Kapitel 3

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♠Wallace♠

Ahhh, endlich Urlaub. Ich atme einmal tief durch als ich auf dem hoteleigenen Parkplatz aus dem Wagen steige und mich umsehe. Wie immer bin ich selbst gefahren, denn ich liebe meinen Wagen und meine Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln. Dass ich nicht all zu weit weg von hier wohne hat die Entscheidung natürlich ebenfalls beeinflusst.

Ich habe Heyas Hotel vor ein paar Jahren zum ersten Mal besucht und war angetan von der Atmosphäre dort. Doch was mir am Besten gefallen hatte war die Tatsache, dass ich dort zu keiner Zeit mit meiner Andersartigkeit konfrontiert wurde. Ich bin schwarz wie die Nacht, Haut, Haare - wo ich noch Haare habe, denn meinen Kopf trage ich glattrasiert – und Augen. Gut letztere sind dunkelbraun, aber nahe dran an schwarz. Außerdem bin ich ein echter Riese, breite, muskulöse Schultern passend zu einem breiten Kreuz aber schmale Hüften und muskulöse Beine. Ich sehe aus wie ein Stahlarbeiter doch ich arbeite im Management und bin auch sonst ein sanfter, fröhlicher Riese auch wenn es immer aussieht, als ob mein Körper die Anzüge, die ich auf der Arbeit tragen muss, sprengen will. Meine wulstigen Lippen unter der breiten Nase zeigen eigentlich immer mindestens ein Schmunzeln und ich lache gerne und dann laut und aus vollem Hals.

Und als ob meine Abstammung nicht schon Probleme genug bereiten würde bin ich auch noch ganz und gar und ohne jeden Zweifel schwul und – was soll ich sagen – ich mag die kleinen, weißen Boys. Bitte, ich habe keinen Daddy-Komplex und habe auch keine Lust, irgendwem die Windeln zu wechseln. Nicht dass ich was gegen diese Leute habe, aber das ist eben nicht mein Kink.

Doch ich mag es, die Richtung vorzugeben, mich zu kümmern und das Leben zu genießen und wenn ich dabei einen weichen, weißen Körper spüre, der sich an mich schmiegt und mir vertraut, ist mein Glück perfekt. Nun was soll ich sagen, sowas kommt bei manchem weißen Herrenmenschen mit Steinzeithirn nicht so gut an. Ist mir aber eigentlich egal.

Trotzdem ist es schön einen Platz zu haben, an dem ich mal entspannen und mich austoben kann, ohne mich mit all diesen Vorurteilen herumschlagen zu müssen. Die Eröffnung des Resorts klang für mich wie die Tür ins Paradies und ich freue mich darauf, Phedoka endlich mal kennen zu lernen, deren Hotels mir von Heya schon früher als Alternative empfohlen wurden. Eine Werbung die mich damals überrascht hat, heute aber Sinn ergibt.

Ich checke ein und begebe mich, nachdem mich Heya mit einer herzlichen Umarmung begrüßt und dann um einen Gefallen gebeten hat, auf mein Zimmer. Das sind mal interessante Neuigkeiten. Sie hat mich auf ein billigeres Zimmer mit geteiltem Bad runtergestuft – ein eigenes Bad war bisher der einzige Luxus, den ich mir bei meinen Zimmerbuchungen gegönnt habe. Dafür hat sie mir aber ein Armbändchen für All-Inclusive und 20 % Rabatt auf den neuen Zimmerpreis gewährt, kein schlechter Tausch.

Doch tatsächlich ist es die Bitte, die sie mir unterbreitet hat und die meinen Nachbarn betrifft, mit dem ich mir das Bad teilen soll, die mich dazu gebracht hat, einzuwilligen. Der arme Kerl ist wohl aufs Übelste versetzt worden und hat letzte Nacht sogar einen Selbstmordversuch begangen.

Eigentlich müsste er in eine psychiatrische Einrichtung aber Heya meinte, dass er dort niemals die Hilfe bekommen würde, die er bräuchte. „Daryll ist nicht nur vom Aussehen ein Twink, er braucht Führung und eine starke Hand. Ich weiß, du bist kein Dom, aber wenn es jemand schafft, dem kleinen Kerl wieder Lebensmut einzuhauchen und etwas Selbstbewusstsein zu verpassen, dann du."

Ich packe aus, viel ist es nicht, aber genug, um meinen Jahresurlaub von einem Monat abzudecken. Dabei lasse ich mir nochmal alle Informationen durch den Kopf gehen, die ich bekommen habe.

Daryll war der Sub eines Scheißkerls – Heyas Worte – der ihn mit einem Oneway-Ticket in den Urlaub geschickt und alle persönlichen Sachen hinterher geschickt hat, zusammen mit einem Brief. Darin stand, dass die Beziehung beendet ist und er nicht wieder auftauchen soll, außer um die sperrigen Sachen, die ihm gehören, abzuholen, die er bis auf Weiteres in seinem Keller lagern wird. 'Ich habe dir mehr als einmal gesagt, dass ich deine Unfähigkeit nicht ewig ertragen werde und jetzt ist der Punkt erreicht. Es ist aus. Such dir jemand anderen, der sich um dich kümmert. Oder kümmer dich endlich mal um dich selber.'

Schlimmer noch war, dass eins seiner Lieblingsseile ganz oben auf den Sachen lag, ein dickes lila Bondage-Seil. Und der Brief enthielt die Empfehlung, es sinnvoll zu verwenden. Was bitte ist das für ein Arsch? Einem hörigen Sub so etwas aufzutragen kommt dem Befehl zum Selbstmord gleich. Der Kerl sollte besser nicht in meiner Nähe auftauchen, ich könnte bei ihm glatt meinen Humor vergessen.

Immerhin erklärt das, wieso sowohl Heya als auch der Arzt der ihn gerettet hat, ein Sebastian, der Meinung sind, dass er in einer Psychiatrie keine Chance hätte. Er benötigt durchaus einen Psychiater, aber man will eine geeignete Person dafür ausfindig machen, statt ihn in die Klinik zu stecken, zumal er ohne Geld und Krankenversicherung ziemlich schlecht dastehen würde, wenn er in die Mühlen des Systems gerät.

Als ich das Bad betrete stelle ich fest, dass sich bereits jemand darin befindet und auf der Toilette sitzt. Diese geteilten Badezimmer funktionieren gut, solange man die Türen abgeschlossen hält, wenn man das jedoch vergisst, kann es zu Begegnungen dieser Art kommen oder dazu, dass der eine plötzlich Zugang zum anderen Zimmer hat.

Ich will mich schon zurück ziehen, als mich die freundliche Stimme des großen Blonden aufhält. „Hey, du bist Wallace, ja? Ich habe auf dich gewartet." "Die ganze Nacht?", frage ich ihn verwundert, doch er schüttelt den Kopf. "Ich habe gehört wie sich drüben etwas getan hat und habe mich hierher gesetzt." Erst jetzt bemerke ich, dass der Deckel der Toilette geschlossen und der Mann darauf vollkommen bekleidet ist und lache. Er blickt schmunzelnd zu mir hoch. „Sorry?" Es tut ihm nicht wirklich leid und ich grinse ihn breit an. „Schon okay, ich schätze dann mal du bist Sebastian? Der Arzt?"

Er nickt und wir beäugen uns einen Moment. Weißer Mann und blonde Haare soweit stimmt er mit meinem Typ überein, er ist sogar etwas kleiner als ich, aber wer ist das nicht? Ansonsten strahlt er jedoch vor allem Stärke und Selbstbewusstsein aus und nicht die Hilfebedürftigkeit, die ich an meinen bevorzugten Twinks so liebe. „Verdammt!", flucht er lachend und sieht mir endlich wieder in die Augen. „Alles in mir schreit 'Rivale' wenn ich dich ansehe, aber ich fürchte, in diesem Fall müssen wir zusammenarbeiten."

Ich mag seine direkte Art und nicke daher einvernehmlich, denn ich kann seiner Einschätzung in allen Punkten zustimmen. „Wie geht es ihm?" Meine Blicke wandern zur anderen, leicht angelehnten Tür und Sebastians folgen ihnen. Rivale oder nicht, der Arzt scheint ein Teamplayer zu sein und ich kann das auch. „Er schläft seit ich ihn hochgebracht habe. Ich habe ihm was zur Beruhigung gegeben und ihn gehalten, bis er eingeschlafen ist. Am Hals bildeten sich schon Hämatome und sein Finger, mit dem er versucht hat das Seil von seinem Hals wegzuziehen scheint etwas gequetscht zu sein, aber sonst ist alles okay. Hast du diesen Brief gelesen?" Ich nicke und er nickt mit.

„Ich glaube nicht, dass er wirklich sterben will. Aber der Typ hat ihn zu Boden geworfen, ist auf ihm herumgetrampelt und hat ihm dann dieses Seil als Ausweg präsentiert. Trotzdem will ich ihn lieber nicht unbeobachtet lassen. Aber eine Klinik?" Ich nicke erneut verständnisvoll. „Okay, ich bin dabei. Aber sobald er Anzeichen zeigt, dass er es noch einmal versuchen wird, müssen wir ihn einweisen lassen."

Sebastian seufzt und nickt. „Dem stimme ich zu. Pass auf, ich lasse dir meinen Dienstplan zukommen und werde sehen, ob ich kurzfristig Urlaub bekommen kann. Ich übernehme in meiner Freizeit gerne die Betreuung, aber meine Schichten können sich bei einem Notfall verlängern und ich muss wissen, dass du dann bei ihm bleibst, auch wenn deine Zeit eigentlich um ist."

Aus ihm spricht der Arzt und damit trifft er direkt auf meine fürsorgliche Ader. „Wir müssen sehen, ob er mit mir klar kommt", wende ich vorsichtig ein, denn ich werde ihn nicht zwingen, sich mit mir abzugeben. Sebastians Augen leuchten erfreut auf. „Ich weiß nicht was ich mir mehr wünschen soll. Dass er dich genug mag damit er in Sicherheit ist oder dass er dich nicht leiden kann und mehr für mich bleibt", lacht er, doch dann schüttelt er über sich selbst den Kopf. „Ich weiß ja nicht mal, ob er und ich funktionieren könnten. Er hat eindeutig eine submissive Ader, aber er scheint auch mehr Aufmerksamkeit zu brauchen als ich geben könnte."

Ich bin überrascht, dass er das alles so offen von sich gibt. Die meisten Menschen, vor allem Männer, würden mit all diesen Gedanken und Gefühlen hinter dem Berg halten. Aber im Grunde ist es mir so lieber. „Vielleicht konzentrieren wir uns erstmal darauf, ihm neuen Lebensmut zu geben und sehen, wohin uns das führt. Mir bleibt ein ganzer Monat, dann muss ich zurück zu meinem Job." Sebastian hält mir die Hand hin und ich schlage ein. „Einen Monat Teamarbeit, dann sehen wir weiter."

Resort de la Pheya 4 - DaryllWo Geschichten leben. Entdecke jetzt