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Auch die zweite Prüfung am Mittwoch, es war Mathe lief nicht besonders herausragend, aber da hatte ich ohnehin kaum Hoffnungen. Zugegeben, ein wenig leichter hatte ich es mir dann doch vorgestellt, aber es war allerhöchstens mit einer drei zu rechnen. Jetzt wird es mit Glück noch eine vier, ich werde meinen Abschluss höchstwahrscheinlich nicht schaffen wenn kein Wunder mehr geschieht.

Dementsprechend nervös bin ich auch jetzt, vor der letzten Prüfung in Englisch. In einer Viertelstunde geht es los und ich zittere wie Espenlaub. Namjoon versucht schon mich zu beruhigen, aber es bringt alles nichts. Ich habe eine so unbeschreiblich große Angst vor meiner Zukunft, dass es mir die Kehle zuschnürt. Und die Angst vor meinem Vater ist nicht kleiner, denn wenn ich den Abschluss nicht schaffe muss ich ausziehen und dann weiß ich absolut nicht mehr wohin mit mir. Namjoon kann ich ja nicht noch mehr belasten, da kann ich nicht durchschnorren.

"Jin, bitte versuch einfach ein wenig langsamer zu atmen, so bekommst du noch einen Panikanfall oder hyperventilierst. Achte mal auf meine Atmung und versuche irgendwie Deine daran anzupassen." Tatsächlich hilft es, was Namjoon da versucht. Nach kurzer Zeit bin ich wieder auf einem normalen Level und kann meine Gedanken sortieren.

Es bringt jetzt ja eh nichts mehr, nur weil ich jetzt Panik schiebe werden meine Noten auch nicht besser. Ich muss das jetzt einfach hinter mich bringen, ich muss das durchstehen. Was soll ich auch sonst machen, mich jetzt aus dem Fenster stürzen? Das kann ich nicht machen.

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Wie schon vorher erwartet, läuft es miserabel. Englisch war noch nie meins, ich verstehe viele Sätze nicht und meine Grammatik ist nicht sonderlich gut, aber ich weiß auch nicht, wie ich das verbessern soll. Noch in der Arbeit fange ich an über die inzwischen verheilten Narben an meinen Unterarmen zu kratzen, es ist mir egal, dass Namjoon mir regelmäßig besorgte Blicke zuwirft. Es tut mir unglaublich Leid für Namjoon, aber langsam bemerke ich, dass ich aufgebe. Die Sorge, dass ich ihn verletzen könnte überwiegt nicht mehr und offengesagt weiß ich nicht, wie lange ich es noch aushalte. Wie lange ich es noch ertrage am Leben zu sein. Am liebsten würde ich einfach alles beenden, aber irgendwie glaube ich, dass ich es nicht kann. Ich bin vermutlich doch zu feige.

Nur noch eine halbe Stunde, dann ist es endlich geschafft und ich kann nach Hause. Ich fühle mich zwar nicht mehr Zuhause an diesem Ort, aber immerhin ist der Stress jetzt vorbei und ich muss zumindest für die nächsten zwei Monate für nichts mehr lernen. Obwohl, wenn ich so darüber nachdenke, die Ferien werden mir meine Eltern schon noch zur Hölle machen wenn ich es vermassele und wiederholen muss. Selbst draußen auf dem Gang wirft Namjoon mir noch besorgte Blicke zu, bis er es endlich anspricht.

"Jin, was ist los? Denk nicht, ich habe nicht gesehen was du in der Prüfung mit deinen Armen gemacht hast, ich dachte es hat aufgehört. Lief die Prüfung so schlecht?" Man hört die Sorge deutlich in seiner Stimme.

"Nein, leider nicht. Aber keine Sorge, selbst wenn es schlecht läuft kann ich das Jahr ja wiederholen. An eine Oberschule kann ich aber vermutlich nicht mit dir gehen, tut mir Leid."

"Das muss dir ja nicht leidtun, wir sehen uns ja trotzdem an den Wochenenden oder ähnliches. Und falls du wiederholen musst, helfe ich dir eben beim Lernen, das wird schon. Aber jetzt sei bitte ehrlich, hast du... wieder damit angefangen?"

"Nein, wirklich nicht, glaub mir. Aber ich habe es irgendwie aus dieser Zeit beibehalten, dass ich aus Nervosität anfange an den Narben zu kratzen. Es ist aber dennoch alles gut verheilt, keine Sorge. Wirklich, langsam geht es mir wieder besser." Nach einigen Minuten des Schweigens trennen sich unsere Wege und ich biege in meine Straße ein...

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"Wirklich, du hast es schon wieder vermasselt? Wie kannst du nur, ich habe dir doch gesagt was passiert, wenn du deinen Abschluss nicht schaffst! Und komm mir nicht wieder damit an, dass du zu viel Stress hast, Stress blockiert ja wohl kaum das Hirn zum Lernen." Wenn er wüsste, was Stress alles auslöst... Er müsste sich nur meine Arme anschauen. Oder den Rest meines Körpers, inzwischen ist fast alles übersäht davon. Und schon beginnt er wieder mich zu ohrfeigen, immer der gleiche Prozess, wieder und wieder. Ich muss wirklich ein furchtbarer Mensch sein, dass ich das hier verdiene.

Und noch während den Schlägen verliere ich das letzte bisschen an Lebenswillen was ich noch hatte. Ich merke förmlich, wie sich dieses schlechte Gewissen gegenüber Namjoon aus meinem Körper austritt, jetzt ist als einzige klare Emotion nur noch der Wunsch zu sterben da. Es tut mir Leid Namjoon, aber ich denke nicht, dass ich noch sonderlich lange hier sein werde...

Was habe ich schon für Gründe am Leben zu bleiben. Ich hatte noch nie eine Freundin und niemand hatte je Interesse an mir, also auf Liebe kann ich schon mal nicht hoffen. Einen Job bekomme ich auch nicht und vermutlich verliere ich auch noch meinen einzigen Freund, denn man lebt sich nun mal auseinander, wenn einer noch zur Schule geht und der andere irgendwie mit Teilzeitarbeit über die Runden kommen muss.

Das ist also meine Zukunft, allein in einer Wohnung hocken und kaum mit Minijobs über die Runden kommen. Das ist es nicht Wert.

Als mein Vater endlich fertig damit ist, mich zu schlagen gehe ich in den Flur und öffne den Medizinschrank an der Wand. Ich mache mich auf die Suche nach Beruhigungstabletten, die Ärztin letztens meinte schließlich der Ohnmachtsanfall auch schlimmer hätte ausgehen können. Und genau das mache ich mir jetzt zu Nutzen, hoffentlich wache ich nie wieder auf.

In meinem Zimmer schließe ich die Tür ab und lege mich auf mein Bett. Mehrere Tabletten schütte ich mir in die Hand, wie viele es genau sind habe ich nicht gezählt, aber es sind eindeutig mehr als letztes mal. Mit der Wasserflasche neben meinem Bett spüle ich sie herunter und lege mich hin, auf die Wirkung wartend.

Nach kurzer Zeit verliere ich tatsächlich mein Bewusstsein, ist jetzt... alles endlich vorbei?

A+ Student° ~ Jin FF, Side Story für Sociophobia° Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt