Mit den Händen über den Ohren sitze ich mit angezogenen Beinen auf dem geschlossenen Klodeckel. Namjoon hämmert mit den Händen gegen die Tür und fragt was los ist und wieso ich nach der Arbeit einfach rausrenne. Ich würde es ihm ja erklären wenn ich verdammt nochmal Luft bekommen würde.
Weiter nach Luft ringend beginne ich an meinen Haaren zu ziehen, der Schmerz hilft ein wenig dabei sich zu beruhigen aber es dauerte bestimmt trotzdem fünf Minuten bis meine Lunge aufhört wehzutun und ich richtig ein und ausatmen kann. Namjoon hat auch schon aufgegeben mich dazu zu bewegen aufzumachen, er steht mit dem Rücken an die Tür angelehnt im Gang, das sehe ich an den Füßen unter dem Türspalt. Ich muss ihn so beunruhigt haben mit der Panikattacke. Naja, zumindest glaube ich, dass es eine Panikattacke war, anders kann ich mir diese Gefühlslage nicht erklären.
Als ich die Tür aufschließe, fällt er fast nach hinten auf mich, fängt sich jedoch gerade noch so.
"Jin, geht's dir gut? Was ist denn los?" Namjoon fast mich vorsichtig an beide Schultern und schaut mir mit einer Mischung aus Sorge und Neugier in die Augen. Vermutlich sieht er jetzt, wie verheult ich bin.
"I-Ich habe die Prüfung total vermasselt. Das ist schon die zweite dieses Jahr, wie soll ich denn an irgendeiner Oberschule angenommen werden?" Meine Stimme zittert. Und in mir bauen sich Schuldgefühle an, weil ich ihn anlügen muss. Aber ich kann ihm doch nicht sagen, dass ich die ganze Zeit einfach nur daran gedacht habe was meine Eltern mit mir machen wenn sie es herausfinden. Auch wenn mein Vater das bisher noch nie gemacht habe, der Hintergedanke er könnte mich womöglich schlagen spukt mir dennoch im Hirn herum. Aber Namjoon denkt schon immer, sie wären locker mit sowas, ich will ihn nicht beunruhigen.
"Jin, du schaffst das schon, 50% der Note ist doch mündlich und es ist erst das erste Halbjahr. Solange du in den halbjährigen Nebenfächern halbwegs gut mündlich bist macht das doch gar nichts. Außerdem kann ich dir auch gern helfen beim Lernen, sag einfach bescheid wenn du Hilfe brauchst. Ich habe doch schon ein paar mal Nachhilfe gegeben, erklären sollte ich daher wohl ganz gut können." Er lächelt mich mit einem warmen Lächeln an, was mich dazu bringt zu zittern aufzuhören. Er scheint verstanden zu haben, was genau da eben passiert ist und ich bin dankbar dafür, dass er es nicht anspricht.
"Komm mal mit." Er zieht mich durch den kurzen und leeren Flur zu den Waschbecken und hält mir zwei in kaltem Wasser eingeweichte Tücher hin. Zum Glück ist es noch nicht Pause und wir haben den restlichen Tag frei, sonst würde man uns jetzt suchen oder wir müssen uns durchs Gedränge kämpfen.
"Leg die auf deine Augen, dann sind die gleich nicht mehr so rot. Wäre ja blöd, wenn du Kommentare von den ganzen Idioten aus der Klasse bekommst." Womit habe ich einen Freund wie ihn nur verdient?
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Bereits nach zwei Tagen bekommen wir die Prüfung wieder und wie erwartet habe ich schon wieder eine fünf. Auch wenn ich die Panik dieses mal herunterschlucken konnte, merkt Namjoon -welcher wohlgemerkt schon wieder eine eins hat- es bestimmt trotzdem. Er war immer ein sehr aufmerksamer Mensch und ich schaffe es gerade ja nicht einmal ein halbwegs realistisches Lächeln aufzusetzen. Man sieht es mir glasklar an. Auf dem Weg nach Hause schaffe ich es nicht einmal, mich richtig mit ihm zu unterhalten, obwohl ich das eigentlich will. Ich störe ihn momentan bestimmt nur und mache ihm Sorgen...
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Zuhause angekommen fängt mich meine Mutter schon an der Tür ab, sie weiß, dass ich die Prüfung heute wiederbekomme. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals als ich die Tür öffne und wird sogar noch schneller sobald ich sie sehe.
"Und, wie lief es? Wieder so schlecht?" Sie klingt irgendwie kalt. Ich antworte nichts, sondern senke nur den Kopf und hole die Prüfung aus der Tasche. Wie erwartet rastet sie aus und schreit mich an, ich versuche einfach nur nicht zu weinen und hebe meinen Kopf keinen Millimeter. Wenn das jetzt immer so läuft, werde ich noch verrückt.
Ich merke erst, wie fest ich meine Fingernägel dabei in meinen Arm gebohrt habe, als ich das warme Blut an meinen Fingerspitzen fühle. Was zur Hölle ist nur falsch mit mir. Nach einigen Minuten, wie lange genau kann ich nicht sagen, schickt sie mich endlich weg und verweigert mir sogar das Mittagessen. Dass sie so sind, sobald ich mal schlechte Noten schreibe, hätte ich wirklich nicht gedacht und ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Es fühlt sich irgendwie an, als hätte jemand eine Mauer zwischen uns gezogen und uns ein wenig auf Abstand gebracht. Ich habe gehofft, sowas passiert mir mit meinen Eltern nie, aber langsam scheint es einzutreten. Hoffentlich ist das nur eine Phase...
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Nach einigen Stunden, welche ich größtenteils damit verbracht habe Videospiele zu spielen, platzt mein Vater wütend in meinen Raum. Ich glaube noch so eine lange Schimpftirade halte ich heute nicht aus.
"Ist das dein Ernst, noch eine fünf? Was ist nur aus meinem Sohn geworden?" Gestresst fährt er sich durch die seit langem mal wieder heller gefärbten Haare.
"Und wieso lernst du eigentlich nicht, hör doch wenigstens für eine Stunde mal auf diese dämlichen Spiele zu spielen? Du hast doch erst zwei von fünf Prüfungen geschrieben, häng dich gefälligst rein!"
"Ich schreibe die Nächste doch eh erst in drei Wochen, da bringt es nicht so viel jetzt schon zu lernen. Ich fange eine Woche vorher damit an. Namjoon wollte außerdem mit mir zusammen lernen." Ich hoffe man hört die Angst, meinem Vater in so einem heiklen Thema zu widersprechen, nicht aus meiner Stimme heraus.
"Das ist ja schön und gut, aber für jemanden wie dich scheint das ja zu kurz zu sein. Ich organisiere dir einen Nachhilfelehrer bis zur nächsten Prüfung, Englisch war ja noch nie dein Fach. Montag geht es los, keine Widerrede."
Wütend schlägt er die Tür hinter sich zu und lässt mich ein wenig verwirrt alleine. Morgen habe ich frei, irgendein Feiertag von dem ich wieder mal keine Ahnung habe, sodass ich mich in meinem Zimmer verkriechen kann. Und ab Montag muss ich dann zur Nachhilfe. Ich hoffe das bringt wenigstens was, ich weiß nicht, was sie sonst mit mir machen. Und ich hoffe ich kann so endlich aufhören, Namjoon so viele Sorgen zu machen.
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A+ Student° ~ Jin FF, Side Story für Sociophobia°
Fanfiction-Beendet- Side Story für Sociophobia, bitte erst die Hautstory lesen, denn diese enthält einen Spoiler vom Ende POV: Jin No shippings Triggerwarning für Suizid, Depression & selbst verletzendes Verhalten