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Der Flur ist gewohnt kühl und meine Schritte hallen laut in der gewaltigen Eingangshalle. Cate sieht sich um, fasziniert wie ein kleines Kind an der Fensterscheibe eines Spielwarenladens.

"Hier wohnst du also", wispert sie. Die vier Worte kommen ihr fast schon andächtig von den Lippen. "Wow."

"Ja, hier wohne ich", bestätige ich und krampfe meine Hand in den Stoff meines Anzugs. Wie ich Familienessen hasse ... Die ganze Zeit über werden sich alle streiten. Ich will nicht, dass Cate das mitmachen muss, aber Vater hat mir ja gesagt, was passiert, sollte ich sie nicht mitbringen. Den Gedanken an meinen Vater vertreibe ich schnell wieder, schüttle nur den Kopf.

"Sei nicht so steif", tadelt sie mich und löst einen Finger nach dem anderen aus dem Saum meines Hemds.

"Sei du nicht so locker", entgegne ich.

"Du willst also heute den Ton angeben?", fragt sie und sieht zu mir auf. Belustigung glitzert in ihren Augen. Noch.

"Glaub mir, später wirst du froh darüber sein, dass ich den Ton angebe." Mit diesen Worten umfasse ich ihre Taille, ziehe sie fester an mich und hauche ihr einen Kuss auf die Wange. "Nimm die Schultern ein wenig zurück und strecke die Brust raus."

Vorsichtig fahre ich von meinem Dekolletee hinab bis zu meinem Bauch, streiche behutsam darüber.

"Willst du mit dieser Geste etwa gerade andeuten, dass ich dick bin?"

Lachend schüttle ich den Kopf. „Dick? Ich bin schon froh, wenn du überhaupt etwas isst." Mit diesen Worten bleibe ich abrupt vor einer Tür stehen. "Hinter dieser Tür befinden sich meine Eltern und meine Großtante", murmle ich. "Das Essen beginnt allerdings erst in einer viertel Stunde", erkläre ich mit dem Blick auf eine riesige Wanduhr. "Hättest du vielleicht Lust ... mein Zimmer zu sehen, wo ich doch schon deines kenne?"

Heftig nickt sie. "Klar doch."

Dass sie so gelassen bleibt, lässt mich erleichtert aufatmen. Die ganze Situation gefällt mir nicht. Nicht, weil Cate da ist, sondern weil ich weiß, dass dieser Abend ganz und gar nicht glatt laufen wird. Es kann einfach nicht gutgehen, schließlich ist es meine Familie und nicht irgendeine gewöhnliche, die sich im benachbarten Raum befindet. "Gut, dann hier entlang." Ich zeige den Flur entlang.


Die Tür springt mit einem leichten Knarzen auf, als ich die Klinke herunterdrücke. "Sieh dich ruhig um", sage ich und weise in den Raum hinein. "Es ist nichts Besonderes. Ein Zimmer wie jedes andere in diesem Schloss."

Cates Kinnlade klappt herunter, sie tritt ein, sieht sich um, sieht zu mir, fassungslos, ungläubig. Oh je. Was wohl gerade in ihrem Kopf vor sich geht? Will ich das überhaupt wissen? Ich versuche, mir vorzustellen, ich würde das Zimmer zum ersten Mal sehen. Was würde ich wohl denken? Mein Blick schweift über das große Doppelbett, den massiven, aus Kirschholz gefertigten Schreibtisch, den gewaltigen Kleiderschrank, der einen kleinen Spalt breit offensteht. Langsam geht sie auf ihn zu, öffnet ihn, zieht einen Anzug heraus, hängt ihn wieder sorgfältig hinein, zieht einen anderen Anzug heraus, betrachtet ihn, hängt ihn wieder hinein.

Ich beobachte sie dabei, beobachte jede auch so kleine Bewegung genau, verfolge ihre Finger förmlich mit meinen Augen. Eindringlich.

"Es ist so ... groß", murmelt sie, als sie den Schrank schließt, zu meinem Bett geht und über die faltenlose Tagesdecke streicht. "Und so ordentlich. Müsste ich mehr als nur zwei, vielleicht auch drei Stunden in meinem Zimmer herumsitzen, wäre es noch unaufgeräumter als es sowieso schon ist."

Zwei Stunden? Wenn sie wüsste, wie viele Stunden ich schon eingesperrt in diesem verdammten Raum verbracht habe. "Gefällt dir das Zimmer?"

"Ja", antwortet sie und sieht sich weiterhin um. "Nur eine Frage hätte ich noch." Sie blickt mich an. Ich mache mich innerlich schon auf eine außergewöhnliche Frage gefasst. "Wo sind deine privaten Dinge?"

"Was meinst du damit?", frage ich und lege den Kopf verwirrt ein wenig schief.

"Was ich damit meine", hakt sie fassungslos nach. "So etwas wie ..." Ihr scheint offensichtlich selbst kein Beispiel einzufallen. „... private Dinge eben, Dinge, die niemand außer dir zu Gesicht bekommen soll." Erwartungsvoll sieht er mich an. "Oder hat man solche Geheimnisse als Prinz etwa nicht?"

Noch bevor ich antworten kann, höre ich seine Stimme. Seine laute, ohrenbetäubende Stimme. Vater. "Lionel! Lionel wo steckst du?"

"Vater", murmle ich, fast schon ein bisschen froh darüber. Doch ich weiß, dass Cate spätestens nach dem Essen eine Antwort auf ihre Frage verlangen wird. "Wir müssen los, Cate." Ich öffne die Tür, bugsiere sie auf den Flur. Ich habe ihr tatsächlich mein Zimmer gezeigt. Nun werde ich sie meiner Familie vorstellen und sie wird mit uns gemeinsam essen. Die ganze Situation ist mir fremd.

Und noch immer weiß ich nicht, was ich von all dem halten soll.


Hi, tut mir echt leid, dass es so lang gedauert hat, bis ich wieder ein Kapitel hochgeladen habe. In letzter Zeit war einfach zu viel los bei mir. Sorry deshalb. Ich hoffe, dir gefällt das Kapitel. Wenn ja, dann lass doch einen Kommentar oder ein Sternchen da. Darüber würde ich mich sehr freuen.

Cate ist im Schloss, wie lang das wohl gutgehen wird?

Fortsetzung folgt ... <3


Cate und Lio - Mädchen kämpfen, Prinzen nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt