1. Kapitel

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     Der Motor des Wohnmobils brummte laut vor sich hin, während wir über die selbst bei Nacht befahrene Autobahn fuhren. Tausend Lichter der entgegen kommenden Autos hielten mich davon ab, die Augen zu schließen, so wie das laute, stetige Brummen des lauten Motors und die schreckliche Song, der im Radio lief. Meine Eltern unterhielten sich leise, während ich versuchte auf meinem Sitz einzuschlafen. Mein Kissen lag zerknittert vor mir auf dem Tisch und war ein Abbild dessen, wie vermutlich ich selbst mittlerweile aussah. Wir waren seit 18:00 Uhr unterwegs.
      Mittlerweile war es kurz vor 21:00 Uhr und wir hatten nur zwei kurze Pause gemacht, in denen meine Mutter eine geraucht und mein Vater nachgeschaut hatte, ob mit dem Boot alles in Ordnung war, da auf der Fahrt ein Transporter viel zu nah an uns vorbeigefahren war. Innerlich zählte ich, wie lange wir noch fahren mussten. Mein ganzer Körper kribbelte vor Aufregung und Freude. Es war fast zwei Jahre her, dass ich dort gewesen war. Dort, wo mein Herz zuhause war. Viele sagten, dass Zuhause kein Ort war. Dass Zuhause eine Person war. Da konnte ich leider nicht mitreden.
      Denn immer, wenn wir nach Cres fuhren, eine von über 1000 Inseln in Kroatien, dann fühlte ich mich, als würde ich nach Hause fahren. Als würde ich den Platz finden, an dem ich mich wohler fühlte, als sonst irgendwo auf der Welt. Mein Herz gehörte dort hin. Besondres jetzt, wo das letzte Schuljahr so schlimm gewesen war, wie keines jemals zuvor. Im letzten Jahr hatte meine beste Freundin, die mich seit der fünften Klasse begleitet hatte, mir eröffnet, dass ich nervig und angeberisch. Sie wolle nichts mehr mit mir zutun haben. Das eröffnete sie mir per WhatsApp. Einfach so.
      An einem Sonntag. Das Ganze war nun zwei Monate her und doch tat es noch genauso weh, wie am ersten Tag. Seit dem Tag hatte ich mich geändert. Ich sprach nicht mehr mit den Menschen. Na ja, eigentlich sprach ich sie nicht von mir aus an, in der Angst, ich könnte nervig sein. Ich sprach nur, wenn sie Interesse zeigten, sagte aber nie mehr als genug und versuchte, wenig von mir selbst preiszugeben, damit ich nicht nervte. Dass wir jetzt nach Cres fuhren, war die perfekte Chance auf Frieden und Glück für mich. Mit jedem Kilometer ließ ich nicht nur Deutschland hinter mir, sondern auch die dunklen Wolken, die mein Leben dort seit zwei Monaten umgaben.
      Das letzte Schuljahr war einfach zum Kotzen gewesen und ich war froh, dass wir nun, die letzten vier Wochen der Sommerferien auf Cres verbrachten. Nachdem meine Eltern erfuhren hatten, was los war, hatten sie sich beim Platz erkundigt, ob unser gewohnter Stellplatz schon eine Woche eher frei war, da ich es bitter nötig hatte, wie sie meinten. Da mein Vater selbständig war und meine Mutter bis jetzt nur eine Woche ihres Urlaubs verbraucht hatte und ihr Chef so gnädig gewesen war, nachdem sie die Situation erklärt hatte, hatten sie mir damit die größte Freude meines Lebens bereitet.
      Vier Wochen Cres. Vier Wochen Freiheit. Das kam mir vor wie ein Geschenk. Ein riesiges Geschenk, das ich nie vergessen würde. Mein Herz hüpfte vor Vorfreude wild in meiner Brust, aber nicht so wild wie sonst. Etwas dimmte meine Freude. Nur wollte ich in dem Moment noch nicht wahrhaben, was genau das war. Mein Handy blitzte auf. Eine Nachricht von Alex, meinem besten Freund. Er war ein Lichtblick in meinem Leben gewesen.

Sorry, ich habe vergessen dir bei der Abfahrt zu schreiben! Wir sind eine Stunde nach euch los, aber am Tauern oder so könnten wir euch eingeholt haben. Wir haben ja schließlich auch einen PKW. Ihr schleicht ja eher vor euch hin 😉

Lächelnd schüttelte ich den Kopf. Wir fuhren mit 80 über die Autobahn, da wir ein Boot hinten anhängen hatten. Ein Schlauchboot, dass wir dieses Jahr zum zweitem Mal nutzen würden, das aber schon sehr alt war. Dennoch tat es uns gute Dienste und war ein wirklich tolles Boot. Besser, als unser Altes. Grinsend tippte ich zurück.

Wir schleichen doch nicht. Die anderen fahren einfach nur zu schnell 😉

Kaum hatte ich die Nachricht abgeschickt, ploppte die nächste Nachricht auf.

Achso. Ja, klar hahaha

     So war das mit meinem besten Freund und mir. Unsere Gespräche verliefen fast immer so. Mit Sarkasmus und mit Witzen. Dennoch war es nicht das gleiche Grinsen auf meinen Lippen, wie sonst. Das Grinsen war zwar da, doch ihm fehlte dieses gewisse Etwas... es war nicht so echt wie sonst. Nicht so fröhlich. Seufzend legte ich das Handy wieder weg. »Alex, seine Familie und sein Freund sollten uns an der Tauernalm einholen «, berichtete ich meinen Eltern. Ein Vater nickte, weiterhin konzentriert auf die Straße, meine Mutter drehte ihren Kopf zu mir nach hinten und lächelte.
      »Das ist schön. Da wollten wir eh eine längere Pause machen.« Ich sah ihr an, dass ein Teil in ihr diese Pause brauchte. Im Inneren roch es nach nassen Hundehaaren, da Razul es nötig gehabt hatte, durch nasses Gras zu laufen, während er an der Tanke sein Geschäft erledigt hatte. Razul hechelte angesichts der Tatsache, dass es im Inneren ziemlich warm war und er dem ungeheuren Brummen des Motors nicht traute. Selbst die offenen Fenster konnten den Geruch nicht vortreiben. Auch ich würde gerne meine Füße wieder vertreten. Ich sagte mir, dass es nur noch eine halbe Stunde war und strich Razul über seinen großen Kopf. Die Dogge sah treudoof zu mir nach oben und schien zu lächeln.
      Ich grinste ihn an, dann nahm ich meine Handy und meine Kopfhörer. Die Lieder im Radio wurden schlechter. Harrys Styles' laute und in meinen Augen nervtötende Stimme hallte durch den Innenraum und sorgte dafür, dass ich meine eigene Playlist spielen wollte. Ich ging auf die Playlist, die ich extra für diese Fahrt erstellt hatte. Sie war voller kroatischer Songs, aber auch voller K-Pop und Songs von Zayn und Songs die mich an den Sommer erinnerten. Songs, die mich an das weite, blaue Meer erinnerten und Songs, die mich an warme Abende mit dem Zirpen von Grillen erinnerten. Von Kinderlachen, Grillen, Tanzen und Freude. Für die nächste halbe Stunde gab ich mich den warmen und nostalgischen Gefühlen hin, während wir weiterfuhren.
      An der Tauernalm hielten wir an. Der laut brummende Motor verstummte endlich, was Razul aufstehen ließ. Die zwei Jahre alte Dogge sah mit großen Augen in meine Augen. Er legte seinen Kopf auf meinen Schoß und wedelte wild mit dem Schwanz. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich strich der gefleckten Dogge über den Kopf. Sein Fell war warm und weich. Sein Fell war hellbraun mit lauter kleinen schwarzen Flecken übersäht. Als ich mich abschnallte, löste er sich von mir und wartete, bis ich die Tür aufgemacht hatte. Erst, als ich Treppe ausgefahren und überprüft hatte, dass kein Auto kam, ließ ich ihn aussteigen. Danach schlüpfte ich in meine Crocs, zog eine Jacke wegen dem kühlen Wind an und stieg aus.
      Der Parkplatz war gut voll. Wir hatten noch einen Platz ergattern können. Alex' würde neben uns Platz finden können. Razul schnüffelte an den Reifen des Anhängers und lief umher. Im Eingang griff ich an der Seitentasche nach einem Beutel, falls er anderweitig aufs Klo musste. Kurz verabschiedete ich mich von meinen Eltern und ging mit Razul zu einer kleinen Wiese. Er schnüffelte an dem Gras, wedelte mit dem Schwanz und lief wild umher. Ein Zeichen dafür, dass er es eilig hatte. Um ihm seine Privatsphäre zu lassen, wandte ich den Blick ab und blickte über den großen Parkplatz, der voller Urlauber war. Überall standen Wohnwägen, PKWs, LKWs und Wohnmobile. Einige schienen zu schlafen, andere vertraten sich die Beine.
      Ein kühler Wind wehte von den aufragenden Bergen entgegen. Sie schirmten den letzten Rest der Sonne ab. Bald würde es dunkel sein. Nicht, das mich die Nachtfahrten stören. Sie störten mich überhaupt nicht. Ich liebte sie sogar. Es war nicht so heiß und man kam selten in einen Stau. Allerdings war das Fahren für meinen Vater schwer. Eine kalte Stupsnase an meiner Hand ließ mich aus meinen Gedanken schrecken. Razul war so süß, dass er mir immer sagte, wenn er fertig war, da ich nie hinsah. Lächelnd strich ich ihm über den Kopf, dann packte ich sein Geschäft in die Tüte und trug es mit ihm zum nächsten Mülleimer. Ich lief mit ihm noch ein Bisschen über den großen Rastplatz, bevor ich zu unserem Wohnmobil zurücklief.
      Mein Vater stand am Boot, während meine Mutter eine Zigarette im Mund hatte und zu den Bergen sah, durch die wir mussten. Sobald wir das hinter uns hatten und noch einige Meilen mehr, wären wir an dem Ort, der wir ein Zuhause für mich war. Für sie. Der liebste Ort auf der Welt. Jedenfalls für uns. Trotz der vielen Veränderungen, die es gab, war es immer noch ein Ort, an den ich gehen konnte, und Frieden finden konnte. Zumindest für meinen Aufenthalt dort. Doch obwohl ich wusste, dass wir morgen schon dort sein würden, trübten dunkle Wolken die Freude, die ich eigentlich haben sollte.
      Noch immer war ich betrübt. Es ging nicht weg und ich wusste auch nicht, wie ich das vergessen sollte, das geschehen war. Wie ich jemals wieder denken konnte, jemanden nicht zu nerven. Zuhause ist dort, wo das Herz ist, sagen sie. Doch was ist, wenn das Herz in tausenden Scherben liegt? Was ist dann? Wo ist dann mein Zuhause? Noch immer wusste ich, dass Cres immer mein Zuhause sein würde. Mein Anker. Blind rieb ich über meinen Unterarm, an die Stelle, wo das Tattoo war. Das Anker-Tattoo mit dem Kompass und den Anker als Leuchtturm.
      Ich hatte dem Tätowierer ein Bild von dem roten Leuchtturm vom Campingplatz gezeigt und er hatte es mir so gut es ging in das Tattoo mit eingebracht. Die Oma seitens meines Vaters war nicht begeistert über das Tattoo gewesen, doch mich erinnerte es daran, was mein Anker war, wenn ein Sturm mich fortwehen zu drohte. Wenn meine Gedanken mich überrannten. Es gab nur diesen Anker für mich. Razul stupste gegen meine Hand und seine kalte Nase drückte gegen meine erhitze Haut. Leicht lächelnd sah ich zu ihm und strich ihm über den Kopf.
      Obwohl er erst zwei Jahre alt war, war er schon so riesig. Sein Kopf ging mir bis über die Hüfte. Es war gut, sich nicht so bücken zu müssen. Sanft leckte er über meine Hand, dann sah er zu meinem Vater, der die Gurte der Plane nachzurrte. Seine Ohren zuckten bei dem Geräusch, als die Gurte über den Schlauch und die Seile am Schlauch fuhr. Neugierig tappte er weiter. Ich folgte ihm. Das Razul nicht an der Leine war, schien viele zu stören, doch er hörte auf mein Wort und tat niemanden etwas. Ich hielt nicht viel von Leinen. Zwar hatten wir eine dabei, aber ich persönlich wusste, dass er auf mich hörte.
      Natürlich leinte ich ihn an, wenn es um Straßen und andere Dinge ging, doch hier mussten Fahrzeuge langsam fahren und Razul hörte immer auf mich. Neugierig schnüffelte die Dogge an unserem Boot. Zwar kannte er es, doch da es erst vor einer Woche von der Inspizierung zurückgekommen war, schien es noch neue Gerüche zu geben, denen er auf die Spur gehen wollte. Mein Vater lächelte leicht und sah der Dogge dabei zu, wie sie um das Boot herumlief, mit dem Schwanz wedelte und fröhlich wirkte. Nach ein paar Minuten ließ mich eine laute Hupe zusammenzucken. Razu schreckte ebenfalls auf kam sofort zu mir zurückgelaufen und bellte. Mit einem kurzen Blick an ihn verstummte er und entspannte sich, als er die bekannten Gesichter sah. Mit wedelndem Schwanz lief er auf Alex zu, der ihn lächelnd über den Kopf strich. Seine Eltern und sein kleiner Bruder stiegen nach ihm aus dem Auto. Razul begrüßte diese, während ich erst einmal Alex begrüßte. Er grinste mich breit an. »Ihr kommt ja echt langsam voran.«
      Ich rollte mit den Augen, lächelte aber. Alex und ich verstanden uns gut. Sehr gut sogar. Für einen Moment verzogen die dichten Wolken über meinem Gemüt und machten der Sonne Platz, die von Alex ausging. Doch sie verblasste auch genauso schnell wieder. Da konnte sich Alex noch solche Mühe geben. Er wusste von dem Vorfall und bemühte sich, mich mit seinen Witzen zum Lachen zu bringen. Immer und immer wieder. Leide enttäuschte ich ihn dabei immer wieder, denn das Lachen, das über meine Lippen kam, war dabei leider immer genauso falsch. Dann begrüßte Alex meine Eltern und dann begrüßten seine Eltern sie. Beide Väter unterhielten sich sofort über den weiteren Fahrtweg, während die Frauen über etwas anderes sprachen.
      Alex' kleiner Bruder streichelte Razul und spielte mit seinen Ohren herum, während Alex und ich auf die Autobahn blickten, wo ein LKW nach dem anderen und ein Auto nach dem anderen vorbeiraste. Immer schneller und schneller. Einige reisten wieder nach Hause, andere, zwar weniger, fuhren Richtung Süden. Der Sonne entgegen. Eine kalte Luft wehte um meine freien Waden, die nicht mehr von der Jogginghose umhüllt waren. In der Nähe meiner Freunde und meiner Familie schämte ich mich nicht mehr für meine Figur. Ich war, wie ich war und sie liebten mich so, wie ich war.
      Eine besten Freund zu haben, der mich so nahm, wie ich war, war selten. Deswegen schämte ich mich nicht für die Jogginghose, die meine Waden entblößte und die frisch rasierte Haut darunter. Es war mir egal. »Der Wind hier ist doch ganz schön frisch. Hoffentlich wird das besser, je weiter wir kommen«, meinte Alex und blickte nachdenklich zum Himmel empor, der mit jeder Sekunde dunkler und dunkler wurde, bis die Sonne schließlich ganz verschwand und einen funkelnden Sternenhimmel zurückließ, der allerdings von ein paar Wolken verdeckt wurde.
      »Das wird schon. Auf Cres soll es morgen 35 Grad haben«, meinte ich. Alex stöhnte. Hitze war nicht so unser Ding, besonders nicht für mich. Ich wusste, dass wir morgen vermutlich alles aufbauen würden. In der Sonne, die erbarmungslos auf uns herunterbrennen würde, nur mit dem Schatten des Baumes auf unserem Stellplatz. Schon jetzt graute mir davor, auf der anderen Seite aber freute ich mich darauf. Etwas tun. Arbeiten. Den Körper anstrengen. Alex und seine Eltern hatten es leicht. Sie würden ein Mobilheim nehmen. Nicht die kleinen, die in der Nähe unserer Stellplatzes standen, sondern die größeren, im Waldgebiet. Dennoch würden uns vielleicht nur sieben Minuten trennen.
      Seine Eltern, die eigentlich ins Hotel Kimen hatten wollen, hatten dann auf den Vorschlag meiner Mutter gehört. Nicht, dass das Hotel schlecht wäre, aber wenn wir uns sehen wollten, dann mussten sie sich bei der Rezeption auf unserem Platz anmelden. Sie hatten sich die Mobilheime angesehen und sich für die größeren entschieden. Zudem gefiel ihnen der Strand am Campingplatz eh besser. So konnten Alex und ich auch öfter zusammen sein. Vom Bootfahren war er noch nicht so begeistert, wie ich. Er verstand nicht, wie ich meinen Schein dazu hatte machen können.
      Er verstand auch nicht, wie ich ganz entspannt auf unserem Boot sitzen konnte, wenn es 150 PS hatte und wir manchmal übers Meer flogen, wenn wir nicht zu viele Personen an Bord waren. Doch ich wusste, dass ich ihn vielleicht noch überzeugen konnte. Er fürchtete sich ja bereits vor der Fähre. Die zwanzigminütige Überfahrt passte ihm gar nicht. »Du sag mal... schaukelt die Fähre sehr?« Unsicher sah mein bester Freund mich an und rückte seine Brille zurück. Unsicher, ob er sein Mittel gegen Übelkeit nehmen sollte oder nicht. Ich zuckte mit den Schultern.
      »Ehrlichgesagt nehme ich das nie wirklich wahr. Bei normalem Seegang und vielleicht auch noch bei Wellen von ca. 30 oder 50 Zentimetern fährt die Fähre ruhig. Wenn es wirklich schlimm wäre, würde sie nicht fahren. Sie wackelt nicht wirklich. Jedenfalls fällt mir das nie auf.« Meine Worte schienen ihm nicht zu helfen. Ich wusste aber auch nicht, was ich sonst sagen sollte. Ehe ich noch etwas sagen konnte, beschlossen alle, weiter zufahren, denn auf der Autobahn stieg der Verkehr rasant an, ein Gespann nach dem nächsten zog vorbei. Schnell verabschiedeten wir uns alle. Ich warf meinem Kumpel einen aufmunternden Blick zu, bevor ich mit Razul im Wohnmobil verschwand.
      Ich schlüpfte aus den meinen Crocs und ließ mich auf meinen Stoffsitz gleiten. Razul wartete weiterhinten im Gang, damit meine Eltern einsteigen konnten. Als mein Vater die Treppe einfuhr und die Tür schloss, schnallte ich mich an. Kurz darauf fuhren wir auch schon weiter. Liam Paynes Stimme in meinen Kopfhörern übertönte das laute Brummen des Motors und ich ließ mich von seiner Stimme treiben. Ich spielte die Playlist herunter, die ich für die Fahrt ausgewählt hatte. Nach Liam erklang die Stimme von Severina. Obwohl ich kein Wort von dem verstand, was sie sang, lauschte ich ihrer Stimme und ließ meine Sinne von dem kribbelnden Gefühl benebeln.
      Von der Vorfreude. Allerdings fiel diese relativ klein aus. Egal, was ich versuchte, die Schatten des letzten Jahres hingen über mir wie dunkle Regenwolken, die sich, trotz des heftigen Regens, einfach nicht verziehen wollten. Sie hingen seit Monaten über meinem Gemüt und verzogen sich nicht, egal wie sehr es in meinem Leben tobte und stürmte. Wütend kniff ich die Augen zusammen und wünschte mir, es würde aufhören. Wünschte mir, endlich wieder ein echtes, herzhaftes Lachen über die Lippen zu bringen, geschweige denn ein simples Lächeln. Selbst das brachte ich kaum Zustande.
      Innerlich seufzend lauschte ich weiter der Playlist, in der Hoffnung, die gewohnten Gefühl hervorzurufen und die dunklen Wolken zu vertreiben. Nichts davon geschah, während wir weiter in Richtung Süden fuhren. In Richtung der Insel, die mein Zuhause war. Es passierte nicht, als wir den Tunnel hinter uns hatten, der uns einige Kilometer lang verschluckt hate. Es geschah nicht, als mein Lieblingslied, dass mich an Cres erinnerte, in meinen Ohren widerhallte, es geschah nicht, als wir Kilometer um Kilometer hinter uns legten. Stattdessen blieb diese Dunkelheit um mich herum.
     Trübte meine Sinne und verdrängte diese Freude, die ich eigentlich haben sollte. Diese Vorfreude, die die dunklen Schatten unterdrückten. Letztes Jahr war es anders gewesen. Letztes Jahr hatte die Freude jede Zelle meines Körpers erfüllt. Jetzt war sie nur ein leises Wispern, dass nicht lauter wurde. Nicht mehr. Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, ließ mich von der sanften die Stimme des Schlafes zu sich ziehen, in der Hoffnung, dass wenn ich aufwachte, mein Körper diese dunklen Wolken endlich vertrieben hätte. Dass ich mich endlich freuen könnte.

Adriatische Meeresbrise - Herzrasen in KroatienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt