Kapitel 5

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Scheiße, was war denn bitte in ihn gefahren?

Hatte Jimin ihm nicht den ganzen Tag damit in den Ohren gelegen, dass er auf gar keinen Fall in die Kamera gucken sollte? Und was machte er, als er Langeweile bekam? Genau - er schaute in die Kamera oder besser gesagt in die Richtung davon. 

Er musste sich selbst jedoch auch eingestehen, dass das nicht nur aus Langeweile passiert war. Irgendwie hatte etwas oder jemand seine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen und dieses Etwas schien davon genau so überrascht zu sein, wie er selbst. 

Die ganze Zeit hatte er das Gefühl, dass ihn jemand beobachtete. Ja, das lag auf der Hand, schließlich war er der Grund, um den sich 20 Typen stritten, anders konnte er diesen Zickenterror unter den Kandidaten, den er von weit weg immer wieder mal wahnahm, nicht nennen.

Zu einem Zeitpunkt hatte er zwei sehr zickige Kerle auseinander bringen müssen, weil scheinbar nicht genau geklärt war, wer als nächsten mit ihm selbst sprechen durfte. Das es nicht zu Handgreiflichkeiten kam, war wohl nur den Kameras zu verdanken, die ununterbrochen auf sie gerichtet waren. 

Es waren dutzende davon hier, um alles was hier geschah aus allen möglichen Perspektiven aufzunehmen. Daher war es ja noch überraschender, dass ihn genau diese eine Kamera so triggerte. Genauer gesagt, der Mann, der dahinter stand. 

Ohne etwas gegen sein Verlangen tun zu können, hatten seine Augen automatisch nach dieser Person gesucht, die ein Kribbeln auf seiner Haut hinterließ. 

Schnell wurde er fündig. 

Ein junger Mann mit dunkelbraunen, fast schwarzen Haaren, dessen Ponysträhnen mit einem kleinen Zopf zurück gebunden wurden und daher definitiv länger wirkten als seine eigenen, schien die Kamera die ganze Zeit auf ihn gerichtet zu haben und nicht weg zu schwenken. 

Interessiert beobachtete er den Mann und schien diesen wohl so zu überfordern, dass der Unbekannte langsam hinter der Kamera hervor blickte und den Job für kurze Zeit vergaß, um Taes Blick zu begegnen. 

Als sie sich beide ganz bewusst anschauten, kam es Tae für einen kurzen Augenblick so vor, als ob die Töne um ihn aufgehört hätten zu erklingen und die Welt stehen geblieben wäre. 

Es knisterte in der Luft und diese aufgeladene Stimmung ließ ihn erschauern. 

Was war das und konnte er das nochmal spüren? 

Dieser Moment hätte aus seiner Sicht noch länger andauern können, leider wurde er harsch unterbrochen. Ein weiterer Kandidat war eingetroffen und hatte es sich nicht nehmen lassen Tae in eine feste Umarmung zu ziehen, die diesen total überraschte. 

Das hatte sich bisher auch noch keiner getraut. 

Vor allem, weil er sich Mühe gab, erstmal etwas unnahbarer zu sein, um zu erörtern, welcher davon mit dieser Art von ihm gut klar kam, aber der Kameramann hatte ihn wohl völlig aus dem Konzept gebracht, so dass seine Mauer für kurze Zeit fiel. 

Unglaublich. Das war ihm bisher auch noch nicht passiert. Scheinbar brachte der Typ ihn dazu viele erste Male zu erleben und das schon in den wenigen Sekunden nach ihrem Blickkontakt.

...

Der Abend war kurz, aber auch definitiv nur zum Kennenlernen gedacht und so verabschiedete sich Tae recht schnell und stieg zurück in die Limousine, die immer noch da stand, wo er ausgestiegen war.

Winkend und lachend verabschiedeten ihn die Kandidaten und machten das auch immer noch, als Tae schon längst die Autotür hinter sich zu gemacht hatte. 

Sehr komisches Gefühl von so vielen gefeiert zu werden. Erneut stellte er fest, dass es völlig anders war, als im Gerichtssaal, wo ihm durchaus auch viele dankbar die Hand schüttelten, aber sicherlich nicht für sein Aussehen oder was die 20 Leute da unten noch toll an ihm fanden. 

Seufzend blickte er nach vorne und erkannte, dass der Fahrer wohl gewechselt hatte. 

Machte ihm jetzt auch eher weniger aus.

Am Ende war er sogar froh, weil der Neue um einiges ruhiger war. Sogar das totale Gegenteil zu dem Ersten. Schweigsame Menschen waren ihm immer die liebsten. 

Das waren meist auch die, die genaustens über das nachdachten, was sie sagten und somit auch keinen Blödsinn raus brachten. Von solchen Personen konnte man noch viel lernen. Schweigen war in den letzten Jahren zu einem seltenen Phänomen geworden und zeigte, was da eigentlich für Idioten unterwegs waren. Wie sagte man: Reden und Denken geht nicht gleichzeitig.

Mit einem "Schönen Abend ihnen, Sir" verabschiedete der Fahrer sich von ihm, als sie vor dem Hotel angekommen waren und genau so freundlich antwortete Tae zurück: "Ihnen auch noch."

Wie gesagt, er konnte auch anders, nur bei Idioten platzte ihm gerne mal die Hutschnur. 

Müde blieb er kurz vor dem Hotel stehen und betrachtete die große Eingangshalle, die mit ihren vielen Lampen glitzerte, wie der Himmel in der Einöde. Durch die vielen Lichter in den großen Städten erkannte man die Pracht des nächtlichen Himmels erst richtig, wenn man diese Orte hinter sich ließ und in eine Welt vordrang, die noch nicht der Macht der Menschen erlegen war. 

Wenn er tatsächlich mal Urlaub hatte und das war sehr selten in den letzten Jahren gewesen, dann machte er genau das. Packte Zelt und Schlafsack ein und fuhr los. In seine alte Heimat. Dort, wo er als Kind oft mit seinem Vater die Zeit verbracht hatte und der ihm unendlich wundersame Geschichten über die leuchtenden Punkte am Himmel erzählt hatte.

Vielleicht war ja einer von den 20 Kandidaten, die Person, mit der er solche Momente wieder aufleben lassen konnte. 

Seufzend setzte er sich in Bewegung und lief in die große Halle hinein, die er gerade noch verträumt betrachtet hatte.

Nachdenklich blieb er vor dem Aufzug stehen, der ihm surrend sagte, dass er gerade unterwegs war und ihn sofort in sein Zimmer bringen würde, wenn er noch etwas Geduld hatte, allerdings war dieser Gedanke nicht so erfreulich, wie er gedacht hätte.

Eigentlich wollte er noch nicht in sein Zimmer. Er war zwar erschöpft, aber nicht so, dass er das Bedürfnis nach Schlaf hatte. 

Suchend bewegte er den Kopf durch die Eingangshalle und blieb an einem Schild hängen auf dem in schnörkeliger Schrift "Weinkeller" stand. Ob er da eventuell auch einen Gin bekam?

Auf den Geschmack gekommen lief er in die besagte Richtung, wo der Pfeil auf dem Schild hindeutete und somit eine Etage tiefer.

Prince Charming - TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt