Kapitel 12

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♠Sebastian♠

Aaaach verdammt. Was zum Teufel soll das denn? Wieso kann man mich einfach nicht schlafen lassen? Schnaubend drehe ich mich in meinem Bett, bis ich das plärrende Handy, welches auf meinem Nachttisch liegt, greifen kann.

"Was gibt's?", gehe ich leicht verärgert ran.

"Sebastian, hier spricht Phedoka. Es tut mir leid wenn ich dich geweckt habe, aber es ist wichtig."

Als ich ihre Stimme höre, male ich mir schon weiß der Gott was für Sachen aus, die Daryll zugestoßen sein könnten, doch mit dem was sie mir gerade erzählt hätte ich absolut nicht gerechnet.

"...nun sitzt er auf der Wache und ich dachte vielleicht dass du hin fahren könntest um das zu klären. Du wohnst ja schon lange hier und arbeitest in der Notaufnahme, du kennst sicher viele Polizisten", ergänzt sie noch ihre Erzählung und ich willige natürlich sofort ein. Ich kenne einige Polizisten und einen davon ganz besonders.

Nachdem wir aufgelegt haben, rutsche ich aus dem Bett, bringe Badbesuch und Ankleiden dank jahrelanger Übung in Rekordzeit hinter mich und verlasse die Wohnung nur wenige Minuten später.

Als ich auf der Wache ankomme fällt mir gleich als erstes dieser schrecklich schreiende Mann auf. Neben ihm steht noch ein weiterer Mann der ihm beruhigend auf die Schulter klopft. Meine Stirn legt sich missbilligend in Falten, mit Schreien verschafft man sich kein Respekt.

Ich gehe weiter in das Department rein und sehe dann Daryll wie ein Häufchen Elend auf einem Stuhl sitzen. Seine Beine hat er hochgezogen, die Fersen stehen auf dem Stuhl und seine Stirn lehnt an seinen Knien.

Ganz schön gelenkig der Süße. Ich wende meinen Blick gleich wieder ab und scanne den Raum nach jemandem ab den ich kenne.

"Bas, was machst du denn hier? Suchst du jemanden? Oder besuchst du mich ausnahmsweise mal?", werde ich plötzlich von der Seite angesprochen. Ich drehe mich und sehe in dieselben tiefblauen Augen wie meine eigenen.

"Hey Rod, schön dich zu sehen", begrüße ich meinen jüngeren Bruder und ziehe ihn in eine feste Umarmung. Durch unsere Jobs sehen wir uns leider nicht sehr oft.

"Leider bin ich nicht wegen dir hier, tut mir leid, aber ich verspreche dir, wir werden einen Tag finden an dem wir uns mal wieder treffen können", erläutere ich und klopfe mit meiner Hand seine Schulter und drücke sie kurz.

"Klar. Ist eben schwierig mit unseren Jobs. Also wenn du nicht wegen mir hier bist, weswegen dann? Ist etwas passiert?"

Ich nicke zu Daryll und wende dann meinen Kopf zu dem Mann der immer noch zetert wie ne alte Jungfer.

"Oh, wegen dem Kleinen?Der ist niedlich oder? Ist das deiner?", fragt er mich und verschränkt seine Arme vor seiner Brust. Rod ist neben Cody der Einzige der weiß worauf ich stehe und was ich privat mache, darum auch das teuflische Grinsen in seinem Gesicht.

"Er ist nicht meiner. Ich passe nur auf ihn auf, zusammen mit einem Bekannten. Ich wurde kontaktiert, dass Daryll hier ist und Hilfe braucht, klärst du mich auf was passiert ist?", frage ich ihn und zusammen setzen wir uns in Bewegung um zu den Herrschaften zu gehen, die sich scheinbar nicht beruhigen wollen. Verdammt noch mal, was hat der Kleine getan, dass der Typ sich dermaßen lange aufregt?

"Naja, diesem Herrn hier gehört ein Laden der Modeschmuck und Sonnenbrillen und so'n Krimskrams verkauft. Daryll soll angeblich eine Sonnenbrille gestohlen haben. Doch er redet nicht mit uns, sagt nichts zu seiner Verteidigung und einen Ausweis hat er auch nicht dabei. Irgendwie tut der Kleine mir leid. Bevor wir ankamen, meinte er zu dem Besitzer, dass er die Brille schlichtweg auf seinem Kopf vergessen hat. Ich meine - sieh ihn dir an, dieser Junge würde doch niemals klauen und vor allem nicht so offensichtlich. Doch der Besitzer beruhigt sich kein bisschen. Keine Ahnung was sein Problem ist", endet er mit seiner Erklärung. Ich schüttele nur den Kopf vor Unverständnis.

"Man, gib doch endlich zu dass du die Brille klauen wolltest. Mach doch einfach deinen Mund auf und sag es. Was ist mit dir los? Hast du deine dämliche Zunge verschluckt?", schreit der Typ nun Daryll persönlich an. Mir reicht es jetzt und ich haue mit der Hand auf den Tisch der neben mir steht und unterbreche damit die Tirade.

"Schluss jetzt, verdammt. Eine verdammte Sonnenbrille ist doch kein Grund hier wie eine Furie herumzuschreien. Das lässt sich alles klären."

Als ich meine Stimme erhebe, auch wenn ich bewusst nicht laut aber dadurch nur umso bedrohlicher werde, hebt Daryll seinen Kopf und ich kann in sein total verweintes Gesicht sehen. Traurigkeit, Entsetzen und Angst sehe ich in seinem Blick. Langsam gehe ich zu Daryll, vorbei an dem Besitzer der nun endlich still ist und geh vor dem Kleinen in die Hocke. Die Tränen die ungehindert über seine bleiche Wangen kullern streiche ich mit meinem Daumen weg und sehe ihn an.

"Sieh mich an Daryll", fordere ich ihn sanft aber bestimmt auf und er blickt geradewegs in meine Augen, doch legt er dabei seine Wange auf einem seiner Knie ab.

"Was ist passiert?", frage ich ruhig, denn ich weiß dass Strenge jetzt nichts bringen würde, denn er ist eh schon total fertig. Er braucht jetzt nicht noch jemanden der auf ihn einschimpft.

Er schnieft und putzt sich mit der Hand die Nase. Gott so wie er vor mir sitzt sieht er wirklich aus wie ein kleiner Junge. Ich sehe mich kurz nach meinem Bruder um und gebe ihm zu verstehen dass er uns ein Taschentuch oder ähnliches geben soll, was der auch gleich tut. Daryll putzt sich damit die Nase und holt Luft.

"Ich war einkaufen und dort gab es schöne Sonnenbrillen, aber keine hat mir gefallen also wollte ich wieder gehen. Doch dann hat's da gepiepst und ich wusste nicht wieso und dann kamen schon die Beiden und schimpften. Der ältere Mann hat mich richtig angeschrien und behauptet ich würde klauen, aber Sebastian, ich habe nichts geklaut wirklich nicht, ich habe die Brille auf meinem Kopf total vergessen. Das war keine Absicht."

Er beendet seine Erklärung und beginnt wieder zu weinen. Ich lege ihm tröstend meine Hand in den Nacken und massiere ihn sanft um ihn zu beruhigen und ihm den Halt zu geben, den er jetzt braucht. Dann stehe ich auf und wende mich meinem Bruder und den Geschädigten zu.

"Wollen sie ihn anzeigen? Ich meine, sie haben die Brille ja sicher unbeschädigt wieder oder nicht? Wenn sie ihm einfach nur Hausverbot geben würde das doch reichen, oder nicht?", sage ich in einem Ton, der ihnen keine andere Wahl gibt als mir zuzustimmen. Der Kleinere von beiden zupft am Hemd des Älteren und nickt ihm zustimmend zu.

"Also ich weiß ja nicht, ich meine dadurch dass wir beide nun mit zum Revier gefahren sind, haben wir beide auch einen Arbeitsausfall. In dieser Zeit hätten Kunden kommen können", meint der Ältere. Ich schnalze mit der Zunge und sehe beide abschätzig an.

"Hat sie jemand aufgefordert mitzukommen?", frage ich und beide schütteln den Kopf. "Also sind sie freiwillig hier her gefahren, anstatt dass einer im Laden geblieben ist?" Und wieder nicken beide. Wie kann man nur so blöd sein.

"Na dann ist das nicht Darylls Problem und meines auch nicht", werfe ich ihnen vor die Füße und werde von Rod plötzlich weggezogen.

"Schau dir bitte mal Darylls rechten Oberarm an", flüstert er und zwinkert mir zu.

Ich gehe erneut vor dem Kleinen in die Hocke, nehme vorsichtig seinen Arm in die Hand und schiebe mit der anderen Hand seinen Ärmel nach oben. Schmerzhaft verziehe ich das Gesicht.

"Wer war das?", frage ich ihn leise. "Der Ältere", antwortet er mir mit erstickter Stimme. Nickend lasse ich seinen Arm wieder los, er zieht den Ärmel wieder runter und ich erhebe mich erneut und wende mich den Herren wieder zu.

"Also ich denke das Hausverbot reicht als Bestrafung. Ich weiß dass er nicht klaut und glaube ihm dass es keine Absicht war. Ich bin mir sogar sicher dass er die Brille zurück gebracht hätte, sobald er sie auf seinem Kopf entdeckt hätte. Wenn sie dennoch der Meinung sind sie müssen ihn anzeigen, oder uns erpressen, dann werde ich sie wegen Körperverletzung anzeigen, denn auch wenn sie der Meinung waren, dass er geklaut hat, gibt es ihnen nicht das Recht ihn zu verletzen und sein Oberarm ist voller blauer Flecken."

Ich kann sehen wie beiden Männer mir gegenüber blass werden und schlucken und ich grinse triumphierend in mich rein. Dämliche Wichtigtuer.

Nachdem sie sich dazu entschieden haben Daryll nur Hausverbot zu geben, verabschiede ich mich bei Rod und fahre zusammen mit Daryll zurück zum Resort.

Resort de la Pheya 4 - DaryllWo Geschichten leben. Entdecke jetzt