Kapitel 6

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Jungkook war total erledigt, als er mit der Crew endlich zurück im Hotel war. So fertig mit der Welt, dass er erstmal einen Schluck Alkohol brauchte. Ganz egal was. Da kam ihm das Schild "Weinkeller" genau richtig.

Während seine Kollegen also tatsächlich ihre Zimmer aufsuchten, statt Jungkook Gesellschaft zu leisten, machte er sich ins Untergeschoss auf.

Dort angekommen staunte er nicht schlecht. Eine von vier Wänden war fast vollständig mit Regalen bestückt, die jede einzelne Flasche darin gekonnt in Szene setzte. Davor zog sich die Bar durch den ganzen Raum und trennte somit die Bereiche in Arbeit und Freizeit. 

Im Arbeitsbereich schüttelte ein sehr entspannter Barkeeper gerade einen silbernen Cocktailshaker vor sich her, den er immer wieder gekonnt in seiner Hand drehte und zum Schluss sogar noch in der Luft wirbelte, bevor er einer hübschen blonden Dame das Glas mit einer rosa Flüssigkeit füllte.

Sah lecker aus, aber war gerade nicht das was er brauchte. Er wollte lieber etwas Stärkeres. Sowas wie Gin oder Wodka, bei dem er das Gefühl hatte, das sein innerstes gereinigt wurde. Vielleicht fühlte er sich ja danach tatsächlich etwas "reiner". 

Nach dem Vorfall vorhin beim Dreh überkam ihn immer noch eine schaurige Gänsehaut. Was immer ihn vorhin so fühlen ließ, bei dem Blick von Taehyung: jetzt waren da nur noch Schuldgefühle. 

Er hatte seinem Bruder etwas versprochen und das würde er auch irgendwie hinbekommen. Lang genug war er ein Mensch gewesen, der sich durchs Leben geschlängelt hatte, ohne Konsequenzen in Kauf zu nehmen. 

"Guten Abend, Sir. Was kann ich ihnen Gutes tun?", fragte ihn der Barkeeper, den er eben noch für seine Geschicklichkeit bewundert hatte. Jungkook überraschte das leicht, weil er schon wieder in seinen Gedanken versunken war und schaute ihn mit großen Augen perplex an.

Der Mann vor ihm, der anscheinend Jin hieß, wie sein Namenschild sagte, lächelte ihn warm an. 

Stimmt ja, er hätte sich was aussuchen sollen. "Ähm", kam etwas hilflos aus seinem Mund und hektisch ließ er seinen Blick über die Flaschen gleiten, die im Regal hinter Jin aufgereiht waren, war aber danach noch überforderter, als vorher. Definitiv zu viel Angebot.

"Er nimmt auch einen Gin, Jin. Den gleichen wie ich. Geht auf meine Rechnung", sagte eine tiefe Stimme und ohne, dass sich Jungkook zu dem Gönner umdrehen musste, wusste er wer das war. Diesen Bass erkannte er auch in einer Menschenmasse, wenn alle durcheinander quatschten. Kim Taehyung.

Na toll, der kam ihm gerade noch recht. Er hatte gehofft, dass er diesem erstmal nicht begegnete, aber wenn man im gleichen Hotel unterkam, musste man sich wohl oder übel mal über den Weg laufen. 

Ok, Jungkook. Pokerface aufsetzten und ihn dankbar anlächeln. So, als ob du keine Ahnung hast von irgendwas. 

Lächelnd drehte er sich zu Taehyung um und merkte sofort, als sich ihre Blicke begegnete, eine Gänsehaut über seinen Körper jagen. 

Verdammt, so nah war es noch etwas schlimmer mit dieser elektrischen Spannung zwischen ihnen beiden. Aus der Ferne konnte er schon solch ein Kribbeln auf seiner Zunge spüren, aber jetzt, wo er nur einen Stuhl weiter saß, hatte er das Gefühl, dass sein ganzer Körper unter Strom stand.

Ein liebevolles Lächeln lag auf dessen Lippen und machte ihn leider auch sympathischer.

Verdammt er wusste es doch besser, warum passierte es ihm doch immer wieder, das er solche Eindrücke hatte? Das lag bestimmt an diesem Problem, dass ein schönes Gesicht über vieles hinweg trösten konnte. 

"Danke", presste Jungkook schon fast heraus und hatte dabei echt Schwierigkeiten seine Freundlichkeit aufrecht zu erhalten.

Er wollte sich nicht bei diesem Unmensch bedanken müssen, trotzdem hatte der ihn durch die Einladung zu einem Getränk schon fast dazu genötigt.

Er könnte ja nein sagen, aber irgendwas in ihm sagte, dass er dieses Angebot vielleicht noch zu seinen Gunsten nutzen konnte. Das Ziel war ja, aus diesem etwas interessantes zum Fall seines Bruders gesagt zu bekommen und das würde wahrscheinlich nur funktionieren, wenn er dem Typ näher kam. 

Eigentlich hatte er gehofft, dass eine freundschaftliche Beziehung ausreichen würde, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass dieser Taehyung keine Person für Freunde war. Wohl eher Lustknaben, jedenfalls schaute er so. 

Würde Jungkook tatsächlich so weit gehen und mit dem Kerl in die Kiste springen nur um diesem eventuell ein paar Geheimnisse entlocken zu können?

Es war schließlich für seinen Bruder. Der Bruder, der ihn immer unterstützt hatte, egal was er für irre Ideen hatte. Selbst als dieser schon in der Patsche mit der Klage saß und es ganz allein versuchte zu bewältigen, hatte Yoongi  ihm noch geholfen. 

Ach Yoongi. 

Bei den Gedanken an ihn und daran, dass dieser gerade im Knast saß, wegen etwas, woran dieser nicht Schuld war, zerriss ihm fast das Herz. Yoongi war kein harter Kerl oder besonders gerissen, wodurch er die Leute im Knast milde stimmen konnte. Er hatte nur seine sehr ausgeprägte soziale Ader und ob die dort, wo er war, was nützte, wusste wohl nur Gott allein.

Interessanterweise nickte Taehyung nur und drehte sich wieder nach vorne. 

Schweigsam nippten sie beide an ihrem Getränk und vergruben sich in ihren Gedanken, so dass Jungkook nicht mal in die Bedrängnis kam, sich irgendein Gesprächsthema aus den Nägeln saugen zu müssen.

Darin war er noch nie gut gewesen und daher war er diesem Typ zum zweiten Mal an diesem Tag leicht dankbar. 

Ach scheiße. Das war nicht gut. 

Hätte er ihn getroffen ohne irgendwas von ihm zu wissen, hätte er sich wahrscheinlich echt gut mit ihm verstanden. Personen, mit denen man Schweigen konnte, waren selten zu finden.

Auch Jungkook war jemand, der die Stille genoss und es hasste zum Reden genötigt zu werden. Genau deswegen war er ja auch Kameramann geworden. Dort galt die Regel: Wer redete, verlor seinen Job. 

Seufzend stützte er seinen Kopf auf dem Arm ab und beobachtete die Lichter, die die Spiegelwand im Regal zu tausend kleinen Punkten zauberte. Es erinnerte leicht an die Milchstraße, wenn es stockdunkel war. 

"Schweren Tag gehabt?", fragte Taehyung und drehte sein Glas auf dem Tresen hin und her. 

Was sollte er darauf antworten? Ja, aber das liegt nur an dir? Hm, war wohl kein guter Start und würde weitere Fragen aufwerfen.

"Hast mich da vorhin in ne brenzlige Situation gebracht. Jimin war echt wütend und hat mich rund gemacht, weil ich dich scheinbar abgelenkt hätte." Das war noch am ehrlichsten von den Sachen, die in seinem Kopf schwirrten. 

Wer ein guter Lügner sein wollte, musste immer ein Fünkchen Wahrheit in seinen Aussagen haben, damit es glaubwürdig war. Das machte einen wahren Schwindler aus. 

"Hm", sagte Taehyung nur und nahm einen Schluck von seinem Glas. Es war fast leer.

Jungkook tat es ihm nach, nahm aber ein deutlich größeren Schluck, damit er eventuell zur gleichen Zeit, wie er fertig wurde. Solche "Zufälle" waren immer mit Überraschungen verbunden. 

Allerdings hatte er nicht mit SOLCH einer Überraschung gerechnet.

Prince Charming - TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt