Kapitel 3

209 43 24
                                    

Knapp dem Tode entronnen

Erst hörte ich wieder Stimmen. Fern, aber da. Dann spürte ich kühle Luft. Wind, der lebendig war. Ich war aber nicht bereit, zu leben. Noch nicht. Die Stimmen wurden wieder schwacher und der Wind verschwand. Ich war in einem Zwischenstadion. Zwischen Leben und Tod. Gefangen in schierer Unendlichkeit. „Endlich!" Ich schlug die Augen auf und blickte in drei Augenpaare. Samuels. Emilys. Joels.
„Wir haben uns solche Sorgen gemacht!" „Was-Was ist pa- passiert?", stöhnte ich.
„Du warst bewusstlos", flüsterte Samuel.
„Du bist getaucht und kamst nicht mehr hoch." Langsam kamen die Erinnerungen wieder zurück.
„Wo- wo sind Franz und Fr- Franziska?" Samuel rückte ein bisschen zur Seite. Franz saß einen Meter abseits und stocherte vor sich in den Boden. Franziska konnte ich nirgends sehen.
„Was ist genau passiert?", verlangte ich zu wissen. Samuel biss sich auf die Lippe: „Franziska wollte angeln und ist dabei von einem riesigen Fisch ins Wasser gezogen worden. Sie trieb immer mehr in Mitte See und hat um Hilfe geschrieen. Franz ist daraufhin in den See gesprungen um sie zu retten. Er hatte aber seine Klamotten noch an und wurde in die Tiefe gezogen. Franziska hat sich in der Zeit", Samuel stoppte und suchte nach Worten, „ schon auf Land gerettet. Du und ich sind ebenfalls in den See gesprungen, da wir dachten, Franz und Franziska würden beide in Not sein. Du bist wie gesagt getaucht und kamst nicht mehr hoch. Ich habe mir Sorgen gemachz und bin nach dir getaucht. Nirgends konnte ich dich sehen. Ich bin wieder an die Oberfläche geschwommen und habe Franz gesehen, der versuchte, sich über Wasser zu halten. Ich habe ihm heholfen sich aus seinem Pullover zu befreien. Daraufhin haben wir versucht dich zu finden und schließlich war es Franz, der dich zum Zelt getragen hat. Du warst Minuten dort unten gewesen. Eigentlich wärst du tot." Das hatte er ja nett gesagt, dachte ich wütend. Trotzdem rang ich um ein kleines Lächeln, schließlich hatte er versucht mich zu retten.
„Franz?" Franz blickte auf. „Danke", sagte ich leise. Franz nickte.
„Er steht auch noch unter Schock", erklärte mir Samuel.
Auf einer Wurzel sitzend entdeckte ich Franziska. Sie schaute auf den See und ihr Blick war leer. Schlagartig wurde mir bewusst, dass sie mich und Franz in Lebensgefahr gebracht hatte. Blindwütig stand ich auf. Eigentlich hatre ich vorgehabt, mein Temperament zu bändigen, aber in dieser Minute vergaß ich den guten Vorsatz. Dieses Mädchen hatte mich fast umgebracht! Zornig krallte ich meine Fingernägel in die Hose und marschierte in ihre Richtung. Sie würde dafür bezahlen! Kaum war ich angekommen, richtete sie sich auf und schaute mich mit ihren hexengrünen Augen an. Ich ballte eine Faust und schlug zu. Sie schrie vor Schmerz auf und fasste sich an ihre Nase. Blut floss zwischen ihren Fingern hindurch. Ich wollte kehrt machen, als plötzlich Franz hinter mir stand. Und er war geladen. Er hob einen Stock auf und ging auf mich los. Ich wich zurück. Das war doch jetzt nicht sein Ernst? Seine Schwester hatte ihn fast gerade umgebracht und jetzt verteidigte er sie immer noch? Gerade wollte er zuschlagen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte.Samuel sprach leise, aber eindringend: „Franz, es bringt nichts, wenn wir uns jetzt totprügeln. Finja hätte Franziska nicht schlagen dürfen, aber was bringt es, wenn du jetzt sie schlägst? Komm, lass es sein. Und was Franziska angeht, wenn sie noch einmal jemanden von uns so in Lebensgefahr bringt, fliegt sie raus!" Danach herrschte Schweigen. Franziska schaute Samuel wütend an und ich war einfach perplex. Samuel hatte sich gerade die Chefrolle untergejubelt, indem er das Recht an sich nahm, entscheiden zu dürfen, wer rausgeschmissen wurde, aber gleichzeitig war ich froh, dass er es gesagt hatte. Ich glaubte, wir alle würden niemals Freunde werden. Erst da bemerkte ich, dass ich nur in Unterwäsche dastand und fror.

Traumpfad (Bis 2045 pausiert!) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt