konnte. Ganze vier Tage habe ich Hunter um mich und bin mehr als glücklich darüber.

„Na dann. Auf gehts zu meinem Lieblingsdiner. Dort gibt es die besten Burger der Stadt und ich bin am Verhungern.“

„Los gehts. Denn mit einer verhungerten Hails, kann ich nicht umgehen“, neckt er mich und zieht mich an der Hand. Dieser Tag konnte nicht schöner sein, denn mit Hunter an meiner Seite, ist alles so wie es sein soll.

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