10. Kapitel

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"Oh, you never smoked this much before we met", leise singend zünde ich eine neue Zigarette an und lehne mich an die Mauer neben den Parkplätzen, "Light up, light up another cigarette."
Die silberne Fliegersonnenbrille verdeckt meine roten Augen während das aufgeschlagene Knie durch die zerissene Jeans blitzt.
"Bist du in ordnung?", der junge Mann der sich neben mich lehnt und seine Zigarette anzündet dreht seinen Kopf fragend zu mir. Seufzend drehe ich meinen Kopf an der Wand in seine Richtung um in helle, braune Augen zu blicken. Ein schwarzhaariger, großer Mann. Mein Blick schweift über die engen schwarzen Jeans und das Hawaii Hemd:"Du bist?" Natürlich war er mir aufgefallen. Er roch genau wie Fin. Nur bei ihm störte es mich nicht. Bei ihm war es nur etwas was ihn jung und frisch wirken ließ.
"Nic. Ich sitze in Pädagogik neben dir. Schon seit zwei Wochen. Seit Semesterbeginn", er lächelt sanft, "Liebeskummer?"
"Ist das so offensichtlich?", lachend fahre ich mir durch die vom Regen und Wind nassen, zerzausten Haare und nehme einen Zug der Marlboro. "Du bist immer müde, hast zu keinem von uns ein Wort gesagt, du rauchst viel, du hast ständig neue Verletzungen, drehst fast durch wenn irgendwas im Kurs nicht so läuft wie du möchtest. Heute war es zum Beispiel dein Lineal das verrutscht ist; Letzte Woche war es das Papier das beim Lösen aus dem Block eingerissen ist", Nic nimmt einen tiefen Zug. "Du bist der über den sich alle lustig machen, der der nach dem Bachelor von Psychologie zu Lehramt gewechselt hat, hn?", ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen und eins ist klar. Ich mag Nic. Oder ich könnte ihn mögen. Könnte lernen ihn zu mögen.
"Schuldig", er hebt grinsend beide Arme, "Hast du auch schon aus? Wir können reden wenn du willst. Über die hübsche blonde Frau auf deinem Lockscreen."
Den Lockscreen, den ich nicht ändern konnte. Auch nach fast fünf Monaten hatte ich es noch nicht übers Herz gebracht das Bild zu ändern. Jenes, auf dem sie zu sehen ist. Wie sie bei uns auf dem Hof steht, die Autotür geöffnet, eine Hand auf der Tür, das Sommerkleid das im Wind weht. Wie sie ihren Kopf lächelnd zur Haustür, zu mir, gedreht hat und mir lächelnd zum Abschied zuwinkt.
Und dann tue ich was ich die ersten Monate in Rostock niemals für möglich gehalten hätte. Ich nicke und verlasse mit Nic das Unigelände. Lasse jemanden in mein Leben.
Lasse Nic, einen Fremden in mein Leben.

"Sag das nicht Emy. Sag nichts was du nicht halten kannst", mit einem schmerzhaften Lächeln sehe ich nochmal zu ihr und steige dann zurück ins Auto. Sie tut es mir gleich.
Den Motor startend beginnt auch das Radio wieder meine Spotify Playlist laut wiederzugeben.
Es war eine furchbare Idee sie mitzunehmen.
Warum hatte ich nicht verhindert mit ihr gemeinsam in unser altes Leben zurückzukehren?

"Ich bin ausgestiegen und hab sie dann nie wieder gesehen. Ich hab am selben Tag München verlassen. Meinen Bruder, meine beste Freundin. Meine Heimat. Alles was mich noch an meine Eltern erinnert", ich sitze neben Nic im Treppenhaus einer Parkgarage auf dem dreckigen Boden an die Wand gelehnt und nehme einen großen Schluck aus dem Zitronenvodka, "Oh fuck ist der eklig." Und dann lachen wir beide und ich nehme erneut einen Schluck:"Ich hab hier mein Abi gemacht und- Ich... Es ist nicht leicht alleine zu sein... Ich hasse es in meinem Bett in der WG zu liegen. Es ist viel zu groß und... Ich kann nicht in großen Betten schlafen es... Es gibt mir das Gefühl verloren und alleine zu sein... Ich konnte das noch nie", und Nic hört zu, hört sich jedes einzelne Wort genau an während wir uns den Vodka teilen, "Seit meiner ersten Nacht hier hab ich noch mehr Albträume und kann nicht durchschlafen. Meistens davon wie Emy mich verlässt manchmal stehe ich aber auch alleine auf einem Segelboot das vom starken Wellengang zu Grunde gezogen wird... Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass ich alleine bin oder daran, dass ich in großen Betten einfach nicht alleine schlafen kann weil ich die Enge brauche... Weil ich seit ich Emy kenne nur selten Alleine eingeschlafen bin. Sie ist immer bei mir geblieben. In meinem kleinen Bett. Bis ich eingeschlafen bin... Ich weiß bist heute nicht, wass sie ihrem Mann erzählt hat warum sie immer erst so spät heim kommt."
"Ich kann bei dir schlafen", Nic drückt sanft meine Hand.
"Jede Nacht?"
"Solange du mich brauchst."

Nervös schließe ich die Haustür des Bauernhauses auf in welchem mein Bruder noch heute lebte. Der Jugendpsychologe den ich niemals verlassen wollte aber musste.
"Loucieá warte", Emys greift nach meiner Schulter und hält mich zurück, "Schau mich bitte an."
"Ich kann nicht", jeder Muskel meines Köprpers sehnt sich nach ihr und hasst sie gleichzeitig um so mehr.
"Du guckst mich schon seit dem Essen nicht mehr an", sie tritt näher an mich. Ich spüre wie sie meinen persönlichen Raum betritt, "Ich meinte das vorher ernst. Ich verlasse dich nie wieder. Nie nie wieder."
"Sag das nicht. Sag nichts was du nicht halten kannst Christiansen", ein Schauer zieht über meinen Rücken. Die Gedanken in meinem Kopf rasen und alles an was ich denken kann ist Fin. Fin und Emy wie sie sich lieben und ein Kind zeigen während ich in meinem Bett liege und sie vermisse.
"Ma- Manchmal wünsche ich mir ich würde einschlafen und nie wieder aufwachen", mein Herz rast und ich bin mir unsicher warum ich ihr das gestehe.
"Ist es das selbe, intensive Gefühl wie damals?", ihre schlanken Arme schlingen sich von hinten um mich und drücken unsere Körper eng aneinander.
"Seit du nicht mehr bei mir bist... Schlimmer", ich wollte nicht, dass sie sich schlecht fühlt. Wollte nur ehrlich sein. Nich unbedingt zu ihr, mehr zu mir als zu irgendwem anders. Die Tränen steigen in meinen Augen auf und ich spüre wie mein Herz immer schwerer wird. Spüre wie ich langsam die Kontrolle zu verlieren scheine:"Warum kannst du mich nicht auch lieben?"

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