Kapitel 7

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„Es fing kurz nach meiner Geburt an, dass alle Pflanzenarten sich um mich herum versammelt haben und anfingen, in voller Pracht zu erblühen. Meine Eltern sind wahnsinnig geworden, da sie dachten, dass ihr Haus verflucht wurde, weil die Pflanzen keinen Halt gemacht haben und ins Haus kamen. Einige Jahre vergingen, in denen meine Eltern Gärtnerengel innerhalb ihrer eigenen Wände spielen konnten, bis ein anderer Seraph ihrer Legion hier auf Befehl des Herrn erschien und uns alle zum Herrscherschloss transportierte.

Der Schöpfer empfing uns positiv und beruhigte meine Mutter, die sich voller Angst vor mich stellte, da sie dachte, dass man mir etwas antun würde. Es besteht kein Bedarf dein Kind zu entfernen, waren die Worte, die ich bis heute nicht vergessen konnte.

Entfernen. Ein relativ hartes Wort, findet ihr nicht?

Dennoch kann ich nun nachvollziehen, was der Herr mit seiner Aussage meinte. Wenn etwas zu gefährlich für den Frieden wurde, musste man es entfernen, um diesen zu wahren. Weitere Optionen gewährt das Schicksal selten einem.

"Du wirst noch einige Wunder vollbringen, kleiner Seraphion."

Damit meinte er wohl, dass ich in der Lage bin, die Türen eines jeden Engelshauses zu öffnen, wenn ich das Blut des Besitzers in meinen Händen halte. Diese Gabe, wenn man sie so nennen kann, fand ich mit meinem besten Freund heraus, als ich ihn verwundet nach Hause flog und meine, von seinem Blut getränkte Hand an der Tür abstützte.

Ich wünschte sehr, dass mir solch eine Last nicht auferlegt worden wäre, denn wenn es irgendjemand erfahren sollte, wüsste nur Gott alleine, was mir passieren würde.

Stellt mir bitte keine weiteren Fragen zu den Pflanzen und warum ich Türen offen kann, denn ich habe bis heute selber nicht herausgefunden, warum es so ist.

Kommen wir lieber zu dem heutigen Tag, denn der ist von nun an der entscheidende und unsere Schicksale nun miteinander verbunden, Erzengel Haniel."

Während die Brüder von außen ruhig und gelassen wirkten, herrschte in ihrem Inneren ein gewaltiges Chaos. Seraphion hatte Recht, wenn ein anderer von seiner Gabe erfahren würde, bestünde nur die Option des Todes für ihn. Doch leuchtete dem sich vergeblich abtrocknenden Haniel nicht ein, warum der Herr nicht eingriff, da dieser es wissen müsste. Oder etwa nicht?

„Bitte verurteilt mich nicht und hört euch alles an, was ich zu sagen habe." Der Seraph lehnte sich in dem Wolkensessel weiter zurück und begann von einem Erlebnis zu sprechen, welcher sein Leben komplett verändert hatte.

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„Seraphion!"

Balthial flog mit schneller Geschwindigkeit auf seinen Kindheitsfreund zu und traf mit festem Schwung in dessen Arme. Die beiden Freunde fielen lachend zu Boden und wälzten sich im Dreck, doch steht's darauf achtend, dass ihre Schwingen keinen Schaden nahmen.

Nithael, die den Braunhaarigen mit grün-braunen Flügeln und dunklen Augen betrachtete, konnte über seine kindliche Art nur schmunzeln. Die Rothaarige wollte ihren Mann auch gar nicht anders haben und liebte ihn mit jeder Faser ihres Körpers.

Genau aus dieser Liebe und Sehnsucht zueinander entsprang die süße kleine lila Flamme ihres Kindes, welches sie geschützt in ihren Händen hielt und darauf wartete ins Haus von Seraphion zu dürfen.

„Ihr wisst doch, dass ich an der Front gebraucht werde und auf dem Weg dorthin war. Also was macht ihr beiden hier?", fragte der Schwarzhaarige seinen besten Freund und blickte Nithael hinterher, die ihr Kind in eines der freien Zimmer brachte.

Lange blickte Balthial Seraphion an, was diesen unruhig werden ließ, da er seinen Freund so nicht kannte. Der Braunhaarige war eine Frohnatur, welcher seine friedvolle Energie auf jeden übertrug und jeden gut fühlen ließ.

„Du wirst nicht gehen, sondern Nithael und ich", beantwortete Balthial, als seine Frau neben ihm Platz nahm, seine Hand hielt und ihm Mut spendete. „Warum solltet ihr das tun? Ihr erwartet ein Kind, dass ohne euch nicht überleben wird!" Voller Sorge und entsetzen sprang Seraphion auf und tigerte vor seinen Freunden auf und ab. „Was ist, wenn euch etwas passiert? Was wird aus dem Kind? Wie stellt ihr euch das vor?", redete Seraphion sich in Rage, was seinen besten Freund lächeln ließ.

„Uns wird nichts passieren, versprochen!" Balthial zog seinen besten Freund in eine feste Umarmung und ließ all seine positiven Gefühle in diesen übergehen.

Seraphion, welcher sich von diesen Gefühlen blenden ließ und seine aufkommenden Zweifel beiseite schob, verließ sich auf das Versprechen und zerbrach noch am gleichen Abend vor der kleinen Flamme, als er spürte, wie das feste Band zu seinen Freunden unwiderruflich zerriss und die Schmerzen der beiden aufnahm.

Die letzten Worte seiner Freunde erreichten seine Gedanken und lauteten: „Zum Wohle der Zukunft."

Erst einen Tag später erfuhr Seraphion, dass Balthial von mehreren Dämonen angegriffen und seine halbtote Leiche mit Dämonensäure überschüttet worden war, bis nichts mehr von ihm übrig geblieben war. Nithael, die den Tod ihres Mannes mit eigenen Augen ansehen durfte, wurde direkt daneben von einer widerlichen Dämonin bei lebendigem Leibe gefressen.

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Eine einsame Träne des Schmerzes wanderte über die erhitzte Wange des Seraphen und symbolisierte seine Einsamkeit. Seit dem Tod seiner besten Freunde, hatte Seraphion keinerlei Bezugsperson mehr um sich gehabt, da seine Eltern vor etlichen Jahren gemeinsam beschlossen hatten, dass ihre Zeit im Himmel abgelaufen war.

Die Erzengel wussten nicht, was sie nach der Erzählung sagen sollten, denn nichts würde helfen, geschweige denn den Schmerz lindern.

Nun wussten sie aber warum Seraphion 'das Kind' sagte und nicht 'mein Kind'. Der Seraph war an diese Bezeichnung noch nicht gewöhnt und der Tod der Eltern des Kleinen erschwerte den Umstand. Trotzdem brannten in Haniel zwei Fragen, die er nicht für sich behalten konnte. „Wussten sie, dass sie sterben werden? Und als sie vom Antlitz unserer Welt verschwanden, warum starb ihr Kind nicht mit ihnen? Engelskinder ohne Eltern überleben nicht."

„Nithael hatte die Fähigkeit das Schicksal anderer sehen zu können. Sie hat wohl etwas gesehen, was sie verhindern musste, und ihr war auch klar, dass Balthial ihre Seite nicht ein einziges Mal verlassen würde. Also ja, sie wussten, dass sie sterben und uns zurücklassen werden.

Seraphen haben die Möglichkeit ihrem Nachwuchs gewisse Fähigkeiten und Gaben weiterzugeben, die sie noch nicht besitzen. Genau das haben Balthial und Nithael ebenfalls getan, denn mein bester Freund war in der Lage umliegende Energien aufzunehmen und als seine eigene umzuwandeln. So ist das Überleben des Kleinen gewährleistet und da es bei mir lebt, konnten sie sichergehen, dass es ihrem Kind gut geht.

Was mir jedoch Sorgen bereitet ist, dass Nithael dem Kleinen die Fähigkeit des Sehens übergab und es in diesem frühen Stadium bereits anwenden kann", antwortete Seraphion und blickte nachdenklich in Richtung des Kinderzimmers.

„Woher weißt du, dass es diese Fähigkeit bereits einsetzten kann?", fragte Michael vorsichtig, denn sollte es so ein, bestätigte sich die Besonderheit dieses Kindes und sie kamen der Entschlüsselung der Prophezeiung einen Schritt näher.

„Ich bitte dich um Verzeihung Haniel, du hättest mit all dem Nichts zu tun haben sollen. Doch nun ist es zu spät und das Kind hat dir und mir etwas offenbart, als es so hell leuchtete."

Angel - Haniel [BoyXBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt