London 1659
„Und so endet die Geschichte." sagt Jan. Er sitzt an einem Bett. In dem Bett liegen zwei kleine Kinder.
„Erzählst du uns die Geschichte noch einmal?" fragt das Mädchen.
„Es ist schon spät und ihr solltet jetzt schlafen. Morgen könnt ihr sie noch einmal hören." Philomena erscheint im Zimmer.
„Noch einmal bitte, Mama!" bettelt der Junge. Philomena und Jan tauschen einen Blick.
„Morgen!" wiederholt sie.
„Hör auf deine Mutter, Jack." stärkt Jan seiner Frau den Rücken.
„Morgen ist auch noch ein Tag." sagt Jacks Schwester Anastasia. Er sieht seine jüngere Schwester an. Sie klettert aus dem Bett und lässt sich von ihrem Vater auf den Arm nehmen.
„Ihr schlaft jetzt, denn Morgen ist ein wichtiger Tag." sagt ihre Mutter.
„Was ist denn Morgen?" fragt Anastasia. Philomena lächelt versonnen, dabei geht sie auf ihren Mann und ihre Tochter zu. Dann streicht sie Anastasia eine widerspenstige Locke aus der Stirn.
„Morgen kommt eure Tante." sagt sie an ihre Kinder gewandt. Kurz nach der Hochzeit ist Lucy mit Aurelia, Philipp und den anderen Geschwistern nach Frankreich gezogen. Da Philipps Bruder gestorben ist. Jetzt leben Mena und Jan mit ihren beiden Kindern hier. Allerdings hat Mena darauf bestanden, dass die Gouvernante mitgeht. Sie hat mit dem Argument gewonnen, dass sie ja noch ihre Freundin Rita hat. Rita hat ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und kümmert sich rührend um die beiden Kinder.
„Tante Lucy kommt?" fragt Jack erfreut. Er liebt seine Tante über alles. Er himmelt sie regelrecht an.
„Ja sie kommt morgen. Aber du musst dich vernünftig benehmen." Seine Mutter streichelt ihm über den Kopf.
„Und außerdem kommt auch die Großmutter eurer Mutter. Sie weiß noch nichts von euch und deswegen solltet ihr euch auch von eurer besten Seite zeigen." sagt Jan. Da Lucy nur zwei Jahre jünger als Mena ist, ist sie nicht lange in Frankreich geblieben. Zusammen mit Rahel ist sie durch die ganze Welt gereist. Rahel wollte schon immer mal die ganze Welt sehen. Diesen Traum hat sei sich jetzt zusammen mit Lucy erfüllt.
„Ist die Geschichte wirklich passiert?" will Jack wissen.
„Ja, mein Schatz. Dass ist die Jugend von deinem Vater und mir." sagt Philomena sanft.
„Wieso hast du nichts gesagt?" fragt Anastasia. „Ich meine wieso hast du Vater nicht gefragt ob er wirklich aus Deutschland kommt?"
„Weil eure Mutter gerne Spielchen spielt, hab ich recht, Schatz?" Mena reagiert nicht auf den Kommentar ihres Mannes.
„Manchmal muss man einfach auf den rechten Moment warten." sagt sie schließlich.
„Woher wusstet du, dass Vater der Richtige ist?" fragt Jack.
„Jack benimm dich." rügt Jan sofort seinen vorlauten Sohn. Dieser zuckt nur mit den Schultern.
„Ist doch wahr. Woher willst du wissen ob alles seine Richtigung hat?"
„Richtigung, lustiges Wort. Leider gibt es das nicht." sagt Anastasia kichernd.
„Man kann es nicht wissen, aber die Liebe betrügt einen nicht." meint Mena nachdenklich.
„So." Jan nimmt seine Tochter wieder auf den Arm und geht mit ihr aus dem Raum.
„Gute Nacht. Schlaf gut." Philomena deckt Jack zu und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn.Am nächsten Tag stehen Jan und Philomena mit ihren Kindern vor der Tür und warten auf die Kutsche. Anastasia sitzt auf den Armen von Philomena, während Jack sich an Jans Beine kuschelt. Jan und Mena haben beide auf ihre Kronen verzichtet, weil nur Rahel und Lucy vorbei kommen.
„Wie reagiert sie?" fragt Philomena leise. Jan dreht sich zu ihr um.
„Sie wird sich sicherlich freuen. Immerhin sind das hier die Kinder ihrer Enkeltochter." erinnert Jan sie.
„Stimmt." Sie lehnt den Kopf an seine Schulter und schließt sie Augen um nicht von der Sonne geblendet zu werden. Ein Moment später richtet sich Anastasia in ihren Armen auf. Sie öffnet die Augen. Eine Kutsche fährt gerade durch das große Tor. Kaum kommt diese zum Stehen, steigen Lucy und Rahel auch schon aus.
„Meine Schwester." ruft Lucy erfreut. Sie kommt zu ihrer älteren Schwester und umarmt sie.
„Du bist aber groß geworden." sagt sie als sie ihre Nichte erblickt. Sofort streckt diese ihre Arme in die Richtung von Lucy aus und lässt sich von ihr auf den Arm nehmen. Mena geht an ihrer Schwester vorbei zu ihrer Oma. Rahel steht bei Jan und Jack. Als ihre Enkelin dazu kommt dreht sie sich zu ihr um.
„Wann hattest du vor mir zu erzählen, dass du Kinder hast?" fragt sie anklagend.
„Mum und Dad wissen es selber auch nicht." sagt Lucy. Sie kommt mit Anastasia dazu.
„Du hast es niemanden erzählt?"
„Ja."
„Woher weiß dann deine Schwester davon?", fragt sie weiter.
„Ich bin überraschend vorbei gekommen und habe dann davon erfahren."
„Wieso gehen wir nicht rein und trinken etwas Tee?" schlägt Jan vor.
„Teatime?" fragt Lucy. Jan nickt nur. Dann gehen alle zusammen ins Schloss. Während die Dienstboten die Koffer und Taschen hineintragen. Kaum sind sie im Garten und trinken etwas Tee, kommt Rita dazu.
„Lucy, Eure Majestät!" begrüßt sie die beiden Ankömmlimge.
„Rita, ich habe dich ja schon lange nicht mehr gesehen. Wie geht es dir?"
„Alles Bestens. Es macht echt Spaß mit den beiden süßen Kindern hier. Und bei dir?"
„Alles okay."
„Wir sollen dir von einem Paar liebe Grüße bestellen." fügt Rahel hinzu.
„Paar? Meinst du rein zufällig Jordan und Vanessa?" fragt Jan. Die ehemalige Königin nickt.
„Wo habt ihr denn meinen Bruder getroffen?" fragt Rita. Dabei behält sie die Prinzessin und den Prinzen im Auge. Sie spielen fangen auf der Wiese.
"Wo war das noch einmal?" Lucy denkt nach.
„Deutschland?" hilft Rahel ihr auf die Sprünge.
„Nein, das war es nicht...ich hab es...das war in diesem unscheinbarem Ort."
„Sie sind immer noch da?" fragt Mena. Lucy sieht ihre Schwester fragend an.
„Dort wurde ich vor zwölf Jahren festgehalten. Die ehemalige Chefin meines Bruders wollte uns, die verwaisten Kinder, für ihre Zwecke benutzen." erklärt Rita. Dabei streicht sie über ihren Hals. Dort ist eine kleine Narbe. Damals, als sie aus der Festung floh, wurde sie von einem Wachmann aufgehalten. Sie haben miteinander gerungen und ihr gelang die Flucht. Allerdings traf sein Messer ihren Hals. Nur leicht, aber dennoch so stark, dass eine Narbe da ist. Sie hat niemanden davon erzählt. Und meistens hat sie mit Halstüchern, Kragen oder Schmuck die Narbe verdeckt.
„Wie meinst du das?", fragt Lucy. Philomena erklärt ihr wie sie nach dem Brand nach ihrer Großmutter gesucht hat. Wie sie dabei Jan kennengelernt hat. Deren gemeinsame Reise zu den anderen Kindern. Ritas und das Verschwinden der anderen Kinder. Die Suche nach ihnen und schließlich die Befreiung aus der Festung.
„Ach so, dass erklärt natürlich einiges." meint Lucy.
„Wie lange haben wir jetzt Frieden?" fragt Jan.
„Zwölf Jahre." sagen Lucy, Rita und Mena gleichzeitig.
„So lange schon?"
„Mir kommt es vor, als wäre es erst gestern gewesen." sagt Lucy. Die Anderen nicken zustimmend.
„Was machen wir jetzt?" fragt Mena.
„Kommt euch das wie ein Déjà-vu vor?" fragt sie Jan und Mena. Beide nicken zustimmend. Damals, vor zwölf Jahren, saßen sie mit Jordan, Vanessa, James, Layla und Diane in einer Gaststätte und haben genau über diese Fragen diskutiert.
„Wir genießen die Ruhe und den Frieden." meint Lucy.
„Könnt ihr das denn?" fragt Rahel. Die Vier sehen sie fragend an.
„Ich meine könnt ihr euch zur Ruhe setzen und das restliche Leben genießen?"
„Wir werden es sehen." meint Jan. Philomena lässt den Blick zu ihren Kindern schweifen und ihr wird bewusst: Egal wie es mit ihr und Jan weitergehen wird, sie hat immer noch ihre Familie und ihre Freunde. Freunde, die mit ihr durch die Hölle gegangen sind und es gemeinsam überlebt haben. Sie hat nicht nur neue Freunde gefunden, sie hat Freunde fürs Leben gewonnen. Sie würden für Philomena ihre Hand ins Feuer legen und für sie da sein. Da ist sie sich sicher. Und diese Erkenntnis trifft sie mit einer solchen Wucht, dass sie lächeln muss.
Sie wird nie wieder alleine sein.Ende
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A royal Story Das Leben einer Prinzessin
Historical FictionPhilomena, welches achtzehn Jahre lang als normales Mädchen aufwächst, erlebt an ihrem 18. Geburtstag eine Überraschung. Plötzlich brennt ihr Herrenhaus lichterloh und sie kann ihre Großmutter nicht mehr finden. Sie begibt sich auf eine Reise voller...