11. Kapitel

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Just in case setze ich hier mal eine Warnung!

Der Wind dreht sich und die Segel des kleinen Bootes werden in eine neue Richtung gerissen, während die Wellen auf das dunkelbraune Holz schlagen und zerschellen. Der Regen peitscht in mein Gesicht.
Ich bin alleine. Alleine auf dem großen, offenen Meer. Alleine in einem Sturm. Gefangen auf dem Deck.
Der hellblaue Pyjama klebt durchnässt an meinem Körper währen ich verzweifelt versuche nach einem der Seile zu greifen. Mein Herz rast, mein Gesicht nass vom Regen und den salzigen Tränen. "Warum hilft mir denn niemand!", verzweifelt schreiend versuche ich mich zu orientieren.
Ein lauter Aufschrei lässt mich umschauen. Und da stehen sie. Wo kamen sie plötzlich her? Ich war doch alleine? Wo kamen meine Eltern her?
Erneut trifft eine große Welle das Segelboot und bringt es in noch größeres Ungleichgewicht.
"Luuuc!"
"Ich liebe dich meine Kleine! Ich liebe dich aber bitte... Bitte lass uns nicht sterben!"
Dads Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse, der Wind wird lauter, ich verstehe ihn nicht mehr, sehe nur wie sich seine Lippen bewegen.
Sehe wie er von einer großen Welle mitgerissen wird.
"Luc! Hey Luc wach auf es ist alles in Ordnung ich bin hier, ich bin hier Kleines", Nics warme Hände legen sich liebevoll auf meine Wangen.
Zitternd, verschwitzt, verängstigt blicke ich in seine braunen Augen.
Ein Albtraum. Nur ein Albtraum.
Draußen ist ein Blitz zu sehen. Das Unwetter war kein Albtraum.
Aber Nic war hier. Er war hier wie die letzten drei Semester auch. Nic war hier.

Erneut ertönt ein grollender Donnerschlag.
Der Regen prasselt laut gegen die Fensterscheiben.
Ein Blitz erleuchtet den Raum und lässt mich im Dunkeln einen Blick auf Emy erhaschen, die auf meiner Hüfte sitzt und stöhnend den Kopf in den Nacken wirft. Der Schweiß glänzend auf ihrem Dekolleté.
Das alte, braune Leder der Couch klebt an meinem Rücken, meine Hände halten Emys die auf meinem Brustbein liegen.
Wie viel Jackycola hatte ich bitte nachdem wir hier ankamen und ich von diesem schrecklichen Albtraum geweckt worden war?
Die Lippen meiner Ehemaligen Lehrerin finden mein Schlüsselbein und übersäen es mit sanften Küssen.
Scheiß drauf!
Energisch greife ich ihre Handgelenke und drehe uns auf der Couch, drücke ihre Hände über ihrem Kopf in die Polster.
"Verlass mich nicht Emy", meine Stimme bebt während ich versuche im Dunkeln Blickkontakt zu halten.
"Nie wieder Loucieá."
Wenn das wieder ein Albtraum ist, dann ist das ein verdammt guter.
Wache ich Morgen ohne sie auf, dann wenigstens mit einer guten Erinnerung.
"Nie wieder verlasse ich dich, keuchend drückt sie ihr Becken an meins.
Lächelnd spüre ich wie eine Träne meinen Augenwinkel verlässt:"Ich liebe dich!"

"Luc es tut mir so leid ich wollte mich nicht verspäten", außer Atem kommt Nic neben der Sitzecke zu stehen in welcher ich seit dreißig Minuten auf ihn warte.
"Wir waren vor einer halben Stunde zum Mittagessen verabredet", schmollend schiebe ich die Unterlippe vor als eine junge Frau mit vom Regen nassen Haaren neben ihm zu stehen kommt. "Ich weiiiiiiß doch Kleines aber ich hab Mara unterwegs getroffen", er lässt sich mir gegenüber auf die Bank fallen, "Sie ist die... Die..."
"Ich war Davids Freundin", sie lächelt und drückt sanft Nics Schulter. Das war also Mara. Lächelnd rücke ich ein Stück um ihr Platz zu machen. "Schon gut Nic, es sei dir verziehen", lächelnd stupse ich mit meiner Schuhspitze gegen sein Schienbein. David war Nics Bruder. Er hatte mir so viel wunderbares von ihm erzählt. Der Bruder, der sich für benachteiligte Kinder einsetzte. Der Mann, den ich unglaublich gerne kennengelernt hätte.
Nachdenklich beobachte ich wie sich die junge Frau neben mich setzt und sich aus ihrem klammen Mantel befreit:"Ich werde dieses Semester meinen Abschluss an eurer Uni machen, ich komme gerade aus München zurück und bin ziemlich aufgeregt. Ich hab gehört du kommst auch aus München?"
München genau das war die Stadt in die sie nach Davids Suizid gezogen war.
In Gedanken versunken höre ich nur leise das Gespräch der alten Freunde.

Emilias Kopf ruht auf meinem Brustkorb, ihre Haare fallen zerzaust von ihrem Kopf. Ihre Atmung ist ruhig.
Es war kein Traum. Wäre es ein Traum gewesen hätte sie mir gesagt, dass sie mich nicht liebt. Sie hätte sich von mir getrennt und mir gesagt wie sehr sie mich hasst. Hätte mir gesagt wie dumm es war etwas mit mir anzufangen. Hätte mir gestanden, dass sie nur etwas Spaß wollte. Mich zerstören wollte. Ihren Spaß daran hatte Schülerinen zu ruinieren.
Aber sie hatte keines dieser Worte in den Mund genommen.
Nicht so wie in all meinen Träumen in welchen sie vor kam.
Nein.
Diesmal hatte sie etwas gesagt, was ich niemals mehr erwartet hätte. Nicht nach 15 Jahren.
"Und ich liebe dich, Loucieá Fin."
Breit grinsend schlinge ich meine Arme um sie und schließe entspannt die Augen.
Mara war vergessen. Fin war vergessen. Kein Gedanke wurde an Ann verschwendet.
Wie seltsam es doch war. Als ich mich damals Hals über Kopf in meine Lehrerin verliebt hatte hätte ich genau so gut Mara über den Weg laufen können. Ich hätte mich wie damals im Restaurant in sie verlieben können und alles wäre so viel unkomplizierter gewesen.
Aber wer will es schon unkompliziert mit einer Frau, der man nur sein halbes Herz schenken konnte.
Wer hätte mir denn wirklich garantieren können, dass ich mich mit ganzen Herzen in Mara verliebe? Vielleicht hätte für immer win Teil gefehlt. Der Teil, den Emy ausfüllt. Den sie genau so ausfüllt wie auch den Rest meines Herzen.
Aber vielleicht hätte ich es garnicht gewusst. Vielleicht wäre ich davon ausgegangen, dass ich Mara mit ganzem Herzen liebe.
Hätte garnicht gewusst wie es war jemanden so intensiv zu lieben wie ich diese Frau liebte.

Ich blieb wach.
Wach aus Angst davor wieder schweiß gebadet aufzuwachen und die Lehrerin zu wecken.
Und dann vibrierte ein Handy. Einmal, zweimal, mehrmals
Verdammt ich wollte Mara schreiben wenn ich ankomme.
Panisch ziehe ich mir meine Jogginghose und den Hoodie über. Wenn sie mich so sieht bin ich tot.
Eilig schnappe ich mir das Handy und stürme in mein altes Zimmer, schalte das Licht an, lasse mich auf mein Kinderbett fallen, nehme dabei den Anruf an und sehe dann außer Atem in die Kamera.

"Du bist nicht Mom."

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