Kapitel 27 (T)

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Erschrocken fuhr ich nach oben und sah mich laut atmend um.

Weiterhin lag dieses Gefühl der Trauer über meinem Herzen und ließ dem Druck auf meiner Brust keine Gelegenheit zu entweichen.

„Tae!", ertönte Jimins Stimme neben meinem rechten Ohr und ich wurde an meinen Schultern gerüttelt. „Was ist denn nur passiert? Wir haben einen dumpfen Knall an der Tür gehört und dich dort bewusstlos gefunden. Tut dir was weh?"

Mein Kopf verarbeitete Jimins Worte nicht. Ich sah lediglich die Bewegung seines Mundes und ließ meine Augen durch den Raum wandern. Die restlichen Mitglieder standen um das Bett und sahen mich besorgt an. Eine Person stand mit Abstand an der Wand.

Als endlich meine Augen auf Jungkook liegenblieben, begann mein Herz zu arbeiten. Mühselig wälzte ich mich aus dem Bett und wich den helfenden Händen und Stimmen aus, weiterhin Jungkook im Blick. Dieser sah mich unsicher an und ich meinte zu bemerken, wie sein Körper sich noch enger an die Wand presste. Nein.

Ich stolperte regelrecht auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Meine Arme klammerten sich um ihn, als wollten sie ihm endlich zeigen, dass alles gut werden würde. Im ersten Augenblick versteifte er sich und blies einen Atemzug in mein Ohr. „Es tut mir so leid," flüsterte ich und im nächsten Moment legte er zögerlich seine Arme um meinen Oberkörper. Haltsuchend krallten sich seine Finger in mein Oberteil und Jungkooks Nase vergrub sich in meinen Haaren. Der Moment war intim, obwohl es sich nur um eine Umarmung handelte. Aber diese Umarmung haben wir gebraucht. Der Druck von meiner Brust verschwand und erleichtert lehnte ich die Stirn auf seine Schulter.

„Endlich," hörte ich ihn flüstern und seine Beine gaben unter uns nach. Ein Schluchzen ertönte. Ein klägliches Wimmern. Und hilfesuchende Finger, welche über meinen Rücken glitten. All die Enttäuschung, Sorgen und Einsamkeit schienen von ihm zu fallen. Nun fing ich ihn auf. „Es tut mir so leid, Jungkook."

Da auch mir unser Gewicht langsam zu schwer wurde, ließ ich uns vorsichtig zu Boden gleiten. Ich saß mit dem Rücken an der Wand, während der Alpha seine Beine um meine Hüfte schlang und sich an mich drückte. Mit so viel Zuneigung und Hilflosigkeit seinerseits hatte ich nun wirklich nicht gerechnet und prompt kroch wieder dieses Gefühl von Hass in mir hoch.

Hass auf die Menschen, die Jungkook wehgetan haben. Hass auf die Menschen, die ihm nicht geholfen haben. Hass ... auf mich selbst, weil ich blind vor meinen eigenen Problemen war und Jungkook wie alle anderen vor den Kopf gestoßen habe.

Aber konnte man mir das verübeln? Konnte ich mir das wirklich verübeln? Meine Vergangenheit sah auch nicht rosig aus. Aber das hätte Jungkook nie wissen können. Er war immer nur auf der Suche nach seinem Partner, welcher die helfende Stütze in seinem Leben sein sollte. Welcher ihn endlich halten und vielleicht sogar ein Stück heilen konnte. Dieser Alpha war gebrochen. Aber auch das habe ich viel zu spät erkannt.

Aber woran hätte ich es auch erkennen sollen? Wie die Mondgöttin es richtig erkannt hatte. Gesteuert von Vorurteilen und Blindheit haben mich diese fast vor dem wahrscheinlich besten Geschenk in meinem Leben abgehalten. Woher ich das wusste? Weil ich in der Sekunde losgelassen habe, als ich diesen gebrochenen Mann auf der Fensterbank habe sitzen sehen und dieser meinen Pullover so voller Verzweiflung und Sehnsucht festgehalten hat. All die Mühen, die Jungkook trotz meiner Abwesenheit aufgebracht hat. In dem Moment wurde mir mein Fehler offenbart.  Das ich kein Stück besser bin wie die anderen.

Meine Angst diesem Alpha gegenüber war wie von Zauberhand verweht. Ich kann nun diese Verbindung zwischen uns spüre, die mir sagt, dass alles gut sein wird, solange wir uns halten.

Natürlich habe ich Angst vor der Zukunft und ich bin mir sicher, dass bei weitem nicht alles glatt laufen wird. Aber die hat Jungkook auch. Ich stieß eine Danksagung gen Himmel und hoffte, dass die Mondgöttin diese erhielt. Ohne sie, hätte ich meine Augen und mein Herz weiterhin nicht öffnen können.

Die anderen schienen den Raum schon vor längerer Zeit verlassen zu haben, was mir sehr recht war. Diese Intimität gehörte nur uns.   

Langsam wich die Verzweiflung aus dem Raum und Jungkook lehnte ruhig an meinem Oberkörper.

„Ich bin so müde zu kämpfen," ertönte sein Flüstern und sofort verstärkte ich den Druck um ihn.

„Du musst nun nicht mehr allein kämpfen, Jungkook."

Sachte nahm ich sein Gesicht in meine Hände. Zwei wunderschöne Augen sahen mich an. Das eine fast so dunkel wie die Nacht, das andere so hell wie Eis.

„Wunderschön," murmelte ich und strich unter seinen Augen entlang. Sofort war da wieder dieser kleine Hoffnungsschimmer zwischen all der Verletzbarkeit in seinen Augen. Eine unbändige Stärke durchlief meine Adern und ein lautes Knurren verließ meine Kehle. Prompt zuckte der Alpha zusammen und zog den Kopf ein.

Es machte sich ein Beschützerinstinkt in meinem Körper breit, welchen ich so noch nie verspürt hatte. Überwältigend. Gigantisch. Neu.

Nie, nie wieder wird dir jemand weh tun. Ich werde denjenigen in Stücke reißen und begraben. Im Zweifelsfalle auch mich selbst", grollte ich mit unbekannter Tiefe in der Stimme und weitete erschrocken die Augen. Wo kam das denn her?

Navi?

Mein Wolf antwortete mir nicht. Auch auf mehrfache Ansprache blieb er still. Ich spürte ihn, aber irgendein anderes Gefühl hatte sich dort eingeschlichen.

„Sag sowas bitte nicht!"

Jungkooks Hände an meinen Wangen holten mich zurück aus meinen Gedanken.

„Ich ... ich bin sprachlos und verwirrt. Was ist passiert in den letzten Stunden? Diese Verbindung zwischen uns zieht mich in einen Pool aus tausenden Gefühlen. Ich ... ich kann es nicht beschreiben. Du bist atemberaubend. Ich könnte für immer so mit dir hier sitzen und dich einfach anschauen. Ich fühle mich beschützt. Die Gedanken in meinem Kopf werden mit jedem Blick in deine Augen leiser. Shadow ... ich fühle ihn gerade nicht deutlich, aber es hat sich was in mir verändert. Ich bin doch ein Alpha ... oder? Was ist das? Diese Ruhe und die Sehnsucht beschützt zu werden. Mich verwirrt das alles so sehr."

Jungkook sprach sich in Rage und gestikulierte mit seinen Händen vor meinem Gesicht herum. Ohne weiter nachzudenken, zog ich ihn zurück in meine Arme und gab ihm einen leichten Kuss auf den Hals.

„Ich bin genauso verwirrt wie du. Leider kann ich dir darauf auch keine Antworten geben, Jungkook. Aber wir werden mit der Zeit schon dahinterkommen."

Seufzend ließ er sich wieder gegen mich fallen.

„Es ist einfach so überwältigend. Die letzten Monate waren so hart und bald nicht auszuhalten. Ich habe über Sachen nachgedacht...", kurz schluckte er und sprach dann weiter, „über die ich so noch nie einen Gedanken verloren habe. Mein Leben hat sich falsch angefühlt. Ach, ich weiß es doch auch nicht!"

Stumm blieben wir sitzen. Jungkooks Hände fuhren immer wieder meine Oberschenkel und Hüfte entlang, während meine Finger seinen Rücken kraulten. Zärtlichkeiten, welche keinem sexuellen Interesse nachgingen. Irgendwann tat mir der Rücken weh und ich ließ mich zur Seite plumpsen. Verwirrt sah Jungkook mich an.

„Rücken," ächzte ich nur und schloss die Augen. Erst blieb es still, bis sich Jungkook neben mir aufrappelte und unter meinen Rücken griff.

„Keiner hat gesagt, dass wir auch auf dem Boden rumlungern müssen."

Und somit wurde ich zum Bett getragen, womit ich absolut kein Problem hatte. Die weiche Matratze fühlte sich um Längen besser an, wie die Wand oder der Boden. Zögernd stand Jungkook am Bettrand und starrte auf mich hinab. Fragend hob ich eine Augenbraue. „Wartest du auf eine Extraeinladung? Hopp, ich brauche ein weiches Kissen."

Sofort sprang er auf die andere Seite und legte sich neben mich. Mit zu viel Abstand. Meckernd wälzte ich mich zu ihm, legte meinen Kopf auf seinen Oberarm und schlang Arme und Beine um ihn.

„Besser," gab ich preis und schloss die Augen. „Kraulen, bitte."

Nun kraulte Jungkook meinen Rücken, meinen Nacken und meinen Oberarm ohne Widerrede. So lagen wir die nächsten Stunden zusammen im Bett, ohne dass jemand etwas sagen musste.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 18 ⏰

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