Zwölf - STEVEN

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„Was war denn mit der gerade los?", hinterfragt Lukas das lustige Schauspiel, welches Lisa uns bis eben gegeben hat. Lächelnd schüttele ich den Kopf, wobei meine Augen immer noch auf die Tür gerichtet ist, durch die sie soeben verschwunden ist.

„Keine Ahnung."

Das Piepen des Backofens schwenkt meinen Blick weg von der Tür.

„Aber musstest du gerade wirklich mein T-Shirt hochziehen?", erkundige ich mich bei meinem besten Freund mit einem bissigen Unterton, während ich den Ofen ausstelle und Handschuhe für das heiße Backblech hole.

„Sag mal, seit wann stört es dich denn, wenn man deinen Oberkörper sieht? So viel ich weiß läufst du immer halbnackt durch die Gegend.", verteidigt er sein Handeln und schaut mich provozierend an. „Was ist denn los mit dir? Hat sie dich noch nie so gesehen? Das würde ich dir außerdem nicht glauben, bro. Ich kenne dich zu gut dafür."

„Natürlich hat sie mich schon so gesehen.", antworte ich direkt hinterher, wobei ich allerdings ein ich sie aber auch in meinen Gedanken hinzufüge. Dabei fällt mir wieder die Situation von vorhin ein, als ich in das Badezimmer kam und Lisa gebadet hat.

„Dude, pass auf!", reißt mich Lukas Stimme aus meiner Erinnerung. „Au! Scheiße ist das heiß." Sofort rennt er zum Wasserhahn und lässt kaltes Wasser über seine Hand laufen, nach dem er das Backblech mit mir auf die Küchentheke abgestellt hat. „Man, du hast fast unsere Pizza auf den Boden fallen lassen.", beschwert er sich.

„Ich, ähm...", total überfordert sehe ich einfach nur die Pizza an, doch diese verwandelt sich auf einmal in eine nackte Lisa, umhüllt mit überbackenem Käse. Schnell schüttele ich meinen Kopf und schließe die Augen. Als ich sie wieder öffne, bin ich froh, dass sich vor mir doch nur eine normale Pizza befindet.

Ein Stoß an der Seite macht mich weiter auf die Umgebung aufmerksam. Fragend sieht mich mein bester Freund an.

„Was?", reagiere ich etwas gereizt und ziehe mir die Ofenhandschuhe aus.

„Wie was? Ich frage dich die ganze Zeit, was los ist. Spuck es mal aus. Was spukt in deinem kleinen Erbsenhirn so rum?"

„Du hast ein kleines Erbsen Hirn.", kontere ich zurück, doch es hatte nicht so eine Wirkung, wie ich es gehofft habe. Überfordert streiche ich mit der rechten Hand über meinen Nacken. „Ich habe Lisa heute nackt gesehen."

„Wow, warte... was? Im ernst?", hakt Lukas nach und sieht mich mit großen Augen an. Verlegen nicke ich. „Du hast mit ihr geschlafen?"

„Nein!", kommt es mir sofort aus dem Mund und ich schüttele demonstrativ mit meinem Kopf. Mein Gesichtsausdruck wird ernst. „Und das werde ich auch nicht."

Um mich abzulenken, hole ich ein Messer und beginne die Pizza zu schneiden.

„Schalt' mal einen Gang zurück! Erstmal, warum hast du sie nackt gesehen? Hat es dich so abgeturnt, dass du sie nicht mehr flachlegen willst?"

Erneut huscht mir das Bild von Lisa in der Badewanne in den Kopf. Ob mich das abgeturnt hat? Nein! Definitiv nicht!

„Fuck!", rufe ich aus, als ich aus Versehen mit dem Messer in mein Finger geschnitten habe. Jetzt bin ich derjenige, der zum Wasserhahn läuft.

„Sie muss dich ja ganz schön um den Verstand gebracht haben.", äußert sich Lukas und überkreuzt seine Arme. Für diesen Satz kassiert er einen bösen Blick von mir.

„Sie war in der Badewanne, als ich ins Badezimmer gegangen bin, weshalb ich sie nackt gesehen habe. Ich möchte nicht mehr mit ihr schlafen, weil sie einen Freund hat, der ihr anscheinend sehr wichtig ist und ich möchte das Verhältnis mit ihr, was sowieso nicht das beste ist, und immer wieder bricht, nicht noch weiter nach unten ziehen, nur damit ich mit ihr einmal geschlafen habe.", erkläre ich ihm schnell in Kurzform, schalte den Wasserhahn aus und wickle ein Tuch um meinen leicht blutenden Finger. „Das war es auch schon."

„Jo, beruhig dich. Ich hab es verstanden, aber vorher waren dir die Gründe doch trotzdem egal. Dein Plan war es trotzdem mit ihr zu schlafen."

„Pläne ändern sich nun mal."

„Du verhältst dich wie eine zickiges sechsjähriges Mädchen. Bring deinen Verstand wieder zurück in deinen Männerkörper. Lisa scheint dir ja ganz schön den Kopf verdreht zu haben.", kommentiert er meine Bemerkungen und sieht mich skeptisch an.

Lukas letztem Satz muss ich allerdings widersprechen. „Sie hat meinen Kopf nicht verdreht. Sie bringt ihn zum explodieren, da sie große Stimmungsschwankungen hat."

„Dafür scheinst du dich aber schon ziemlich viel mit ihr beschäftigt zu haben."

Genervt rolle ich die Augen. „Halt das Maul und stopf dir die Pizza da rein.", ziehe ich nun endlich den Schlussstrich und halte ihm einen Teller hin, auf dem er sich die Pizza schiebt. Ich habe keine Nerven übrig, um mit ihm noch weiter über das Thema zu diskutieren.

Zu meinem Glück lässt er es wirklich mit dem reden und geht schmollend ins Wohnzimmer, wo er allerdings den kurzen Moment der wundervollen Stille zerbricht.

„Was gibt es eigentlich im Fernsehen?"

„Absoluter Mist! Sonntag Abends gibt es nur schieße im Fernsehen. Lass mal lieber Netflix anmachen.", antworte ich, während ich mit meinem Teller mit Pizza in den Raum laufe.

Als würde Lukas hier wohnen, schmeißt er sich wie selbstverständlich auf das Sofa, greift nach der Fernbedienung und ist im Null-Komma-Nichts bereits bei Netflix drin. Er fühlt sich einfach überall wie zu Hause.

Ohne es mit mir abzusprechen, macht er gleich schon eine Folge Brooklyn nine-nine an. Allerdings habe ich daran nichts auszusetzen.

Ich lasse mich ebenfalls aufs Sofa fallen und genieße die Pizza. Die ist aber auch viel zu lecker! Ich sollte aufhören, immer selber zu kochen.

„Was geht da jetzt eigentlich zwischen dir und Anna?", hake ich nach einer Weile nach, als meine Pizza schon aufgegessen ist.

Lukas hält in seiner Position inne, was auch ziemlich lustig aussieht, um ehrlich zu sein. Er wollte sich gerade sein letztes Stück Pizza in den Mund schieben, und hat diesen deshalb offen. Grinsend verkneife ich mir ein lautes Lachen. Endlich legt er das Stück wieder auf den Teller, schließt den Mund, räuspert sich und beginnt zu sprechen.

„Was soll da schon laufen?", versucht er lässig von sich zu geben, doch ich kann seine Anspannung deutlich erkennen.

„Bro, come on!"

„Wir haben nur ab und an Sex. Mehr ist da nicht.", erwidert er gereizt und schaut zum Fernseher.

Fassungslos von dieser zickigen Aussage schüttele ich leicht den Kopf und fokussiere mich ebenfalls auf den Fernseher. Wie theatralisch er doch sein kann.

Die MitbewohnerkatastropheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt