Prolog

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Ich stelle den Karton vor dem großen weißen Umzugswagen ab und wische mir mit meinem Handrücken den Schweiß von der Stirn ab. Das ist der Grund, weshalb ich nie mitten im Sommer umziehen würde. Ein Umzug ist schon anstrengend genug, da braucht man nicht noch die Sommerhitze dazu.

Allerdings konnte ich nicht bestimmen, wann Sarah auszieht. Ehrlich gesagt wünsche ich mir, dass sie hier wohnen bleibt. Sie war eine tolle Mitbewohnerin und es war schön, meine besten Freundinnen um mich herum zu haben.

„Lisa, kannst du mir helfen?", höre ich die Stimme von Anna, meine andere beste Freundin, und dritte Person im Bunde der WG. Schnell laufe ich zum Eingang, um die schwere Kiste mit ihr zum Transporter zu tragen.

„Danke, Mädels!", ruft Karl, Sarahs Verlobter, aus dem Wagen, während er uns den Karton abnimmt, als würde dieser nichts wiegen.

Sarah kommt zuletzt aus der Eingangstür. Sie trägt in der einen Hand ihre Nachttischlampe und in der anderen eine Transportbox, in der sich ihr grauer Kater Lou versteckt. Sie überreicht beide Sachen ihrem Verlobten und wendet sich dann an uns.

„War das alles?", hakt Anna nach.

„Ja. Mein Zimmer ist nun komplett leer." Ihre Stimme klingt ein wenig traurig, aber man hört deutlich heraus, wie sehr sie sich freut, dass sie mit ihrem Verlobten zusammenzieht. Die beiden sind schon seit der Highschool ein Paar und als wir die WG gegründet haben, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie schließlichzusammenziehen würden.

Wenn ich an unsere Mädelsabende denke, schleichen sich ein paar Tränen in meine Augen, die ich sofort weg blinzle. Es ist für mich nachvollziehbar, dass sie mit Karl zusammenziehen möchte, aber ich werde sie trotzdem total vermissen.

„Guckt doch nicht so.", sagt Sarah mitleidig und zieht ein schmollendes Gesicht. „Ich ziehe doch nur um. Wir können uns doch immer noch treffen und Mädelsabende veranstalten."

„Trotzdem wirst du fehlen.", erwidere ich, woraufhin sie ein paar Schritte nach vorne geht, um uns in eine Gruppenumarmung zu ziehen.

Eine Weile stehen wir so da, Arm in Arm, bis sich Karl räuspert. Einen Augenblick dauert es noch, bis wir schließlich auseinandergehen und die Tränen wegwischen.

„Sagt Bescheid, wenn alles eingeräumt ist und wir euch besuchen kommen können.", äußer sich Anna, als wir uns wieder gefasst haben.

„Das machen wir! Und Lisa? Schreib mir, wenn du in Washington angekommen bist und grüße meine Eltern von mir."

„Werde ich machen!", rufe ich ihr hinterher, da sie schon vorne in das Auto einsteigt.

Sarah und Karl knallen die Türen zu, und da springt bereits der Motor an. Anna und ich stehen auf dem Bürgersteig und winken den beiden hinterer, bis sie am Ende der Straße angelangt sind und abbiegen.

„Und schon ist sie weg." Ungläubig schüttelt Anna den Kopf. „Das ging mir jetzt doch zu schnell."

„Mir auch.", bestätige ich ihre Aussage.

„Wann musst du los?", fragt Anna und ich schaue auf mein Handy Display.

„Um ehrlich zu sein, genau jetzt."

Wir beide steigen die Treppe hoch zu unserer Wohnung, welche sich im dritten Stock befindet. Ich bewege mich zu meinem Zimmer, um den gepackten Koffer und die Handtasche zu holen. Noch einmal schaue ich durch den Raum, um vergewissert zu sein, dass auch alles Nötige eingepackt ist. Nickend rolle ich mit dem Koffer und der Tasche über meiner Schulter, in den Flur, wo Anna bereits wartet.

„Viel Spaß!", wünscht sie mir und schlingt ihre Arme fest um meinen Körper.

„Ich hoffe ich werde spaß haben. Immerhin ist es eine Fortbildung."

Wir trennen uns voneinander und Anna zuckt mit den Schultern. „Trotzdem. Und grüß Sarahs Eltern ebenfalls von mir. Vielleicht können sie mir auch einen gutbezahlten Job verpassen, so wie dir." Sie zwinkert mir zu, doch ich schaue sie skeptisch an.

„Du, Annabelle Giulia Marino, möchtest in einem Büro sitzen und von morgens bis abends arbeiten?"

„Es ging mir einfach nur ums Geld.", winkt sie ab und wir beide schmunzeln. Anna muss theoretisch ihr ganzes Leben lang nicht arbeiten, da ihre Eltern stein reich sind, aufgrund dessen, das ihnen in Italien ein berühmtes Restaurant gehört. Sie ist meine Mitbewohnerin, weil ihre Eltern ihr nur eine gewisse Summe Geld jeden Monat überweisen und sie so viel Geld wie möglich für jeglichen anderen Kram, als Miete, ausgeben möchte.

„Denk daran einen neue Mitbewohnerin zu finden!", erinnere ich sie, bevor ich aus der Tür stolziere. „Ich zähle auf dich!"

„Ja, werde ich." Genervt rollt meine braunhaarige Mitbewohnerin die Augen, aber mein Blick wird ernst.

„Vergiss nicht, wir suchen eine weibliche Mitbewohnerin, die nicht oft feiern geht, aber trotzdem gerne Mädelsabende mit macht. Und sie muss ordentlich sein. Hast du mich verstanden? Weiblich, nicht männlich. Will würde durchdrehen, wenn ein Mann hier Leben würde."

„Jaja, ich weiß, und jetzt mach dich auf den Weg nach Washington." Anna drängt mich wortwörtlich zur Tür, während ich ihr einen durchdringenden Blick zu werfe. Wir umarmen uns noch einmal, bis ich endlich die Treppen hinuntersteige und in mein Auto steige. Oh man, ich hoffe, Anna bekommt das mit der neuen Mitbewohnerin hin...

Die MitbewohnerkatastropheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt