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Doch natürlich war es das nicht. Mitten in der Nacht wache ich mit unfassbar starken Kopfschmerzen auf, meine Gliedmaßen fühlen sich an wie Steine und doch zittere ich. Wieso? Wieso schaffe ich es nicht mal mich erfolgreich umzubringen, was kann ich eigentlich?

Nach einer halben Stunde schaffe ich es dann endlich aus dem Bett, ich gehe ins Bad und wasche mir mit kaltem Wasser das Gesicht ab, die Kopfschmerzen bringen mich vermutlich eher um als die Tabletten. Ohne zu zögern nehme ich direkt zwei Kopfschmerztabletten, die Wechselwirkungen sind mir aktuell egal. Dann gehe ich leise in die Küche um erstmal etwas zu Essen, in der Hoffnung den Schwindel zu vertreiben. Als ich auf die Uhr blicke, sehe ich dass es erst 3 Uhr morgens ist, was mache ich nur mit diesem Tag? Zumindest werde ich Namjoon heute absagen müssen, denn in diesem Zustand soll er mich wirklich nicht sehen. Ich bin weiß wie eine Wand und fühle mich sowieso hundeelend. So gut wie er mich kennt, würde er sofort hinter die Fassade blicken und Verdacht schöpfen.

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Und schon ist der Tag gekommen, an dem sich mein Unheil besiegelt. Wir bekommen die Abschlussprüfungen zurück und am Freitag die Zeugnisse.

Namjoon wirkt morgens so entspannt wie immer, er sieht nicht im Mindesten nervös aus. Ich bin so eifersüchtig, dass ihm das alles so leicht fällt und mir so schwer. Und immer wenn ich ihn sehe, spüre ich einen Stich in meinem Herz, ich wollte mich umbringen ohne dabei an seine Gefühle zu denken und konnte es ihm nicht mal sagen. Nicht mal verabschiedet habe ich mich, obwohl das oft ein wenig klischeehaft wirkt. Und ich wäre nicht einmal in der Lage in einem Brief meine Gedanken in Worte zu fassen, daher unterlasse ich dies gleich. Außerdem wird er sich wohl selbst erklären können, wieso ich das vor gehabt hätte. Naja, wer weiß, ob es in den nächsten Tagen nicht doch noch geschieht, das alles zeigt sich erst, wenn ich die Prüfungen zurück habe.

"Wir haben ja noch ein bisschen Zeit, bis der Unterricht anfängt, wie wäre es mit einem Eiskaffee to go? Geht auf mich." Er blickt mich an wie ein Kind, dass einen schönen Stein gefunden hat und zeigt auf das Eiskaffee neben er Schule mit dem To Go Schild neben der Tür. Wie habe ich so einen Freund nur verdient? Die Schuldgefühle, dass ich so ein schlechter Freund war, werden zwar immer größer, aber gleichzeitig freue ich mich auch darüber, so jemanden an meiner Seite zu wissen. Ich weiß nur einfach nicht, was er an einem wie mir findet. Mit unseren Bechern machen wir uns auf den Weg in die Schule...

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Wie erwartet habe ich in jeder Prüfung eine vier, in Mathe sogar eine fünf. Ich schaffe meinen Abschluss nicht, das ist hiermit besiegelt und die Panik in mir steigt stetig an. Mein Vater wird mich erschlagen. Und dass Namjoon nur gute Noten hat, macht es nicht besser.

Heute mache ich es noch einmal. Und zwar richtig, mit Schlaftabletten statt Beruhigungsmitteln. Ich mache es noch bevor meine Eltern diese Prüfungen überhaupt zu Gesicht bekommen, denn sie wissen nicht, dass wir die Noten heute schon haben. Das habe ich ihnen genau aus dem Grund nicht gesagt, da ich es vielleicht vorher beenden will. Jetzt steht dieser Plan.

Am Ende der ersten Stunde sprach mich unser Klassenlehrer noch einmal an, er meinte, dass er heute Abend noch meine Eltern wegen den Noten anrufen müsse und mich noch einmal vorwarnen will.

"In Ordnung, ich werde es ihnen ausrichten." Was für eine Lüge, um diese Uhrzeit werde ich hoffentlich gar nicht mehr am Leben sein. Aber das weiß der Lehrer zum Glück ja nicht.

Die restlichen Stunden des Tages saß ich einfach nur da. Die Gewissheit es gleich endlich beenden zu können hatte einen überwältigenden Beruhigungseffekt. Ich war nicht im Mindesten nervös, noch plagten mich die Schuldgefühle. Sie waren zwar irgendwo tief in mir noch da, aber die Freude diese Welt verlassen zu können überwiegt einfach. Endlich. Ich warte schon seit fast einem Jahr darauf.

Auf dem Heimweg muss ich mich dann aber doch zusammenreißen, nicht zu weinen. Der Gedanke ihn nie wieder zu sehen tut weh, aber ich muss es einfach tun.

"Bis Morgen dann, ah und ruf mich an sobald du die Prüfungen an deine Eltern weiter gereicht hast. Damit ich mir keine Sorgen machen muss, dass irgendwas vorgefallen ist." Er gestikuliert noch einmal einen Anruf und hört meiner Antwort zu, bevor er um die Kurve biegt.

"Mache ich, wir sehen uns." Im Jenseits. Irgendwann mal, hoffentlich dauert es noch. Wenigstens du sollst noch ein schönes, langes Leben haben. Du hast die besten Voraussetzungen im Gegensatz zu mir.

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Zuhause betrete ich das Haus genauso ruhig wie ich schon den ganzen Tag bin, nicht einmal der Anblick meines Vaters bringt mich jetzt aus der Ruhe.

"Habt ihr die Prüfungen schon zurück?" Ich verneine mit einem Kopfschütteln, sodass er genervt schnaubt und zurück ins Wohnzimmer geht. Ich für meinen Teil gehe weiter den Flur entlang, nachdem ich mit vergewissert habe, dass niemand in der Nähe ist, hole ich die Schlaftabletten aus dem Schrank. Unweigerlich muss ich mich an meinen letzten Versuch erinnern, was mir einen Schauer über den Rücken jagt.

In meinem Zimmer streife ich mir den Pulli über den Kopf und ziehe ein T-Shirt an. Das erste mal seit Monaten, aber meine Eltern sollen endlich verstehen, was sie angerichtet haben. Es ist absichtlich ein Weißes, damit sie auch alles an meinem Oberkörper sehen können, sobald es nass ist. Ich werde mich nämlich in der Badewanne umbringen, ich lasse sie volllaufen, lege mich hinein und nehme so viele Schlaftabletten, dass ich allein davon schon sterben würde. Aber zur Sicherheit sorge ich dafür, dass ich zudem noch ertrinke, sobald ich ohnmächtig werde. Diesmal muss es einfach klappen.

Als ich das T-Shirt übergestreift habe, laufe ich ins Bad und setze mich in die kleine Wanne, dann stelle ich das Wasser an. Es ist zwar eiskalt, aber das stört mich jetzt auch nicht mehr. Als sie vollgelaufen ist, drehe ich den Hahn ab und schlucke die Tabletten. Eine nach der anderen, es sind bestimmt über zehn aber genau zähle ich nicht mit.

Und langsam schwindet mein Bewusstsein, es fühlt sich anders an als das letzte Mal. So muss es sich anfühlen, wirklich zu sterben. Es ist unglaublich befreiend, gar nicht so beengend und beängstigend, wie die Leute immer sagen. Warum hatte ich eigentlich Angst davor, alle schlechten Gedanken und Schuldgefühle sind mit einem Mal weggeblasen.

Nach kurzer Zeit wird alles schwarz und ich merke, dass mein Kopf unter die Wasseroberfläche tritt...

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A+ Student° ~ Jin FF, Side Story für Sociophobia° Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt