Kapitel 5

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"Seraphion", sagte Haniel mit ernster Stimme. "Ich habe einen Hilferuf vernommen. Du musst mir vertrauen. Ich weiß, dass dein Kind in Gefahr ist, und kann hierbei nicht einfach schweigend zusehen." Mehr würde Haniel vorerst nicht sagen. Er hoffte einfach darauf, dass der Seraph ihm glaubte.

Solange ich nicht weiß, was diese Botschaft bedeutet, werde ich keine unsinnigen Spekulationen verursachen, dachte Haniel.

Seraphion spürte die Aufrichtigkeit in Haniels Stimme. Er spricht die Wahrheit. Dieser Engel war von Grund auf aufrichtig und ehrlich.

"Gut, dann bleibe hier bei mir und helfe mir das Kleine zu beschützen", sagte Seraphion, wobei ein unbekanntes Gefühl sich in seiner Brust ausbreitete. Freude?

„Das geht nicht, wenn die Dämonen mitbekommen, dass genau hier ein Neugeborenes heranwächst, werden sie alles daran setzen, um hier einfallen zu können. Doch gibt es da ein weiteres Problem, denn Haniel kann nicht hierbleiben", übernahm Uriel die Antwort auf die Aussage des Seraphen und ließ seine Brüder sprachlos werden. Uriels ernsthafte Seite überraschte sie stets aufs Neue, auch wenn sie sie bereits oft zu Gesicht bekommen hatten.

„Ich verstehe den Punkt mit dem Kampf und auch das mein Kind von den Falschen begehrt werden könnte, doch leuchtet mir nicht ein, warum dein Bruder nicht hier bleiben kann um seinen Schutz auszuüben", äußerte Seraphion seine Gedanken und blickte neugierig den Jüngsten am Tisch an.

„In wie weit kennst du dich mit der Rasse der Erzengel aus?", fragte Haniel unverblümt den vor ihm sitzenden Seraphen. „Das sie stolze Engel sind, die bis zum Tod kämpfen und jeder ein Gebiet zugeteilt bekommt. Auch weiß ich, dass Erzengel nur von Erzengeln geboren werden können", antwortete Seraphion und wunderte sich, worauf der kleine Engel vor ihm anspielte.

„Also weißt du nur das, was auch jeder andere Engel weiß." Haniel konnte sich einen spöttischen Unterton nicht verkneifen, denn nach der Geschichte des Herrn, konnte er nicht fassen, dass ein ranghoher Engel nur die grundlegenden Informationen wusste. „Erzähle mir von den Dingen, die ich über eure Rasse nicht weiß", forderte Seraphion Haniel auf, welcher nach der Aufforderung anfing zu sprechen.

„Die Entstehung des Nachwuchses zweier Erzengel ist genau gleich, wie bei jedem anderen auch. Wir entstehen durch die Liebe und Vereinigung der Magie unserer Eltern und entweder sind diese im Ruhestand und können uns in Ruhe aufziehen, oder wir entsprangen von zwei amtierenden Erzengeln, welche durch die Gegebenheiten ihre Gebiete zusammenlegen und uns unter all ihren Pflichten aufziehen.

Der einzige Unterschied zu den anderen Geburten ist, dass wir an besonderen Orten geboren werden. Welcher das ist, entscheiden unsere Eltern, denn danach richtet sich unser Geist und die körperliche Stärke."

„Was sind das für besondere Orte?", unterbrach der Seraph den Jüngsten am Tisch und sah fragend die verhüllten Brüder vor sich an, welche kurz darauf schwiegen. „Es ist unterschiedlich und obliegt jedem Erzengel selbst, diese preiszugeben", beantwortete Michael die Frage, doch half das dem Schwarzhaarigen nicht wirklich weiter.

„Ein Erzengel ist praktisch dazu gezwungen, sich immer wieder seinem Ort zu nähern und ihm zu huldigen. Wir können nicht auf Dauer von ihm getrennt sein, deswegen kann ich hier nicht über Nacht bleiben, das würde meine Verfassung schädigen." Somit beendete Haniel die kurze Einführung seiner Rasse und überlegte sofort, wie er den Seraphen davon überzeugen konnte, dass das Kind bei ihm sicher sei.

„Also befindet sich dein besonderer Ort in der Nähe deines Hauses, nicht wahr?" Erschrocken weiteten sich die Augenpaare der Erzengel, welche Seraphion eine Antwort verweigerten. „Gut, da ihr nichts sagt, werte ich das als ein Ja." Mit diesen Worten stand der Seraph von seinem Platz auf und ließ die verwirrten Brüder am Tisch sitzend zurück, während er den Raum verließ.

„Kommt er wieder?" Uriel, der die Frage Michaels nur mit einem Schulterzucken beantwortete, half nicht gerade weiter und so blieben die Erzengel unsicher auf ihren Plätzen sitzen, bis ein gehetzter Seraphion zu ihnen zurück eilte und sie verwirrt ansah.

„Was macht ihr noch hier? Helft mir beim Packen!" Auffordernd scheuchte er die Brüder quer durchs blumengeschmückte Haus in sein Schlafzimmer und sorgte dafür, dass seine Gewänder ordnungsgemäß in die fliegenden Baumwollbeutel verstaut wurden.

Während Uriel und Michael murrend die Beutel alle zu einer langen Kette verschnürten, folgte Haniel unauffällig und leise Seraphion der im Nebenraum verschwunden war. Ein wunderschön in beige gehaltenes Zimmer kam zum Vorschein, in welchem viele kleine weiße Wolken an den Wänden hingen und somit einen Sonnenuntergang darstellten. Leise ruhige Musik der selbstspielenden Harfe erfüllte den Raum und der weiße Teppich unter Haniels Füßen fühlte sich zauberhaft weich an.

„Haniel."

Als er seinen Namen vernahm, schaute der Erzengel vorsichtig durch seine Robe zu Seraphion, was sein Herz erneut an diesem Tag schmerzen ließ.

Da war es.

Der Grund für all seine Probleme und Gefühlsregungen, die er sich nicht erklären konnte.

Unschuldig vor sich hin schlummernd auf einer Säule, flackerte die lila Lebensflamme des ungeborenen Kindes mitten im Kinderzimmer und wartete geduldig auf den Tag, an dem es seine körperliche Engelsform annehmen konnte.

„Ich werde das Kind in einen schützenden Schild verschließen und würde dich bitten mir beim Transport zu helfen."

„Das Kind?", murmelte Haniel leise vor sich hin, doch schien der Seraph gute Ohren zu haben, denn er wies den Grauhaarigen im lachenden Ton an, dass dieser seine Ohren putzen müsste, da er Dinge hörte, die niemand gesagt hatte. Auch dieses Mal ließ er das Thema auf sich beruhen und beschloss, dass er diesem in seinem Haus auf den Grund gehen würde.

Seraphions Magie erfüllte den Raum und schloss sich sanft um die Flamme des Kindes. Der Flamme schien es nicht sonderlich zu gefallen und fing an sich zu wehren, was Haniel dem Seraphen zur Hilfe eilen ließ. Zusammen versuchten sie ohne jegliche Gewalt das ungeborene Kind unter Kontrolle zu bringen, doch scheiterten sie kläglich.

Plötzlich strahlte die kleine Flamme ein ungeheures helles Licht aus und blendete die beiden Männer vor sich für einige Sekunden und was Haniel im nächsten Moment in seinem Kopf hörte, ließ ihn sprachlos werden.

„Hilfe."

Starke Kopfschmerzen erfassten ihn und benebelten seinen Verstand. Er verlor das Gleichgewicht und fiel seitlich zu Boden, wobei sein schmerzender Kopf auf diesem aufkam. Er verstand nicht, was los war und vernahm die schreienden Stimmen seiner Brüder kaum, die verzweifelt an ihm rüttelten.

Es half nichts und es kam, wie es kommen musste.

Die Dunkelheit kroch mit langsamen Schritten in seinen Verstand und übernahm mehr und mehr Besitz von ihm. Sein Unterbewusstsein meldete sich und zeigte ihm jemanden der auf ihn zu rannte, doch konnte er nicht erkennen, wer es war.

Seine Augenlider waren zu schwer um, sie geöffnet zu lassen, und so schlossen sie sich Stück für Stück, bis die Dunkelheit den Kampf gewann und ihn verschluckte.

„Rettet mich!"

Angel - Haniel [BoyXBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt