Die Landschaft zieht an mir vorbei, die Sonne hat sich verabschiedet und ist hinter den Bergen verschwunden. Im Hintergrund sind leise Töne vom Radio zu vernehmen, die mich zum mitsummen animieren. Meinen Blick kann ich nicht vom Fenster abwenden und irgendwie will ich das gar nicht. Das Durcheinander in mir würde meinen Verstand komplett vernebeln und mir das Denken erschweren, dass ich in diesem Moment brauche.
Seine Hand liegt noch immer in meiner, fühlt sich weich an und gibt mir ein Gefühl der Sicherheit. Eine Sicherheit, die ich lange nicht mehr empfunden habe. Mein Daumen streichelt sanfte Kreise auf seiner Haut, weswegen sich eine Gänsehaut bildet, die mich zum Schmunzeln bringt.
Egal wie stark wir uns dagegen wehren, können unsere Körper nicht lügen oder verhindern, wie wir aufeinander reagieren.
Ein leises Seufzen entkommt seinem Mund, weshalb ich doch meinen Kopf zu ihm drehe und ihn ansehe. Seine Augen haben einen gequälten Ausdruck angenommen, die Augenbrauen sind zusammengezogen, was einen schmerzlichen Stich in meiner Brust auslöst.
Sind es meine Berührungen die ihn stören, oder was genau geht in seinem Kopf vor?
Durch seinen Blick unsicher geworden, will ich meine Hand wieder zurückziehen als Hunter sie packt und festhält.
„Lass sie da wo sie ist, Hails."
Mit großen Augen sehe ich ihn an, sein Blick ist konzentriert auf die Straße gerichtet, weswegen er mich nicht anblicken kann. Was ich in diesem Moment auch bevorzuge.
Woher kommt die plötzliche Unsicherheit? Bis vor kurzen war noch alles in Ordnung. Mein Durcheinander ist schlimmer als angenommen, denn irgendwie komme ich mit diesem hin und her nicht mehr mit.
„Wieso siehst du mich so an?"
Seine Stimme ist leise und tief. Ein undefinierbarer Unterton schwingt darin, der mich wieder wegsehen lässt. Ich fühle mich gerade mehr als ertappt als hätte ich irgendwas verbrochen. Ich will am liebsten etwas erwidern, nur weiß ich einfach nicht was, da mir nichts in den Sinn kommt.
„Ich bemerke deine Blicke, wie auch deine Anwesenheit, Hails. Schon vergessen?"
Soll ich jetzt wirklich darauf antworten? Schulterzuckend erwidere ich seine Worte, da ich gar nicht recht weiß, was ich genau sagen soll. Manchmal ist es besser ruhig zu sein, als etwas Unüberlegtes auszusprechen.
Meine Augen konzentrieren sich wieder auf die Landschaft und versuchen den Mann neben mir zu ignorieren, was nicht so einfach scheint.
Die restliche Autofahrt über haben wir kein Wort miteinander gewechselt. Nur dank der leisen Musik im Hintergrund war es nicht totenstill im Wagen. Worüber ich extrem froh bin, da ich sonst noch durchgedreht wäre. Irgendwie hat mich die Musik, der leise Klang von ihr, beruhigt.
Erstaunt stelle ich fest, dass wir bereits vor der Werkstatt sind und Hunter gerade den Abschleppwagen parkt. Ohne irgendein Wort zu sagen, öffnet er die Türe und schenkt mir keinerlei Beachtung.
Habe ich ihn mit meinem Schweigen verletzt?
Verwirrt folge ich Hunter nach draußen, bemerke, dass die Luft deutlich kühler geworden ist und bereits die ersten Regentropfen ihren Weg auf die Erde finden.
Meinen Kopf lasse ich in den Nacken fallen, nur um in den bedeckten Wolkenhimmel zu schauen. Erleichterung und Glückseligkeit strömen durch meine Adern, da ich den Regen genieße.
Als Kind habe ich bereits im Regen getanzt, mich diesen Empfindungen hingegeben und dabei gelächelt. Und daran hat sich nie etwas geändert. Auch jetzt tanze ich, drehe mich im Kreis und lasse mich fallen. Ich falle immer weiter und das erste Mal seit langen weiß ich, dass ich aufgefangen werde.
Sicherheit und Geborgenheit durch die Anwesenheit des Mannes, der mich aus der Ecke betrachtet und dabei leicht lächelt. Ich kann seinen Blick fühlen, wie er jeder einzelnen Bewegung folgt und mich keine Sekunde aus den Augen lässt.
„Mach mit", rufe ich ihm zu.
Perplex schüttelt er mit seinem Kopf, verschränkt die Arme vor seiner muskulösen Brust, die noch immer mit diesen verdammten Ölflecken bedeckt ist.
„Komm schon. Das haben wir früher auch immer gemacht. Den alten Zeiten willen."
Kurz halte ich inne, sehe wie Hunter mit sich selbst hadert und sich schlussendlich einen Ruck gibt. Meine Hände breiten sich aus, heißen ihn willkommen und begrüßen ihn, indem sie sich mit seinen verflechten.
„Kannst du dich noch daran erinnern?"
„Ich erinnere mich an jede Sekunde, die wir zusammen verbracht haben, Hails."
Unsere Arme sind überkreuzt, unsere Körper lehnen sich so weit wie möglich zurück und unsere Augen kommunizieren miteinander. Dieser Moment braucht keine Worte, unsere Körper sprechen für sich. Die Augen suchen einander und sobald ich sehe, dass er bereit ist, lasse ich los und gebe mich dem Gefühl ganz hin.
Immer weiter bewegen wir uns im Kreis, drehen uns, bis mir schlecht wird und ich über meine eigenen Füße stolpere. Langsam verliere ich den Halt, kippe nach hinten und erst zu spät begreift Hunter das ich falle. Mit einem verzweifelten Versuch schnappt er sich meine Hände, aber leider zu spät.
Als hätte es nicht anders kommen sollen, pralle ich auf dem Boden auf und kurz darauf spüre ich ein Gewicht auf mir, welches mir die Luft zum Atmen nimmt. Keuchend öffne ich meinen Mund als sich Hunter bereits auf seine Arme abstützt und mich kopfschüttelnd ansieht.
„Ich hab bereits gedacht, dass du sie verloren hast."
Verwirrt runzle ich die Stirn. „Was?"
„Na deine Tollpatschigkeit. Ich hab sie bereits vermisst, aber schön, dass sie nicht ganz verschwunden ist."
Empört schlage ich ihm auf den Arm. Ich war früher tollpatschig, aber doch nicht jetzt. Okay, vielleicht schon. Ein ganz kleines bisschen.
„Ach hör doch auf. Genau das hast du doch so sehr an mir geliebt, dass du mich ständig auffangen und tragen konntest."
Leise lachen wir beide los, sehen uns in die Augen, bevor er sich zur Seite rollt und neben mir liegen bleibt.
„Das stimmt. Ich fand das immer so niedlich an dir. Finde ich noch immer", flüstert er mir das letzte leise zu.
Die Erinnerungen prasseln auf mich ein, lösen ein Kribbeln in meinem Bauch aus und mein Inneres fängt Feuer. Wie oft hab ich mir gewünscht in die Vergangenheit zurückzureisen und mich fest an meinen Kuschelbär zu klammern, um ihn nicht loslassen zu müssen. Damit ich mich an ihn festkralle und seine Entscheidung in die Army zu gehen sabotieren kann.
„Wir waren ein gutes Team, nicht wahr?", hake ich flüsternd nach.
Hunter nickt mir zustimmend zu und seufzt auf. „Das waren wir und werden wir immer sein, Zimtschnecke."
Sein intensiver Blick durchbohrt mich, als würde er mein Inneres sehen können. Als würde er all meine Gedanken lesen und ich bin froh, dass wir bereits auf dem Boden liegen, denn er hätte mich mit diesen Augen umgehauen.
Langsam nähert er sich mir, schaut mir prüfend ins Gesicht, als suche er etwas Bestimmtes, bevor er seinen Blick auf meine Lippen sinken lässt.
„Lass mich dich heute spüren, Hails."
Seine Finger liebkosen meine Wange, streicheln meine Haut bis zum Kinn nach unten. Lassen Funken sprühen, die ich schon lange nicht mehr fühlen konnte, weshalb ich meine Augen schließe und mich wie so oft heute schon fallen lasse.
In die Arme von Hunter.
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| H E A R T B A T T L E | ✔
Romance[𝗪𝗔𝗧𝗧𝗬𝗦 𝗪𝗜𝗡𝗡𝗘𝗥 𝟮𝟬𝟮𝟮] Nach seinem langjährigen Einsatz im Sudan kommt Hunter James wieder nach Hause. Über die ganzen Jahren hat ihn nur ein Gedanke am Leben erhalten. Der Gedanke, die Frau wieder in den Armen zu halten, die er zurück...