16 Lio

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Halb sechs am Abend. Ich reibe mir über mein immer noch schmerzendes Knie, das jetzt von einer grauen, maßgeschneiderten Anzughose bedeckt wird, als die Tür aufgeht. Gleichmäßige, dumpfe Schritte klacken auf dem Laminatboden und ich sehe auf. Vater.

"Oh, du machst dich schick? Gibt es einen Anlass dazu?", fragt er und kommt näher.

Ich fahre mir durch die Haare und zupfe an meiner feinen, ebenfalls grauen Weste herum. "Hm", mache ich nur und stecke ein weißes, ganz akkurates Tuch in meine Jacketttasche.

"Gehst du ..." Er unterbricht sich kurz selbst. "Gehst du etwa aus, Lionel?" Vater klingt ganz verwundert und er versucht es scheinbar nicht einmal, diese offensichtliche Verblüffung zu verbergen.

"Na ja", murmle ich leise und sehe auf die Spitzen meiner braunen Lederschuhe. "Mit Cate."

"Schick", sagt er, tritt noch näher an mich heran und zieht ein wenig an der Weste, in deren weißen Perlmutt-Knöpfen man sich fast spiegeln kann. "Was wollt ihr zusammen machen?"

"Nicht so wichtig."

Misstrauisch hebt er eine Braue.

"Glaub mir, in so einem Outfit gehen wir sicher nicht in einen Nachtclub oder einen Stripclub gehen."

"Und du bist auch sicher um zehn wieder zu Hause? Du weißt, Lio, deine Mutter reagiert allergisch darauf, wenn du dich nachts noch allein in der Weltgeschichte herumtreibst. Und du weißt ja, wer ihre schlechte Laune sich die ganze Nacht durch dann anhören darf."

Ich schnaube. "Du wolltest sie unbedingt heiraten." Mist, habe ich das wirklich gerade gesagt?

Vater starrt mich mit großen Augen an, dann lacht er. "Da hast du wohl recht, Lio. Aber ich meinte es ernst, sei um zehn wieder zu Hause."

"Natürlich Vater. Um zehn bin ich wieder zu Hause. Spätestens. Wahrscheinlich schon früher."

Zufrieden nickt er. "Hab Spaß."

"Den werde ich haben", entgegne ich und gehe zur Tür.

"Ach ja und Lio ..."

Ich drehe mich um. "Ja?"

Vater kommt lächelnd auf mich zu und schiebt sich zwischen mich und die Tür. "Keine Krawatte?"

"Ähm ... nein. Wieso?"

Das Lächeln auf seinen Lippen wird breiter und seine Mundwinkel legen sich in tiefe Grübchen. Es kommt nur recht selten vor, dass ich dieses Lächeln zu Gesicht bekomme. Dieses auf der einen Seite stolze und auf der anderen Seite neckende Lächeln. "Na ja ... deine Mutter mochte es früher immer, mich an der Krawatte an sich zu ziehen, wenn sie mich küssen wollte. Vielleicht steht deine Cate ja auch auf Krawatten."

Meine Cate? Wenn er wüsste ... "Nein, das glaube ich nicht, Vater."

"Dann lass doch wenigstens deine Weste da", sagt er und löst schon den ersten Knopf an meiner Brust, als ich ihn zurückhalte. "Glaub mir, es ist attraktiv, wenn man etwas hat, das man sich gegenseitig ausziehen kann, aber wenn man stundenlang nur damit beschäftigt ist, irgendwelche Knöpfe zu öffnen, dann verbraucht man für die falsche Tätigkeit die ganze Energie."

Das hat er gerade nicht ernsthaft gesagt! "Vater", zische ich und wende mich von ihm ab.

"Bei so etwas kannst du mir ruhig glauben, denn was das angeht habe ich viel Erfahrung, mein Lieber."

Okay. Definitiv Zeit endlich die Mücke zu machen ... "Ich muss dann los. Ich habe ihr versprochen, pünktlich um sechs da zu sein."

"So, so." Bedeutungsvoll lächelt er. "Viel Vergnügen und erzähl mir danach alles!"

Ich nicke, dann drücke ich mich an ihm vorbei und husche auf den menschenleeren Flur.  


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Ob Lio's Outfit Cateynn gefällt? Und was hat er wohl mit ihr vor? 

Fortsetzung folgt ... <3 

Cate und Lio - Mädchen kämpfen, Prinzen nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt