Cate und Lio - Mädchen kämpfen, Prinzen nicht

45 Cate

Mein Puls rast, als ich mit ihm an meiner Seite durch das Schloss gehe. Eigentlich müsste er derjenige sein, der gelassen ist, schließlich wohnt er hier. Aber das ist er nicht. Seine Finger krampfen sich wie vorhin schon angespannt in den Saum seines Hemds. Ich mache es mir zur Aufgabe, ihn den Abend über zu entspannen und ihm keinen Grund zur Aufregung geben. Wie würde ich mich wohl fühlen, würde er mit mir und meinem Vater essen gehen?

Wahrscheinlich kann er sich gar nicht vorstellen, wie aufgeregt ich bin, was das Kennenlernen seiner Eltern angeht, die die Arbeitgeber meines Vaters sind. Ich frage mich, wer die Menschen sind, die Lio zu Lio gemacht haben, zu dem Jungen, den ich liebe.

Wieder kommen wir zu der Tür, an der er vorhin halt gemacht und mich dazu überredet hat, erst in sein Zimmer zu gehen.

"Bereit?", fragt er und sieht mich vorsichtig an. Ganz blass ist er. Vor Aufregung? Vermutlich.

"Bereit", bestätige ich und er drückt die Klinke herunter.

Als wir den Raum betreten, blicke ich in drei Augenpaare, die mich kritisch mustern. Eines gehört zu einer elegant gekleideten Dame. Ihre Haare hat sie kunstvoll hochgesteckt und eine große, schwere Kette aus Perlen und Diamanten hängt um ihren zierlichen Hals. Ein Mann sitzt an ihrer Seite. Ernst sieht er drein. Zu ernst für meinen Geschmack. Sein Blick wandert prüfend an mir herab als suche er nach einem Fehler. Ganz so als wäre ich eine Ware, ein Artikel, den man umtauschen kann, sollte er nicht gefallen.

Am liebsten würde ich den Mund verziehen, doch ich hüte mich davor. Ich will Lio den Abend nicht ruinieren.

Eine zweite Dame sitzt an der anderen Seite des Mannes. Sie hat ihre Haare zu einem strengen Knoten gebunden, kein einziges Haar steht ab, alles sitzt an seinem Platz. Ihre Mundwinkel zucken, als sie mich betrachtet. Begeistert scheint sie nicht wirklich über mich. Doch sie hat seine Augen. Lios Augen. Sie sind genauso stechend blau wie seine, genauso leuchten sie wie zwei funkelnde Sterne.

Der Mann erhebt sich, die beiden Frauen tun es ihm gleich. "Du musst wohl Catelynn sein." Er macht einen großen Schritt auf mich zu. Ich mache einen Knicks. Früher hatte ich Dad immer böse angesehen, wenn er mir solche, wie ich sie damals nannte "Kunststücke" beibrachte, doch inzwischen bin ich froh darüber, dass er sich damals durchsetzen konnte.

"Oh ja, das bin ich", sage ich rasch.

Die Frau mit dem strengen Knoten betrachtet mich bloß, sagt nichts.

"Ich hoffe, Lio hat dir nicht allzu schlimme Geschichten über seine Familie erzählt?"

Hastig schüttle ich den Kopf. "Nein, das hat er nicht."

Kurz wird es still in dem gewaltigen Raum, der sicher so groß wie unser gesamtes Erdgeschoss ist. Unheimlich still. Ich sehe mich in dem Raum um, betrachte die Gemälde, die an den Wänden hängen.

"Und du bist Lios Freundin?", fragt die Dame mit der schweren Kette um den Hals und ich nicke.

"Scheint ganz so", murmle ich.

"Sehr schön, ich dachte schon, mein Lieblingsneffe würde nie eine Frau finden." Die Frau geht zu Lio, kneift ihn in die Wange. "Bist wohl doch schon ganz groß geworden. Zu schnell zu groß."

"Tante Ophelia", stöhnt Lio und schiebt ihre Finger aus seinem Gesicht. "Nur weil sie meine Freundin ist, heißt das nicht, dass ich sie gleich heiraten werde."

"Aber bald, nicht wahr?", hakt sie nach.

Wieder stöhnt Lio. Seine Familie nervt ihn schon jetzt, das sehe ich ihm sofort an. "Wir werden sehen, Tante Ophelia."

Bedächtigen Schrittes kommt die andere Frau auf mich zu. Schon von weitem kriecht mir der dominante Geruch nach Parfum in die Nase. Herb und blumig. Kein sonderlich lieblicher Duft. Erst jetzt bemerke ich das kleine Diadem in ihrem Haar. Dann muss diese Frau tatsächlich die Königin sein. Lios Mutter. "Du hast meinen Sohn verändert, seitdem ihr euch kennt", murmelt sie so leise, dass es wahrscheinlich nur Lio und ich hören können. "Ob ich dir dafür dankbar sein soll oder nicht, werden wir noch sehen." Schon jetzt weiß ich, dass die Königin und ich sicherlich nicht die besten Freundinnen werden.

Wieder wird es still in dem Raum. Zu still. Der König räuspert sich. "Setz dich doch, Catelynn. Das Essen ist bereits fertig."

Ich nehme auf dem Stuhl neben Lio Platz. Noch nie zuvor habe ich mich nach nicht einmal ganzen fünf Minuten so fehl am Platz gefühlt ...  

Hi, ich hoffe, dir gefällt das neue Kapitel. Wenn ja, freue ich mich über einen Stern. 

Ob Cate den Rest des Essens wohl überstehen wird? Mal sehen ... 

Fortsetzung folgt ... <3