18. Kapitel

75 11 4
                                    

     Weitere fünf Tage waren vergangen und mein Geburtstag stand kurz bevor. In meinem Inneren kribbelte es stark und ich konnte es kaum noch erwarten. Meine Eltern schienen etwas geplant zu haben, doch ich wusste nicht was. Silan verhielt sich seit gestern auch sehr geheimnisvoll, so wie Alex. Seufzend lehnte ich mich zurück und schlug mein neues Buch auf. „PS: Ich mag dich" hatte ich gestern beendet. Heute war endlich ein anderes Buch dran. „Wie die Luft zum Atmen" von Britanny C. Cherry. Bereits nach den ersten drei Seiten war ich komplett in diesem Buch versunken und spürte schon gar nicht mehr die Hitze der Sonne auf meiner Haut. Ich hörte nicht mehr die Wellen, die leise gegen den Rumpf des Bootes schlugen, ich roch nicht mehr den Fisch, den jemand anderes zu grillen schien, ich bekam nichts mehr mit.
      Diese Autorin hatte die Fähigkeit einen in ihre Welt zu reißen und vollkommen darin abzutauchen. Insgeheim dachte ich, ich wäre an diesem Ort. Ich hatte praktisch das Gefühl mit Tristan und ihr in der Tierpraxis zu sitzen um auf das Ergebnis für den Hund zu warten. Mein Herz schlug wild in meiner Brust während ich hoffte, dass es dem Hund gut gehen würde. Schon jetzt hatte ich Tristan in mein Herz geschlossen. Er kam mir vor wie ein grummeliger Teddybär. So wie Lorcan Salvaterr. Nur anders eben. Tristan schien viel durchgemacht zu haben und ich war bereits zu erfahren, was das war. Zumindest war ich das momentan noch. Hätte ich nur nicht so große Töne gespuckt, denn schon kurz darauf musste ich feststellen, dass es sicher keine leichte Vergangenheit war, die Tristan hatte. Bevor ich aber weiterblättern konnte, tropfte mir etwas auf die Nase, dann auf eine Buchseite.
      Instinktiv schloss ich das Buch und sah auf. Silan grinste mich von oben herab an. Ehe ich mich versah nahm er mir das Buch aus der Hand, legte es beiseite und zog mich hoch. Zappelnd trat ich um mich und fragte ihn, was das sollte. Ehe ich aber noch etwas sagen oder tun konnte, warf er mich einfach über Bord ins Wasser. Lachend ließ ich es geschehen und genoss es sogar, als ich die Wasseroberfläche durchbrach und das kühle Nass über mich kam. Der reinste Segen an so einem heißen Tag. Lachend tauchte ich auf und sah Silan an, der frech grinste. »Was sollte das?«, hakte ich nach und schwamm auf das Boot zu. Er zuckte mit den Schultern, den Schalk in den Augen.
      »Ist das wichtig? Ich dachte nur du könntest eine Abkühlung vertragen.« Frech zuckte er mit den Schultern, als wäre nichts gewesen. Mein Vater und meine Mutter musterten uns, Razul bellte sogar und Alex hob eine Braue, als wollte er sagen: „Da läuft etwas zwischen euch. Eindeutig." Alex schien es zu spüren, doch bis jetzt hatte auch ihm nichts gesagt. Zwar war ich ihm das schuldig, doch ich wusste nicht, ob ich ihm das schon sagen konnte. Vermutlich traute ich mir in dieser Sache selbst nicht wirklich. Auf der einen Seite wollte ich es in die Welt hinausschreien, auf der anderen Seite hatte ich große Angst. Angst, dass diese rosarote Luftblase bald platzen könnte. Denn das würde sie bald tun.

     Besonders, da der Urlaub in etwas mehr als 14 Tagen vorbei war. In zwei Wochen würden wir wieder nach Deutschland fahren und das alles hier wieder hinter uns lassen. Für den Rest des Jahres und noch viel länger. Doch noch wollte ich nicht daran denken. Noch wollte ich das alles hier genießen. Die Wärme, das Wasser, die Gesellschaft. Ehe ich mich versah, sprang Silan neben mir ins Wasser. Kalte Wasserspritze trafen mich im Gesicht, doch es störte mich nicht. Im Gegenteil. Ich genoss die zusätzliche Abkühlung. Gerade als ich mir Gedanken machte, warum er nicht auftauchte, zog mich jemand an meinen Füßen nach unten. Erschrocken schnappte ich nach Luft, bevor mein Kopf unter die Wasseroberfläche gezogen wurde.
      Blinzelnd öffnete ich die Augen unter Wasser um mich umzusehen. Verschwommen erkannte ich die Umrisse vom Rumpf den Bootes, den Motor und Silan, der dicht vor mir schwamm. Auch seine Augen schienen offen zu sein. Verwirrt sah ich ihn an, doch schon im nächsten Moment presste er seine Lippen auf meine. Innerlich schmunzelte ich. Eine gute Art sich zu küssen, ohne dass es jemand mitbekam. Doch da die Luft hier unten begrenzt war, war der schöne Moment kurz darauf schon wieder vorbei. Silan tauchte auf, bevor ich das konnte. Nach ihm tauchte ich auf. Eine Sekunde später landete Alex neben uns im Wasser und grinste uns von einem Ohr zum anderen an. Man hatte uns nicht sehen können, das wusste ich. Dafür hatte Silan mich zu weit nach unten gezogen.
      Doch vor Alex konnte ich wohl nicht viel verstecken. Eigentlich gar nichts. Wenn nicht sogar überhaupt nichts. »So macht man das also«, sagte er zu uns mit einem fetten Grinsen auf den Lippen. Fast hätte ich mit den Augen gerollt. Aber nur fast. »Ja, so macht man das.« Silan sah uns beide an und schien im ersten Moment nicht zu verstehen, dass Alex es wusste. Doch anscheinend schien er es ein paar Sekunden zu verstehen, denn dann nickte er und grinste schief. In den letzten Tagen hatten weder Silan noch ich etwas von Mira gehört, was in meinen Augen ein Segen war. Ein wahrer Segen. Silan hatte mir zwar gesagt, dass sie ab und an mit ihren Freundinnen an seinem Platz vorbeiging, aber nie etwas sagte. Ein kleiner Trost. »Da in zwei Tagen der 25. August ist, muss ich dich etwas fragen«, schaltete sich Silan plötzlich ein und unterbrach somit meine Gedanken.
     Verwirrt sah ich ihn an. Er wusste von Alex, dass ich dort Geburtstag hatte. Eigentlich hätte ich Alex auf einer Seite dafür umbringen können, auf der anderen Seite war es eine sehr nette Geste, die ich sehr zu schätzen wusste. Er wollte ja nur, dass mein Geburtstag schön wurde, obwohl ich seit längerer Zeit nicht mehr recht viel auf Geburtstage gab. Eigentlich fast Garnichts. Geburtstage wurden zu normalen Tagen, wenn nicht einmal mehr die Großeltern Zeit für einen fanden und wenn man im Urlaub war und keine Freunde einladen konnte, weil man ja weg war. Dieses Jahr schien alles anders. Alex war da. Meine Eltern waren da. Silan war auch da. »Du hättest doch nichts dagegen, wenn du um 4:45 Uhr aufstehst, oder?« Perplex starrte ich Silan an und fragte mich, ob er gegen eine Wand gelaufen war. Ich verstand es nicht. Jedenfalls nicht wirklich.

Adriatische Meeresbrise - Herzrasen in KroatienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt