28. Kapitel

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     Durch Cres zu laufen und dort scheinbar nach irgendwas Ausschau zu halten ohne dabei auffällig nach einem Geschenk für Silan zu schauen war schwerer als gedacht, da er immer in meiner Nähe war. Scheinbar beiläufig blieb ich an dem kleinen Laden stehen, in dem ich damals eine Tasse gekauft hatte. Hier in diesem Laden gab es viel. Taschen, Tassen, Stifte, Papier. Silan folgte mir leider in den Laden, aber nur weil er dachte ich würde mich in diesem engen Geschäft mit den vielen Menschen nicht wohlfühlen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich mich umsah und doch nichts fand. Ich wusste nicht, was ich ihm schenken sollte. Zwar schenkte ich ihm den morgigen Tag, doch das schien nicht genug. Es war einfach nicht genug. Nachdenklich sah ich mich um.
      Ich kannte ihn zu wenig. Viel zu wenig. Dann sah ich mich noch einmal genauer um und erkannte einen kleinen Schlüsselanhänger. Ein Leuchtturm und daneben ein kleines Flugzeug. Diese ließ ich schnell in meiner Hand verschwinden und griff nach dem Delfin. Silan hob eine Braue. »Gefällt dir mein Anhänger nicht mehr?« Erst nahm ich an, dass er die Frage ernst meinte, doch dann sah ich das verspielte Funkeln in seinen Augen. »An meinem Schlüsselbund ist noch ganz viel Platz.« Zusätzlich nahm ich noch einen Hai als Schlüsselanhänger und lief damit zur Kasse. Silan folgte mir. Um ihn abzulenken deutete ich auf ein Regal mit Heften und fragte ihn, ob er dort nachsehen konnte, ob sie die neue Ausgabe der Zeitung hatten. Erleichtert stellte ich fest, dass er länger suchte und so verstaute ich sein Geschenk, ohne dass er etwas davon mitbekam.
      Die Zeitung nahmen wir auch mit. Wir liefen durch das Dorf. Mein Gespräch mit seinen Freunden lag nun zwei Tage zurück. Morgen hatte Silan Geburtstag. Noch immer waren sie der Meinung, dass Silan gerne in das Restaurant wollte und so würden wir dann eben morgen da hingehen. Die Vorstellung gefiel mir nicht, doch da schien ich keine Wahl zu haben. Ich hatte sie einfach nicht und damit musste ich wohl oder übel leben. Schon jetzt war ich ganz aufgeregt. Wir waren schon mal in Split gewesen, doch die Stadt an sich hatte mich nicht so überzeugen können. Dafür aber das Umfeld. Wirklich schöne Städte in der Nähe. Wirklich wirklich schön. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und konnte es gar nicht erwarten seinen Gesichtsausdruck zu sehen.
      Leider war vieles davon nicht meine Idee gewesen. Lange hatte ich ja nicht einmal gewusst, dass er auch im Urlaub Geburtstag hatte. Nachdenklich lief ich mit Silan zum Springbrunnen und wir setzten uns. Menschen zogen an uns vorbei, Kinder schrien und lachten, Hunde bellten, Leute klingelten auf ihren Fahrrändern, obwohl der Ort so klein war und man ausdrücklich sehen konnte, dass alle ihre Fahrräder vor dem kleinen Ort abstellen sollte. Mein Blick glitt zu den Booten, die sich sanft mit den Wellen hin und her wogen, während der Geruch des Meeres von der leichten Brise herangetragen wurde. Silan hielt meine Hand und für einen Moment versanken wir in unserer kleinen Welt. Es gab nur noch uns. Nur uns beide. Sonst niemanden.

     Er strich sanft über meinen Handrücken und drückte einen Kuss auf meinen Kopf. Zusammen schwiegen wir uns genossen die Stille zwischen uns. Jeder von uns schwelgte in seinen Gedanken. »Denkst du Razul ist beleidigt, dass wir ihn bei deinen Eltern an der Eisdiele gelassen haben?«, fragte Silan dann und sah hinüber zur Eisdiele. Ich lachte kurz. »Bestimmt nicht. Dort bekommt er manchmal eine Waffel geschenkt. Die liebt er. Deswegen ist er sicher nicht böse.« Silan sah mich an und schüttelte lachend den Kopf. »Mir klaut er das Eis und Waffeln liebt er auch. Jemand sollte ihm mal ein ganzes Eis kaufen.« Nun schüttelte ich lächelnd den Kopf. »Das wäre wohl nicht so gut. Dann würde er nur kotzen. Es ist ein Wunder, dass er an meinem Geburtstag nicht gekotzt hat.« Silan nickte. Die Sonne ging langsam unter und erste Sterne funkelten schwach am Himmel. Nachdem wir gegrillt hatten, waren wir nach Cres gelaufen.
      Meine Eltern hatten sich in die Eisdiele gesetzt, doch da weder Silan noch ich ein Eis wollten, waren wir im Ort herumspaziert. Meine perfekte Ausrede. Schließlich wollte ich ja heimlich nach einem Geschenk suchen, ohne dass er es mitbekam. Nur leider hatte ich das Gefühl, dass er mich bereits durchschaut hatte, aber nichts weiter dazu sagte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich mir vorstellte, dass er wusste, was der wahre Zweck hierfür war. Nicht umsonst hatte ich meine Eltern dazu überredet nach Cres zu gehen. Sonst blieb ich dem Ort eher gerne Fern. Nicht, weil ich ihn nicht mochte, sondern weil hier so viele Menschen waren. So viele Menschen, die einfach nicht aufpassten. So wie die eine Frau, die mit dem Fahrrad meinte sie mussten durch das Menschengedränge fahren und kurz darauf fast einen älteren Mann über den Haufen fuhr. Sie wich aus und landete im Hafenbecken. Mit dem Fahrrad. Anstatt sie zu bemitleiden, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.
      Die Schilder vor dem Ort sagten eindeutig, dass man von seinem Fahrrad steigen musste und es entweder schob oder an die unzähligen Fahrradständer band. Davon gab es ja genug. Einige eilten zu ihr und halfen ihr aus dem Wasser. Der verdeckte Wasser im Hafen haftete an ihrem weißen Kleid und an ihren Haaren. Sie sah aus wie ein begossener Pudel. Silan schmunzelte. »Das passiert, wenn man Schilder nicht lesen kann.« Zustimmend nickte ich. Einige schienen sie zu bemitleiden, ein Mann gab ihr ein Handtuch und sie? Sie trauerte um ihr Handy. Nicht um ihr Fahrrad. Um ihr Handy. Anstatt sich bei dem Mann zu bedanken schnauzte sie ihn an und dann meckerte sie den alten Mann an und gab ihm die Schuld, dass ihr Handy kaputt sei. Der ältere Mann sah sie nur stumm an, deutete auf eines der Schilder und verschwand dann wortlos.
      Sie starrte das Schild an, als hätte sie das noch nie vorher gesehen. Der Mann, der ihr das Handtuch gegeben hatte nahm es ihr wieder ab und lief davon. Sie tropfte den Boden nass und watschelte davon. Ohne Fahrrad. Ohne Handy. Und sie stank nach dem Wasser im Hafen. Nach alten Ölen und sonstigen Dingen. Nach einer Weile in der wir zusammen da gesessen und nichts getan hatten außer Händchen zu halten, entschieden wir wieder zu den anderen zu gehen. Es gab keinen Laden mehr, den ich sehen wollte, denn ich wusste, dass ich dort nichts finden würde, was ich schenken wollte. Mehr als den morgigen Tag und die beiden Schlüsselanhänger konnte ich ihm wohl nicht geben. Dafür kannte ich ihn noch immer zu wenig. Aber ich war mir sicher, dass er sich nicht beschweren würde.

Adriatische Meeresbrise - Herzrasen in KroatienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt