Dreiundzwanzig - STEVEN

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„Guten Tag, dies ist der Anrufbeantworter von-"
Gereizt lege ich auf, da ich schon fünfmal eine Voicemail hinterlassen habe, und schmeiße das Handy durch mein Zimmer. Ein frustrierter lauter Schrei kommt aus mir heraus und entsetzliche Wut steigt in mir auf. Ich schlage gegen die Wand.

Wieso? Wieso musste sie ausgerechnet das hören?
Nach einer Weile lasse ich die Wand in Ruhe und schaue mir meine roten Knöchel an. Kopfschüttelnd fahre ich durch das Gesicht, bis meine Hände in meinen zerzausten Haaren fassen. Die Tür geht auf und Anna kommt herein, die ihr Handy am Ohr hält.

„Ja, alles klar. Okay, pass gut auf sie auf. Okay. Tschau.", sagt sie mit sanfter Stimme und legt auf. Eine Weile starrt sie auf ihr Handy, was sich für mich wie Stunden anfühlt, weil ich wissen möchte, wo Lisa steckt.

Endlich schaut Anna auf und blickt mich emotionslos an. „Lisa geht es gut. Sie ist bei Sarah und bleibt da ein paar Tage."

Eine Last fällt mir von den Schultern ab und ich lasse die Hände an meinem Körper entlang gleiten, bis meine Arme einfach nur hängen. Lisa geht es gut. Sie ist in Sicherheit.

„Ich muss zu ihr.", beschließe ich, ohne großartig nachzudenken, und möchte aus meinem Zimmer gehen. Jedoch versperrt Anna, die im Türrahmen steht, mir den Weg. „Anna, bitte mach' Platz."

„Nein!", reagiert sie direkt energisch, wobei sie ihre Augen ein wenig zukneift und ihre Augenbrauen zusammentreffen. „Du lässt sie jetzt so lange in Ruhe, bis sie eigenständig wieder kommt und mit dir reden möchte."

„Anna, ich muss mit ihr sprechen! Ich muss es ihr erklär-"

„Hör' mir zu, Steven.", unterbricht sie und zeigt mit dem Finger auf mich. „Ich dachte, du wärst gut für Lisa, aber da habe ich mich anscheinend getäuscht und solange sich ihre ansichtsweise dir gegenüber nicht geändert hat, wird sich bei mir auch nichts regen."

„Komm' schon, ich-"

„Du hast meine beste Freundin verletzt, Steven!", schreit sie mich an. Die plötzliche Gewalt ihrer Stimme hat uns beide überrascht. Sie räuspert sich und fährt fort, „Das geht auch nicht an mir spurlos vorbei." Kopfschüttelnd entfernt sie sich ein paar Schritte von mir. „Wenn sie dir wirklich etwas bedeutet, dann solltest du sie in Ruhe lassen."
Wie gebannt bleibe ich im Türrahmen stehen, während Anna in ihr Zimmer geht und die Tür zuknallt. In Ordnung, ich lasse Lisa in Ruhe, wenn das im Moment der einzige Weg ist, sie wiederzubekommen, aber ich kann hier nicht einfach rumhocken. Ich muss diese Unruhe loswerden. Ich schnappe mir meine Tasche fürs Fitnessstudio und verziehe mich.

...

Mein Alltag besteht nun nur noch aus Arbeit, Fitnessstudio, Lisa anrufen oder schreiben und mich im Bett herumrollen. Es sind nun schon siebe Tage vergangen. Eine ganze Woche. Ich halte es nicht mehr aus. Ich halte es nicht aus sie nicht zu sehen, vor allem mit dem Gewissen, dass sie eine Version von mir im Kopf hat, die so gar nicht stimmt.

Ja, mein ursprünglicher Plan war es, mal mit ihr zu schlafen. Das hat sich aber geändert, als ich auf einmal begonnen habe, sie in einem anderen Licht zusehen. Als ich angefangen habe, Gefühle für sie zu entwickeln. Fuck! Ich habe Gefühle für diese Frau, die mich wahrscheinlich nun hasst.

Der Regen peitscht gegen das Fenster und zum wiederholten Mal rolle ich von meiner rechten auf meine linke Seite. Es ist bereits 15 Uhr, aber ich habe das Bett heute noch nicht verlassen. Es fehlt mir jegliche Motivation, doch mein grummelnder Magen geht mir ziemlich auf die Nerven, weshalb ich schließlich aufstehe, wobei mein Schädel pocht. Ich greife mit einer Hand an den Kopf und trete aus meinem Zimmer. Der lichtdurchflutete Flur tut mir in den Augen weh und ich ziehe sie zu einem Schlitz zusammen. Mit kleinen Schritten bewege ich mich und blicke auf Lisas Zimmertür, die offen steht. Ich erkenne Lisas Kommode, auf der sich ungewöhnliche Leere befindet. Darauf liegt sonst immer jeglicher Kram von ihr. Dazu sind noch ein paar Schubladen auf, die komplett leer sind. Skeptisch trete ich an ihr Zimmer heran.

Die MitbewohnerkatastropheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt