Kapitel 16

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Kapitel 16

Nachdem sich Luana ordentlich gewaschen hatte und auch Sienna dabei geholfen hatte, stieg sie aus der Wanne und nahm sich ein Handtuch, um sich abzurechnen. Dann reichte sie eines an die Rothaarige. Diese sah ein bisschen besser aus als das letzte Mal wo Luana die gesehen hatte. Nicht mehr so abgemagert und heruntergekommen. Ihre roten Haare waren sogar sehr schön gepflegt. In dem Kleid, das im Zimmer für sie bereitlag, sah sie sogar sehr edel aus. Fast wie eine Adelsdame. Das verwirrte Luana.

War sie nicht genauso eine Sklavin wie sie? Oder gab es Ränge unter den Sklaven? Hatte sie sich in den wenigen Tagen bereits hochgearbeitet? Luana wusste es nicht, denn das Konzept hier war ihr völlig neu.

"Was ist mit dem da?", fragte Luana zögerlich und deutete auf die Seile und den Knebel. Sie hatte keine Ahnung, was von ihr erwartet wurde.

Sienna seufzte. "Solange wir uns hier bewegen, darf ich frei sein", erklärte sie leise. "Nur außerhalb, wo die Gefahr besteht, dass ich entwischen kann, fesselt er mich", sagte sie, bevor sie frustriert seufzte. "Oder als Strafe", gab sie grummelnd zu.

"Hat er denn keine Angst, dass du von hier fliehst?", wollte Luana verwirrt wissen.

Sienna schüttelte den Kopf. "Es ist unmöglich von diesem Grundstück zu kommen. Ich habe es versucht", knurrte sie leise.

"Was ist passiert?", fragte Luana, deren Herz begann, heftig zu klopfen. Sie hatte wirklich gehofft, dass es leichter wäre, sobald sie hier war. Sie hatte irgendwie damit gerechnet, dass es so viele Sklaven gab, dass er nicht alle im Blick haben konnte.

"Ein Schild. Es fasst das gesamte Grundstück ein", erklärte Sienna leise knurrend. "Man sieht es nicht, stößt aber dagegen und bekommt einen magischen Schlag", erzählte sie, wobei Luana sehen konnte, das sie Gänsehaut bekam. Sie rieb sich sogar die Arme. Wahrscheinlich, um sich selbst zu beruhigen. "Und dann wird man bestraft."

Luana schluckte. "Das klingt gar nicht gut", gab sie widerwillig zu. Vielleicht hatte sie sich wirklich sehr verschätzt. Wahrscheinlich kam sie hier allein gar nicht raus. Aber wer würde sie retten? Ihr Bruder hatte sie erst in diese Situation gebracht. Ihr Rudel wusste nicht, wo sie war und Ragnar war wahrscheinlich selbst in Gefangenschaft.

Luanas Aussicht auf Flucht schwand immer weiter, weshalb sie versuchte, sich irgendwie von diesem Gefühl, das in ihr aufstieg, abzulenken. "Was wird von mir erwartet?", fragte sie mit belegter Stimme und konnte nicht vermeiden, dass man ihrer Stimme anhörte, wie niedergeschlagen sie war.

"Wenn ich das richtig verstanden habe, sollst du einfach nur bei mir bleiben. Keine Ahnung. Amon war nicht sehr deutlich", meinte Sienna mit einem schiefen Lächeln.

Überrascht, dass Sienna ihn nur Amon nannte, ließ sie die Stirn runzeln. "Du sagtest, er ist der Herrscher über dieses Gebiet", bemerkte sie nachdenklich. "Dann hat er doch viel zu tun, oder?"

Sienna blickte sie fragend an. "Ja, schon, warum?", wollte sie wissen und schien Luanas Gedanken nicht folgen zu können.

"Wenn er unterwegs ist oder so, könnte man doch versuchen ...", begann sie, doch Sienna schüttelte den Kopf.

"Der Schild", unterbrach die Itari sie, was Luana seufzen ließ. Sie hatte gehofft, dass der Schild dann vielleicht schwächer war.

"Also wäre es nur möglich, wenn man bei ihm ist?", fragte sie zögerlich. Dann könnten sie leichter fliehen.

"Ja, das wäre möglich", sagte Sienna langsam, bevor sie sich zögerlich umsah und dann zu Luana trat, um ihr ins Ohr zu flüstern: "Du musst mir helfen. Ich will, dass er mir vertraut."

Diese Worte überraschten Luana, doch sie verstand den Sinn. Wenn der Vampir ihr vertraute, würde er sie vielleicht mitnehmen und dabei nicht mehr fesseln. Das würde ihre Gelegenheiten steigern, bei denen sie flüchten konnte.

"In Ordnung. Wie machen wir das?", fragte Luana, die sich noch unschlüssig war.

Sienna seufzte leise. "Keine Ahnung, ich dachte, ich kann ihn dazu bringen, sich in mich zu verlieben", sagte sie mit einem schiefen Lächeln und irgendwie unschlüssig.

Luana hob die Augenbraue. Ob das so eine gute Idee war? Sie wagte es zu bezweifeln. Irgendwie konnte das nur schiefgehen, doch vielleicht war das ihre einzige Möglichkeit. Wenn Amon wirklich Gefühle für sie entwickelte, sofern er das konnte, würde er sie wohl auch besser behandeln. Hoffte Luana zumindest.

"Was ist eigentlich deine Aufgabe hier?", fragte Luana, die sich sehr darüber wunderte, dass der Vampirfürst für Sienna ein Dienstmädchen besorgt hatte. Zumindest hatte sie ihre Rolle so aufgefasst.

Sienna seufzte und fuhr sich durch ihr leicht nasses, rotes Haar. "Ich bin für seine Unterhaltung hier", grummelte sie. "Als Itari kann er mein Blut trinken und auch, wie er selbst sagt, seine Familie erweitern."

Luana musste diese Worte erst einmal verdauen. "Du sollst ihm Kinder schenken?", fragte sie entsetzt.

Sienna ließ die Schultern hängen. "Ja. Aber Vampire und auch Itaris sind nicht so fruchtbar, darum hat er auch noch keine Kinder. Itaris an sich sind fruchtbarer als Vampire, aber trotzdem rechnet man mit einem Kind alle einhundert Jahre", begann Sienna zu erklären.

Luana ließ sich das durch den Kopf gehen. Bei den Werwölfen war das ganz anders. Diese waren viel fruchtbarer.

"Ich habe die Hoffnung, dass er mit den Frauen, die ihm Kinder schenken, gut umgeht", meinte Sienna zögerlich. "Vielleicht ... Bleibe ich dann auch hier", gestand sie und senkte den Blick. "Für mich gibt es sowieso keinen anderen Ort, an dem ich auch nur halbwegs sicher wäre."

"Wieso das?", fragte Luana alarmiert. Sie verstand nicht, warum Sienna ein Leben als Sklavin vorzog. Wollte nicht jeder frei sein.

Ein trauriges Lächeln erschien auf ihren Lippen. "Ich bin in Gefangenschaft geboren", gestand sie zögerlich. "Meine Mutter ist in der Zeit geboren, in dem die Vampire die Herrschaft an sich gerissen und die Itaris versklavt haben. Weißt du, nachdem die Lycaner und Werwölfe Yama verlassen haben, waren die Itaris in der Unterzahl. Die Vampire nutzten die Möglichkeit und haben die Macht ergriffen und alle versklavt. Es gibt keine freien Itaris mehr."

Luana brauchte einen Moment, um diese Informationen zu verarbeiten. Das war heftig und damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet. "Du könntest, mit zu mir kommen", schlug sie unsicher vor. Aber waren sie auf ihrem Planeten wirklich sicher? Auf Wolfsmond schien auch einiges nicht so zu funktionieren, wie es sollte. Immerhin hatte ihr Bruder sie als Sklavin verkauft. Was, wenn die Vampire sich irgendwann entschieden, dass sie neue Sklaven brauchten und über die Portale in Wolfsmond einfielen?

Sienna lächelte dankbar, aber traurig. "Wenn ich das tue, bringe ich euch nur in Gefahr", sagte sie entschuldigend. "Die Vampire geben uns nicht die Möglichkeit, uns unkontrolliert auszubreiten. Sie befürchten, dass wir zurückschlagen."

Das konnte Luana irgendwie verstehen, wusste jedoch nicht, wie sie Sienna helfen sollte. Daher nahm sie diese sanft in den Arm. "Es tut mir leid, ich würde gern etwas für dich tun." So, wie sie auch Luana irgendwie geholfen hatte.

Luana-Tochter des Mondes (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt