„Seraphion", wiederholte Haniel den Namen und konnte nicht fassen, dass dieser wunderschöne Mann derjenige sein sollte, der demnächst ein Kind erwartete und an einen anderen Engel gebunden war. Der Erzengel verstand den Schmerz seines Herzens nicht und schüttelte daher diese Empfindung schnell von sich ab. „Woher kennst du den Seraph?", er blickte Uriel ins Gesicht und war froh, dass seine Brüder von seiner inneren Unruhe nichts mitbekamen.
„Ich habe bereits viele Schlachten an seiner Seite gekämpft und kann euch sagen, dass er die Verkörperung des Kampfes ist. Seine Angriffe sind präzise und keiner kann ihm trotzen", schwärmte der Erzengel des Mutes vor sich hin, was Michael nur ein 'Kampf verliebter Trottel' flüstern ließ.
„Wenn ihr wollt, können wir ihn gerne besuchen. Sein Haus steht hier in der Nähe beim alten Baum", schlug Uriel vor und ignorierte die liebevolle Beleidigung seines älteren Bruders. Er machte ein Angebot, welches für Aufregung sorgte. Während Michael es unangebracht fand, einfach bei einem höherrangigen Engel vorbeizuschauen, verschlug es Haniel die Sprache.
Kein Wunder, dass der Seraph plötzlich bei ihm war, denn Haniel selbst ist zu ihm gekommen. Zwar war es unbewusst, doch nun wäre es nicht mehr so. Wie wird der Schöne auf ihr erneutes Aufeinandertreffen reagieren?
„Zieht eure Roben an und kommt mit, denn Seraphion ist wirklich ganz entspannt und nett", Uriel stand von der Couch auf, ließ dieses Mal seine Magie um ihn herum erscheinen und hüllte ihn in seine ebenfalls satinweise Robe ein. Der einzige Unterschied waren nur die goldenen Flammenverzierungen, die sein Gemüt repräsentierten. Michael schloss sich tief ausatmend an und stand ein paar Sekunden später in seiner Robe mit goldenen Blättern vor ihnen. Auch Haniel zog sich ein drittes Mal an diesem Tag um und hoffte inständig, dass dies das letzte Mal sein würde, dann folgte er seinen Brüdern nach draußen.
Uriel flog an der Spitze ihrer Dreierformation und gab die Flugbahn vor. Michael hingegen genoss den Wind, der mit Druck gegen seine starken Flügel drückte und seine Federn umspielte. Der Einzige, der nur halbherzig flog war Haniel, denn er spürte erneut die verzweifelte Aura und versuchte sich auf sie zu konzentrieren, doch es gelang ihm einfach nicht. Es schien so, als ob sie überall und doch nirgends wäre.
„Stimmt etwas nicht Haniel?", fragte Uriel, der die Abwesenheit seines jüngeren Bruders bemerkte und folgte Haniels suchenden Blicken über die untere Landschaft. „Ich spüre jemanden, der Hilfe braucht", noch bevor Haniel seinen Satz zu Ende sprechen konnte, hielten seine Brüder mitten in der Luft an und schwebten vor ihm, was der Jüngere ihnen gleich tat.
„Was genau spürst du?" Michaels ernster Blick und Uriels Frage überraschten gerade den Erzengel der Liebe und Hoffnung. „Pure Verzweiflung, die um uns herum liegt. Empfangt ihr sie nicht?", antwortete Haniel. Als seine Brüder synchron ihre Köpfe schüttelten, verstand Haniel die Welt nicht mehr. Wie konnte das sein?
„Sie ist weg", teilte der junge Grauhaarige seinen Brüdern mit, als er sich erneut der Aura widmen wollte. „Vielleicht hatte ein Arbeiter Probleme und ihm wurde geholfen, denn etwas weiter rechts von uns ist eine kleine Gruppe der Steinarbeiterengel", auch wenn Michaels Worte plausibel klangen, nagte das Misstrauen an Haniels Verstand, denn der junge Engel wusste genau, dass er zweimal die gleiche Aura gespürt hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Engel ihm in so kurzer Zeit zweimal begegnet war und dann auch Hilfe benötigte, war äußerst gering. Zu gering.
Trotz allem ignorierte er es erst einmal und folgte schweigend seinen Brüdern zum Haus des Seraphen und so trat eine wunderschöne Blumenlandschaft in ihr Blickfeld, in der mittendrin ein großes zweistöckiges elfenbeinfarbenes Haus stand. Die Fenster und Türen waren mit zierlichen Blumenmotiven verziert, wohingegen die zwei massiven Säulen vor dem Eingang von grünem Efeu umschlungen wurden.
Leise landeten die drei Erzengel vor dem wunderschönen Haus und Haniel konnte nicht verhindern, dass sein Blick durch die Robe über das gesamte Blumenmeer wanderte, um möglichst viele Details aufnehmen zu können. Zwar wuchsen auch schöne Blumen um sein eigenes Haus herum, doch schien es hier anders zu sein. Es kam ihm so vor, als ob sie es hier besonders gern mochten.
„Es freut mich dich wiederzusehen, Erzengel der Liebe und Hoffnung", erklang eine tiefe Stimme und es ertönte ein lautes Lachen. Es ließ die drei Brüder zum Eingang des Hauses sehen, in welchem ein belustigter Seraphion stand. „Ihr kennt euch?", sprach Uriel wohl das offensichtliche an, doch während der Seraph bejahte, verneinte Haniel im gleichen Moment, was zur Verwirrung der beiden anderen Erzengeln beitrug.
„Es freut mich, euch kennen zu lernen Seraphion. Mein Name ist Michael und ich bin der dritte Erzengel mit den Tugenden Treue und Weisheit", stellte sich der Weißhaarige höflich vor, was von dem Seraph mit einem leichten Kopfnicken beantwortet wurde. „Du kannst mich gerne duzen, Michael, und wie ich sehe kennst du meinen Namen bereits von Uriel", erwiderte Seraphion. Schmunzelnd blickte der Schwarzhaarige zu dem ihm bekannten Erzengel, dessen Gesicht er durch den Rüstungshelm und den Roben in all den Jahren noch nie gesehen hatte.
„Verzeih die Störung Seraphion, doch haben wir ein Anliegen an dich und deine Frau", sagte der ältere Grauhaarige. Als Uriel diese Worte aussprach, war Haniel noch nie so dankbar, dass man sein Gesicht nicht sah, denn dann hätte jeder seine verzogenen Gesichtszüge erblickt und eventuell Fragen gestellt, auf die er selbst keinerlei Antworten hatte.
„Frau?", fragte der sichtlich überraschte Seraph den Erzengel des Mutes, welcher nur nicken konnte. „Die Mutter eures Kindes", half Michael ihm auf die Sprünge, was funktionierte, denn der überraschte Gesichtsausdruck verschwand und ein ernster erschien. „Ah ja, die Mutter meines Kindes. Sie ist momentan nicht anwesend, also müsst ihr euer Anliegen mit mir alleine besprechen." Somit bat er die drei Erzengel in sein bescheidenes Heim hinein und bedeutete ihnen, ihm zu folgen.
Keiner der drei Brüder blieb genug Zeit, um sich zu wundern, geschweige denn das Innere des Hauses genauer zu betrachten, da der Seraph schnellen Schrittes einen langen weißen Flur durchquerte und einen großen Raum mit rundem Tisch betrat. Die Erzengel setzten sich nebeneinander auf freie Plätze an den Tisch, während Seraphion ihnen gegenüber Platz nahm. „Wie kann ich euch behilflich sein?", stellte er seine Frage an die Brüder, von denen Haniel das Wort ergriff.
„Dein Kind ist in Gefahr und muss beschützt werden." Mit diesen Worten ließ er eine Bombe im Raum platzen, bei der die Brüder zischend Luft holten. „Das Kind ist in Gefahr?", fragte der Vater überrascht. Auf Seraphions Stirn erschienen tiefe Falten und er betrachtete Haniel ganz genau. „Das Kind?", Haniel hob eine seine geschwungenen Augenbrauen nach oben, da ihm die Formulierung komisch vorkam.
„Ich sagte mein Kind. Da hast du dich wohl verhört Haniel", lachend klopfte der Seraph mehrfach auf den Tisch, doch wussten die drei Brüder genau, was sie gehört hatten und was nicht. Dennoch schwiegen sie über dieses Detail, da sie keinerlei negative Konfrontation mit dem Seraph eingehen wollten. Sie ließen den Engel vor sich sein Lachen beenden und richteten sich leicht auf, um weiter zu sprechen, doch kam ihnen der Schwarzhaarige zuvor.
„Wie kommt ihr darauf, dass mein Kind in Gefahr sein sollte?" Die fröhliche Stimmung von Seraphion war mit einem Schlag wie weggefegt und sein starrer Blick zu den Erzengeln ließ ihnen keine Option der Lügen oder des Ausweichens.
Wo sollten sie anfangen zu erzählen?
Doch die eigentliche Frage, die sich stellte war, sollten sie dem Seraphen von der Botschaft des Herrn erzählen?
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Angel - Haniel [BoyXBoy]
FantasíaDer Herrscher des Himmels konnte nicht mehr mit ansehen, wie einige seiner liebsten Engel leideten, also beschloss er ihnen neue Aufgaben zu erteilen, ungewiss welchen Ausgang diese nehmen würden. Der Herr aller himmlischen Kreaturen ging das Risiko...