Neun Wochen zuvor
Michael war verwirrt. Verwirrt von seinen Gedanken. Seinen Gefühlen. Seinen Reaktionen. Einfach von allem.
Er wusste nicht wieso und wie er damit umgehen sollte, denn in seinem ganzen bisherigen Leben hatte es nie einen solchen Moment der Verwirrung gegeben, bis dieser kleine Meldeengel in sein Leben trat und all das verschuldete.
Um Herr seiner Empfindungen zu werden, war er auf dem Weg zu seinem jüngeren Bruder Haniel, welcher von dem Überraschungsbesuch nichts ahnte und wohlmöglich an seinem besonderen Ort ahnungslos verweilte.
Auf dem Weg dorthin, sah er den Grund seiner Probleme und stoppte im Flug und schlich sich leise an das vor ihm geschehene Ereignis an. Was er dort zu sehen bekam, verschlug ihm die Sprache und ließ sein Herz zu Stein werden, denn er konnte nicht fassen, wie dreist der unschuldig aussehende Engel in Wahrheit war.
Vor Wut schäumend, drehte Michael sich um und flog mit schnellen kräftigen Flügelschlägen zurück nach Hause, denn gerade wollte er nichts mehr als alleine sein und das Bild, welches sich in sein Gedächtnis gebrannt hatte vergessen.
Ein Bild, in dem ein ihm fremder Engel den blondhaarigen Dumah auf die Wange küsste und dieser es vor Freude strahlend genoss. Sein breites Lächeln war das, was Michael an diesem Tag zerbrechen ließ.
•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•°•Gegenwart
„Aber warum?“ Haniel bohrte weiter in die tiefe Wunde, von der er nichts wusste, und sorgte dafür, dass Michaels Geduldsfaden riss.
„Nein heißt nein, Haniel!“
„Michael!“, rief Uriel seinem Bruder hinterher, der nach dem Verneinen stürmisch Haniels Haus verließ. „Geh ihm nach und versuche ihn zu beruhigen.“ Der Erzengel des Mutes kam der Aufforderung des Seraphen entschuldigend nach und folgte dem Weißhaarigen, welcher sich bereits in der Luft befand.
„Was hast du dir bei der Frage gedacht? Du wolltest doch deine Brüder heraushalten und nicht mit weiter einbeziehen“, sprach Seraphion den Jüngeren an, da er dessen Beweggründe nicht nachvollziehen konnte. „Das wollte ich und tue ich auch immer noch. Wenn Michael sich mit Dumah beschäftigt, ist er weitestgehend beschäftigt.
Meine Sorge galt bis vor ein paar Sekunden noch, wie ich Uriel loswerden könnte, doch kam mir Michael mit seinem überstürzten Aufbruch dazwischen und hat mir eine Lösung abgenommen“, klärte der Erzengel auf. Auch wenn der Seraph die Gedankengänge seiner Schönheit verstand, war er sich nicht sicher, ob dies wirklich der richtige Weg war.
„Ich bin mir nicht sicher, ob wir einen unschuldigen Meldeengel damit beauftragen sollten“, äußerte Seraphion seine Bedenken laut, die von Haniel mit einer wegwerfenden Handbewegung abgetan wurde. „Der desorientierte Engel sah nicht böse aus. Außerdem wäre Michael an seiner Seite und somit droht ihm keine Gefahr.“
„Die Bösen sehen meist immer nicht böse aus, Haniel. Das war eines der Dinge, die meine Eltern mir im Kindesalter beigebracht haben.“ Auch wenn Haniel Seraphion stumm zustimmte, konnte er sich nicht vorstellen, dass dieser Engel böse sein sollte. Er spürte keine Gefahr in seiner Nähe und auch keine negativen Schwingungen gingen von ihm aus. „Belassen wir das erst einmal, denn so kommen wir nicht weiter“, sprach Seraphion, doch würde er Pethel beschatten lassen, denn er hatte bei ihm ein ungutes Gefühl.
Ohne dass Haniel etwas mitbekam, verschwand eine der kleinen weißen Blumen neben ihm auf dem Boden und begab sich auf die Mission, welche ihr von ihrem Herrn auferlegt wurde. Geräuschlos ließ sie sich in dem Haus des Facilityengels nieder und versteckte sich in eine Ecke, in der sie kaum sichtbar war. So würde sie ihrem Herrn stetig Informationen zukommen lassen können.
„Seraphion?“
„Ja, Haniel.“
„Warum ist diese Efeuranke immer bei mir, sobald ich mein Haus betrete?“
Stille trat ein und nur das Rascheln der Efeuranke, die sich hinter Haniels weißen Schwingen schlängelte war im Wohnzimmer zu hören. „Sie mag dich?“, antwortete der Schwarzhaarige fragend, denn wenn er ehrlich zu sich selbst war, kannte er den Grund des Verhaltens der Ranke auch nicht.
„Warum klingt deine Antwort wie eine Frage?“
„Warum fragst du mich aus?“ Seraphion hob eine seiner geschwungenen Augenbrauen und wartete auf eine schlagfertige Gegenantwort der Schönheit, doch blieb diese aus. Haniel hingegen erkannte, dass er so nicht weiterkam und hörte auf einen inneren Instinkt, welcher ihm bis eben noch unbekannt war.
„Seraphion“, hauchte Haniel und kam Seraphion näher, der sichtlich schlucken musste, denn das hatte er nicht erwartet.
„Könntest du mir meine Frage beantworten?“, flüsterte der Erzengel dem Seraphen ins Ohr, was für eine Gänsehaut bei dem Schwarzhaarigen sorgte. „Ich weiß es nicht“, sprudelte es aus Seraphion heraus und drehte seinen Kopf zu Haniel, mit der Absicht einen Kuss zu stehlen, doch wich die Versuchung vor ihm zurück und blickte ihm triumphierend in die Augen. Himmel, er spielt mit mir!
„Du bewegst dich auf dünnem Eis, Erzengel.“ Verlangen loderte in den Bernsteinen, die Haniel innerlich erzittern ließ. Das Feuer in ihnen versprach vieles und der Erzengel spürte die aufgeheizte Luft um ihn herum. Sollte ich mich ergeben?
„Wie dünn ist es?“, fragte der Jüngere, ohne seinen Blick von Seraphion abzuwenden, welcher nun derjenige war, der die Distanz zwischen ihnen überbrückte und näherkam.
„Du drohst jeden Moment einzubrechen. Möchtest du das?“
Gute Frage, wollte Haniel das? Sollte er dem erdrückenden Gefühl in seiner Brust nachgeben? Was hatte er davon?
„Was passiert, wenn ich einbreche?“ Er musste es wissen. Er musste sich den Konsequenzen bewusst sein. Das verlangte sein Verstand, der drohte abzustürzen. In eine Tiefe, aus welcher es nicht mehr so schnell herausschaffen würde.
„Wenn das Eis einbricht und dich mit sich reißt, Haniel, dann bist du verloren und liegst voller Ektase unter mir“, raunte Seraphion mit tiefer Stimme dem Erzengel gegen die rosigen Lippen.
„Wirst du mir folgen?“ Haniel spielte mit dem Feuer, doch war er gerade wie eine Himmelsmotte, die sich von den leuchtenden Flammen nicht fernhalten konnte und immer wieder in ihre Nähe flog. Die Gefahr verbrannt zu werden, schien ihm nicht bewusst zu sein, denn er ließ sich von seinen Gefühlen und der Stimmung um ihn herum einnehmen.
„Immer.“
Das Eis brach unter Haniel und Seraphion folgte ihm willig.
Ihre Lippen vereinigten sich zum ersten Mal und ließ beide wohlig aufseufzen, die das starke Kribbeln in ihren Bäuchen freudig annahmen.
Seraphion drückte Haniel vorsichtig nach hinten, folgte ihm augenblicklich und ohne den Kuss zu unterbrechen, welcher sie beide vollkommen einnahm. Keiner der beiden dachte daran, aufzuhören und sich dem wunderbaren Gefühl in ihnen zu entziehen.
Die Hände des Älteren wanderten an den Seiten seines Geliebten hinunter und krallten sich in dessen stattlichen Hüften und entlockte ein hohes Stöhnen des Erzengels.
Sollte ich aufhören?Das war die Frage, welche sich die beiden Engel gleichzeitig stellten.
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Angel - Haniel [BoyXBoy]
FantasiDer Herrscher des Himmels konnte nicht mehr mit ansehen, wie einige seiner liebsten Engel leideten, also beschloss er ihnen neue Aufgaben zu erteilen, ungewiss welchen Ausgang diese nehmen würden. Der Herr aller himmlischen Kreaturen ging das Risiko...