Es war das vierte Mal, dass sich Luana und Ragnar nach Wolfsmond begaben. Eigentlich erwarteten beiden nicht, noch mehr Leute zu finden. Die anderen Trupps hatten einige Überlebende ausfindig machen können, doch soweit sie erzählt hatten, waren die Lager aller Rudel zerstört.
Nachdenklich schnupperte Luana in der Luft, während der Wind durch ihre dichtes Fell wehte. Es war schon lange her, dass sie als Wolf durch die Wälder gestreift war, doch Ragnar hatte Recht: Es war so viel leichter Spuren aufzunehmen, wenn sie in ihrer Wolfsform waren.
Ragnar war dicht an ihrer Seite, sodass sie seinen warmen Atem spüren konnte, als sich beide hinter einen Busch hockten, um die Lichtung zu betrachten. Obwohl sie nicht glaubten, dass hier jemand war, wollten sie doch so vorsichtig wie möglich sein.
"Da sind frische Spuren", flüsterte Ragnar, der angespannt klang.
Luana folgte seiner leichten Deutung und bemerkte ebenfalls etwas im Waldboden. Hier war er nicht so verbrannt wie an den Stellen, wo die Rudel gelebt hatten. Daher erkannte man auch Furchen, die aussahen, als hätte man etwas weggezogen.
Luana spannte sich an. Das war nicht gut. Sie sahen noch recht frisch aus, denn es hatte erst vor wenigen Stunden geregnet. "Was machen wir?", wollte sie leise wissen.
"Folgen wir den Spuren und hoffen, dass es nicht so viele sind und wir sie überraschen können", schlug Ragnar vor, der angespannt wirkte. Er schien jedoch auch nicht umkehren zu wollen. Luana verstand das durchaus. Sie wollte auch niemanden zurücklassen. Vielleicht hatten die Jäger jemanden gefangen, den sie befreien konnten.
Ragnar ging vor und Luana folgte, während sie sich genau umsah. Es war wichtig, dass niemand sie bemerkte. Was, wenn es mehr als die üblichen zwei bis drei Jäger waren?
Luana war so sehr auf die Umgebung in Ragnars Rücken konzentriert, dass sie leise quietschte, als dieser sie packte, ihr den Mund zuhielt und mit dem Kinn nach vorne deutete.
Luana folgte seinen Blick und wurde weiß im Gesicht. Das war nicht gut. Das waren nicht nur zwei oder drei Jäger. Das waren bestimmt fünfzehn, wenn nicht sogar mehr.
Luanas Herz klopfte heftig, da sie nicht wusste, was sie machen sollte. Die Jäger hatten niemanden bei sich, weshalb sie umkehren konnten. Es gab niemanden zu retten und es wäre dumm, sich in Gefahr zu begeben.
Ragnar schien es ähnlich zu sehen, denn er deutete mit seinem Kopf nach hinten.
Langsam setzten sie sich rückwärts in Bewegung, während sie die Jäger, die kräftig gebaut und von Narben übersät waren, nicht aus den Augen ließen.
Ein Fehler, wie sich herausstellte, als Luana hinter sich ein Geräusch wahrnahm.
Bevor sie richtig reagieren konnte, hatte Ragnar sein Schwert gezogen und damit einen Angriff auf sie abgewehrt.
Das Geräusch von Metall auf Metall klang in Luanas Ohren so unglaublich laut, dass es niemand überhören konnte. Auch dir anderen Jäger nicht.
Ragner nutzte seine Kraft und drückte den Angreifer Weg, um ihnen Platz zu machen. Dann griff er nach Luans Hand, bevor er sie mit sich zu.
Diese stolperte hinterher, verstand aber den Plan. Sie zogen sich zurück. Allerdings wurden sie auch verfolgt. Nicht nur der Jäger bei ihnen war ihnen dicht im Nacken. Auch die anderen hatten sie bemerkt. Sie zeigten es mit einem Pfeilhagel, den sie nicht ganz ausweichen konnten.
Ein Pfeil bohrte sich in Ragnars Schulter, doch er blieb nicht stehen.
Auch Luana hielt nicht an, als ein Pfeil ihren Arm und kurz darauf ihre Seite streifte. Wenn sie jetzt stehenbleiben, waren sie tot.
Plötzlich packte Ragnar Luana und warf sie förmlich zur Seite.
Luana schnappte nach Luft, drehte sich um Flug und bemerkte, wie Ragnar von zwei Pfeilen getroffen wurde, bevor sie einen dritten mit dem Schwert abwehrte. Dann krachte Luana zu Boden, rollte sich zur Seite und sprang auf. Sie wollte zurückrennen, wurde jedoch von zwei Jägern mit Speeren umringt.
Ihr Atem wurde schneller. Das war doch nicht wahr!
Obwohl Luana keine Kämpferin war, zog sie ihre Waffe. Es war ein Stab, den sie zusammenstecken konnte und der dann mit Magie verstärkt war. Damit war sie in der Lage, sich Gegner vom Hals zu halten. Allerdings hatte sie dadurch jetzt nicht den großen Vorteil, denn die Gegner nutzten ebenfalls Speere.
Einer der Männer, der eine Glatze trug, auf der eine Narbe prangte, lachte rau. "Sieh an, das kleine Ding will doch tatsächlich Ärger machen", sagte er herablassend, was seinem Kumpel ebenfalls lachen ließ. Er wirkte zwar weniger stämmig als der Glatzköpfige, doch dafür sehr wendig und erfahren.
Luana schluckte. Wie sollte sie hier denn wieder rauskommen?
Für einen kurzen Moment ließ sie ihren Blick zu Ragnar wandern. Dieser war in den Kampf mit drei weiteren Jägern verwickelt und würde ihr nicht so schnell helfen können. Wenn überhaupt.
Sie konnte sich also nicht darauf verlassen, gerettet zu werden, sondern musste selbst handeln.
Nur fiel es ihr so schwer, jemanden zu verletzen.
Luana ließ ihren Blick zwischen den beiden Männern hin und her wandern. Dann stampfte sie leicht mit dem Fuß auf und von dieser Stelle breitete sich Eis auf dem Boden auf.
Wie Luana erhofft hatte, brachte es die beiden Männer aus dem Konzept. Sie schienen nicht damit gerechnet zu haben, dass sie Magie beherrschte. Das war gut.
Luana, die es gewohnt war, auf Eis zu laufen, weil sie es in Yama viel übten, stürmte vor und schlug beiden die Speere aus den Händen. Das funktionierte jedoch nur bei einem. Als der Speer zu Boden fiel, wurde er von einer Schicht Eis überzogen, damit er nicht so schnell wieder aufgehoben werden konnte.
"Biest", knurrte der Glatzkopf, der noch immer seinen Speer hielt.
Der drahtige Mann, der keine Waffe mehr hatte, wollte Luana nun von der Seite packen, doch diese rammte ihm ihren Stab in den Bauch. Damit hatte sie ein paar Sekunden, die jedoch sofort wieder von dem Glatzkopf in Beschlag genommen wurden. Nur knapp schaffte sie es, dem Speerangriff auszuweichen. Dieser schnitt ihre Kleidung auf und hinterließ eine Schnittwunde an ihrer rechten Hüfte, die jedoch fast sofort wieder heilte.
Luanas Atem ging schwerer, doch sie erinnerte sich an die Worte ihrer Mentorin. Heiler waren nicht für den Kampf ausgelegt, besaßen aber einen Vorteil. Das Wissen über den Körper.
Wenn Luana also die richtigen Stellen traf, dazu Magie nutzte, könnte sie die Männer bewegungsunfähig machen. Zumindest so die Theorie.
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Luana-Tochter des Mondes (Leseprobe)
Hombres LoboBEENDET Als die Werwölfin Luana im Dunkelwald einen fremden Mann findet, der ganz eindeutig nicht zu ihrem Rudel gehört, beginnt für sie eine Reise, die ihr einiges abverlangt. Sie deckt das Geheimnis ihres Rudels auf und alles, was sie kennt, brich...