Kapitel 9: Goheno nin

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Am nächsten Tag wurde Legolas von einer sanften Berührung geweckt. Er schreckte auf und zuckte leicht zurück, erkannte aber, dass es Estel war, der an seiner Bettkante saß.

„Estel... Was machst du hier?", fragte er mit müder Stimme und erhob sich, sodass er mit dem Rücken an das Kopfteil des Bettes gelehnt saß.

„Es ist fast Mittag und ich war besorgt, weil du noch nicht aufgestanden warst", kam die ruhige Antwort des Mannes, verbunden mit einem warmen Lächeln. Er musterte den Elben genauer und sah die tiefen violetten Furchen unter seinen Augen. Er wirkte erschöpft, in der Nacht schien er also nicht ausreichend Schlaf gefunden zu haben.

Estel nahm seine Hand und streichelte die weichen Gesichtszüge des Prinzen. Als dieser sich aber unter der Berührung anspannte, zog er seine Hand zurück.

Er blieb neben ihm sitzen, während Legolas alles tat, um den Augen des Mannes nicht zu begegnen. Der Prinz konnte ihn nicht ansehen, ohne daran zu denken, wie sehr er ihn doch liebte. In diesen mondgrauen Augen wirkte es, als könnten sie Aragorns Seele widerspiegeln und sie strahlten vor Wärme, Fürsorge und Zuneigung. Schließlich stieg er wortlos aus dem Bett und begann sich seine Tunika anzuziehen.

Estel hielt seinen Blick gesenkt und drehte sich zum Fenster. Als das Rascheln der Kleidung aufgehört hatte, schaute er wieder zu dem Elben.

„Legolas, etwas stimmt nicht und ich würde gern wissen, was es ist. Ist es... habe ich etwas falsch gemacht?", fragte der Mann und erinnerte sich an das mehrmalige Zurückzucken des Prinzen, wenn er ihn berührte.

Der blonde Elb drehte sich um und begegnete nun doch dem Blick der mondgrauen Augen. „Nein, nein auf keinen Fall, du hast nichts falsch gemacht", antwortete er schnell.

„Was ist es dann?", vergewisserte sich Estel und beobachtete die nervöse Miene seines Gegenübers, der seinen Kopf jetzt wieder senkte.

„Es ist... Estel, ich glaube ich..." Er wollte die folgenden Worte sagen, er wollte endlich sagen wie er sich fühlte, doch die Laute verließen nie seine Lippen.

„Ich... kann das nicht", beendete er schließlich und rannte aus dem Raum. Er bedauerte es, dass er sich nicht überwinden konnte. Aber selbst wenn er es tat, würde Estel versuchen ihn so höflich wie möglich zurückzuweisen und schon bei dem Gedanken daran brach Legolas' Herz.

Der Elb lief nach draußen in den Wald und ließ sich dort an einem der Bäume zu Boden sinken. „Goheno nin, Estel... (Es tut mir leid, Estel)", flüsterte er und lehnte seinen Kopf zurück gegen das harte Holz.

Erst etwas später bemerkte er, wie sich das Wetter verschlechterte. Man könnte fast meinen es wäre Nacht, so dunkel waren die Wolken, die sich vor die Sonne schoben. Es dauerte nicht lang, bis ein kalter Wind wehte und die ersten dicken Tropfen vom Himmel fielen. Nicht einmal das dichte Blätterdach konnte die Regenströmen abschirmen.

Legolas drückte sich näher an den Stamm und umklammerte seine Beine, aber der Regen traf ihn trotzdem. Er vergrub seinen Kopf zwischen seinen Knien und schloss seine Augen, während er spürte, wie seine Kleindung immer mehr durchnässt wurde.

Estel blieb verwundert im Zimmer zurück. Er wusste nicht, ob er dem Elben folgen, oder ihn doch besser allein lassen sollte. Aber Legolas' Verhalten ihm gegenüber ließ ihn sich für das Zweite entscheiden.

Es schien noch etwas zu geben, was er dem Mann nicht erzählt hatte, nur hatte dieser keine Ahnung, was es sein könnte. Er ging dann in das Zimmer, welches ihm gegeben wurde und begann die Bücher zu lesen, die Elrond ihm gestern gab.

Während er durch die alten Pergamentseiten blätterte, verfolgte er die Regentropfen, die sich an der Fensterscheibe ihren Weg nach unten bahnten. Er musste mehrmals über die Seiten lesen, sein Kopf schien das Geschriebene nicht aufzunehmen. Estel sah nur einen Wirrwarr aus Wörtern, der sich für ihn nicht zu Sätzen zusammenfügen wollten. Seine Gedanken schweifen immer wieder ab, er konnte sich nicht auf das Buch konzentrieren.

Licht meines Lebens | Aralas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt