Kapitel 18 (Tae)

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Die erste Nacht in meiner Hütte hatte ich hervorragend geschlafen. Das Bett war angenehm warm und weich gewesen, es war kein Vergleich zu meinen sonstigen Schlafmöglichkeiten.

Gerade war ich auf dem Weg zum Rudelhaus. Die Luna hatte in den frühen Morgenstunden eine Nachricht vorbeibringen lassen, in welcher stand, dass ich gegen 11 Uhr vorbeikommen sollte.

Es war sehr ruhig in dem kleinen Dorf, kaum jemand war zu sehen. In der Ferne konnte man Kinderlachen vernehmen, ebenso wie leises Kläffen oder Geknurre.

„Ah Taehyung. Da bist du ja," ertönte die Stimme der Luna und lächelnd verbeugte ich mich vor ihr.

„Ich hoffe, du konntest gut schlafen und dich ausruhen. Ich würde dir gerne zu allererst unser Rudelhaus zeigen. Mein Mann Donghae, meine Tochter und ich leben dort zusammen und jedes unserer Rudelmitglieder hat freien Zutritt zu diesem. Gerade sind die Jungwölfe beim Training und die Männer auf Grenzkontrolle, daher ist bei uns zuhause jetzt nicht viel los," erklärte sie mir und deutete in Richtung Haus.

Zusammen liefen wir das letzte Stück über die Wiese, wobei mir schon etwas mulmig wurde. Das letzte Mal in einem Rudel endete fast mit meinem Tod, hoffentlich würde sich das nicht mehr wiederholen.

Das Innere des großen Holzhauses war hell und modern eingerichtet. Ein riesiger Wohnbereich lag vor mir, mit einer Vielzahl an Couchen und Sesseln. Hinter einem Torbogen erschien eine Küche, in welcher die Luna direkt verschwand.

Vorsichtig folgte ich ihr und sah mich weiterhin neugierig um. Es hingen ein paar Bilder an den Wänden, abgebildet waren unterschiedliche Personen und Gruppenbilder.

Ein Bild zog meine Aufmerksamkeit besonders auf sich. Es schien mir eine Art Familienfoto zu sein. Links stand ein kräftig gebauter Mann, der einen schwarzhaarigen Jungen auf dem Arm trug. Neben ihm konnte ich die Luna erkennen, die ihre Hand auf die Schulter eines weiteren Jungen gelegt hatte. Dieser drückte einen weißen Kuscheltierhasen an seine Brust und starrte leicht lächelnd in die Kamera. Sein linkes Auge schien in einem hellen Braun zu leuchten, wohingegen sein rechtes Auge fast schwarz wirkte.

„Das sind einmal mein Mann und unsere zwei Söhne. Die beiden leben hier aber nicht mehr, sie haben ihr eigenes Rudel gegründet. Zwei sehr anständige junge Männer, du würdest dich bestimmt gut mit ihnen verstehen."

Verstehend nickte ich und betrat nun ebenfalls die Küche. „Ich muss für das hungrige Jungvolk kochen, du kannst mir gerne dabei helfen. Da vorne liegen Tomaten, Zwiebeln und Möhren, die zerkleinert werden müssten – Messer und Schneidebrett findest du in der Schublade darunter. Wenn du möchtest, kannst du dir später gerne etwas zu essen mitnehmen, das ist kein Problem."

Dankend verbeugte ich mich nochmal und folgte dann meiner Anweisung. Wenn ich etwas konnte, dann waren es kochen und putzen – traurig, aber wahr.

Eine Zeit lang war es ruhig in der Küche, nur ein Radio lief leise im Hintergrund. Sora und ich hatten gerade das Essen fertig bekommen und das Geschirr auf den Tresen gestellt, als mit einem Mal die Haustür aufgerissen wurde und Gelächter ertönte.

„Da sind sie auch schon," verkündete die Luna schmunzelnd und stellte sich schützend halb vor mich. Unwohl zog ich den Kopf ein. Die Stimmen wurden immer präsenter und ein mir bekannter, weißhaariger Kopf tauchte in meinem Sichtfeld auf.

Abrupt blieb BamBam stehen und musterte mich neugierig, genauso wie der Rest hinter ihm. „Oh hey, Taehyung," rief er mir zu und kurz winkte ich ihm zurück.

Die Blicke der anderen Wölfe waren unangenehm, besonders da ich plötzlich die Präsenz eines Alphas spürte. Winselnd wich ich zurück bis an die Küchentheke und mitfühlend drehte sich Sora zu mir um.

„Alles gut. Mein Mann wird dir nichts tun," versuchte sie mich zu beruhigen, als auch schon ein breit gebauter, älterer Mann im Kücheneingang erschien.

Verwirrt sah er zu uns herüber, bis er die Situation wohl verstanden zu haben schien und die restlichen Wölfe aus dem Haus scheuchte. „Essen dauert noch 10 Minuten, wartet bitte kurz draußen."

Langsam näherte der Alpha sich uns. „Hallo Taehyung. Hey Schatz," begrüßte er uns und blieb stehen.

„Ich hoffe, ich mache dir nicht allzuviel Angst. Du kannst uns wirklich vertrauen, wir sind froh, dass du bei uns bist. Mein Name ist Donghae und ich führe dieses Rudel – aber das weißt du bestimmt schon."

Seine Stimme war angenehm, keinerlei Strenge oder Härte war darin zu finden.

„Vielen Dank für Ihre Güte, Alpha," sprach ich mit zitternder Stimme und verbeugte mich ein drittes Mal an dem heutigen Tag.

„Nenn mich bitte Donghae, ich fühle mich sonst so alt," lachte dieser und gab seiner Frau einen Kuss auf die Schläfe.

Die Angst ihm gegenüber war wohl noch vorhanden, aber ein gutes Stück gesunken. Donghae strahlte keinerlei Macht oder Dominanz aus - das einzige, was ich spürte, war die Alphapräsenz und dies lag an seinem und an meinem Wolf.

Meine menschliche Persönlichkeit war stark, vorlaut und unabhängig, im Gegesatz dazu gab es dann meine wölfische Seite - Navi war der naivere und ängstlichere Teil von mir. Meistens konnte ich meine menschlichen Eigenschaften gut auf beide Seiten übertragen, aber die Präsenz eines Alpha zerschlug alles in mir.

Mein alter Alpha und sein Alpha-Sohn haben mir immer wieder ihren Willen aufgezwungen, ihre Macht an mir missbraucht und mich mit ihren Alphastimmen manipuliert. Das Trauma saß fest in meiner Seele und war jedes Mal aufs Neue nur schwer zu überwinden.

Sora legte ihrem Mann die Hand auf die Brust. „Lass ihm Zeit," hörte ich sie flüstern und nickend verabschiedete Donghae sich von uns.

Die Luna drehte sich zu mir um und schenkte mir ein warmes Lächeln.

„Hast du Lust mit in den Rudelkindergarten zu kommen? Die Welpen müssten bald abgeholt werden und ich übernehme immer die letzte Stunde bei ihnen. Du bist also herzlich eingeladen."

Kurz zögerte ich, da mich die Situation ein wenig überforderte, aber letztendlich willigte ich ein. Ich liebte Kinder, wie könnte ich da nein sagen.

Zusammen verließen wir das Haus, wobei mir BamBams Blick auf mir nicht entging. Zu gerne würde ich mich mit ihm noch einmal unterhalten und ihm ein paar Fragen bezüglich seines Ranges und dem Rudel stellen.

Das Kinderlachen und Geschreie wurde immer lauter und bereits vor der Hütte kamen uns die ersten Kinder entgegen. Fragend blickten sie mich an und umrundeten mich neugierig.

„Wer ist das, Mama?", fragte ein etwa sechsjähriges Mädchen mit braunen Haaren und starrte mich von unten an. „Das ist Taehyung, mein Schatz. Er ist zu Besuch in unserem Rudel und wohnt hier erstmal."

Sora nahm das Mädchen auf den Arm und trat näher an mich heran. „Das ist meine Tochter Sumi. Sie ist gerade sechs Jahre alt geworden. Sag Taehyung mal ‚Hallo'."

Vorsichtig streckte sie ihre Hand nach mir aus und legte diese auf meinen Kopf ab. Ihre blauen Augen sahen geradeaus in meine und ein mir bekanntes Gefühl von Wärme und Ruhe durchströmte meinen Körper.

Augenblicklich entspannte ich mich und sah sie fasziniert an. „Wow," hauchte ich und Sumi begann zu kichern.

„Cool oder? Bis jetzt kann ich nur das machen, aber wenn ich größer bin, dann müssen sich alle in Acht vor mir und Cinderella nehmen!", rief sie begeistert und sprang vom Arm ihrer Mutter, um zurück zu den anderen Kindern zu laufen.

Fragend sah ich Sora an.

„Sumi ist eine Delta. Sie besitzt die Fähigkeit der ,Inneren Ruhe'. Wenn sie jemanden berührt, der augewühlt erscheint, kann sie denjenigen mit nur einer Berührung enspannen lassen. Cinderella nennt sie ihre Wölfin," erklärte sie mir schmunzelnd und sofort erinnerte mich das Gesagte an Jimin.

Seufzend ließ ich die Schultern hängen, als das Bild des Blonden vor meinen Augen erschien. Wie ich meinen besten Freund doch vermisste.

Catch Me Alpha || BTS Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt