6

31 2 0
                                    

Es ist jetzt bereits ein paar Tage her, dass wir die Prüfung geschrieben haben. Und ich werde immer nervöser, denn vermutlich bekommen wir sie heute zurück. Unser Lehrer schafft so etwas eigentlich immer in unter einer Woche und es ist jetzt Freitag.

Und diese Angst ist bei jener Prüfung auch deutlich berechtigter als sonst, denn er hat mich bei der vier im Vokabeltest schon geohrfeigt, sogar zweimal. Und es waren nur Vokabeln, wenn ich bei der Prüfung erneut eine fünf schreibe, habe ich morgen wohl ein Veilchen.

"Guten Morgen, wie ihr euch vielleicht gedacht habt, bekommt ihr jetzt zu aller erst die Prüfung zurück und könnt mit der Berichtigung anfangen." Unser Lehrer lässt demonstrativ die schwere Tragetasche auf das Pult fallen und fängt an sie auszuteilen, mein Herz schlägt mir bis zum Hals.

Noch während Namjoon mir zufrieden seine zwei entgegen hält, wird meine vor mich auf den Tisch gelegt, mit leicht zitternden Händen öffne ich den Hefter und zittere noch mehr, sobald ich die Note sehe. Eine fünf plus...

-

"Sag mal was kannst du eigentlich, wofür bezahle ich denn den Nachhilfelehrer!? Du bist so ein absoluter Nichtsnutz, ein Vollpfosten, mehr kann ich dazu einfach nicht sagen. Es kann doch nicht sein, dass du immer noch nichts verstehst, ab jetzt gehst du da zwei mal, wenn nicht sogar dreimal die Woche hin!" Mein Vater schreit mich bereits seit zehn Minuten an, ich habe den Kopf gesenkt und versuche einfach nicht hinzuhören. Was das ganze schlimmer macht, ist, dass meine Mutter nicht mal etwas dagegen tut, sondern einfach nur daneben steht.

"Ich habe gesagt, du sollst mich anschauen, verdammt!!" Und schon bekomme ich die erste Ohrfeige. Und vermutlich war das nicht die letzte, denn ich bringe es einfach nicht übers Herz ihm in die Augen zu schauen. Daher behalte ich meinen Kopf einfach in dieser seitlichen Position von dem Schlag.

"Nicht mal jetzt schaffst du es dich erwachsen verhalten, ich wusste früher schon, dass aus dir nichts wird!" Dieses mal schlägt er sogar mit der Faust zu. Ich bemerke, wie meine Lippe an der Seite leicht einreißt und mir Blut das Kinn hinab läuft, aber es stört mich nicht. Auch der Schmerz stört mich nicht, das einzige, was mich hier stört, ist dass ich jetzt erst herausgefunden habe, wie meine Eltern wirklich sind. Ich hätte mir früher niemals ausmalen können, dass sie mich auch nur ohrfeigen und jetzt hat mein eigener Vater mir die Lippe aufgeschlagen. Einfach unglaublich, ich weiß nicht einmal ob ich diese Personen, die hier vor mir stehen, überhaupt kenne.

"Jetzt geh mir bitte einfach aus den Augen, ist mir egal wohin aber geh einfach weg. Es ist mir auch egal ob du lernst oder abschreibst, aber komm mir ja nicht noch einmal mit so einer Note nach Hause, dann blüht dir Schlimmeres!"

Betreten gehe ich in Richtung meines Zimmers, hinter mir schließe ich die Tür ab und gehe in das kleine Bad nebenan. Als ich in den Spiegel schaue, erschrecke ich mich schon fast. Ich bin total bleich, abgesehen von der rot glühenden Wange und mein Kinn, sowie mein Pulli sind blutverschmiert. Immerhin hat mein Auge nichts abbekommen, es ist soweit ich weiß ziemlich schwierig ein Veilchen zu verstecken. Die Lippe kann ich einfach unter einer Maske mit der Ausrede, ich wäre erkältet, verstecken.

Allerdings muss ich das Treffen mit Namjoon morgen absagen, in dieser Verfassung werde ich dieses Wochenende das Haus nicht verlassen, denn privat kann ich ja wohl kaum eine Maske tragen. Ich muss nächste Woche bestimmt auch noch auf Essen in der Schule verzichten, da ich da die Maske abnehmen muss.

Noch während ich mir das Gesicht abwasche, fallen mir die roten Kratzspuren an meinem linken Unterarm auf, ich muss wirklich mal damit aufhören mir selbst wehzutun, nur um mich abzulenken. Oder....Nein, ich sollte das lassen. Für solche Aktionen würden meine Eltern mich nur noch weiter schlagen.

Als ich schlussendlich in meinem Bett liege und überprüft habe, ob meine Zimmertür wirklich verschlossen ist, lasse ich den angestauten Tränen endlich freien Lauf und schlafe einfach irgendwann ein dabei...

-

Zwei Tage später in der Schule muss ich wie erwartet eine Maske tragen. Ich habe mich das ganze Wochenende in meinem Zimmer verschanzt, aus Angst ihm unter die Augen getreten nur nachts etwas gegessen. Heute morgen bin ich ihm das erste mal wieder begegnet und ich habe so einen Gesichtsausdruck noch nie in seinen Augen gesehen. So kalt hat er mich noch nie angesehen, jetzt hat er anscheinend wirklich jegliche Zuneigung zu mir verloren. Wieso zur Hölle ist das nur so, so war er doch früher auch nicht. Oder er hat es versteckt, meine Mutter tat dies ja anscheinend auch. Jedenfalls, ich saß das ganze Wochenende da drin, habe mich dazu gezwungen zu lernen und irgendwie versucht meine Lippe so gut es geht zu verarzten. Es sieht auch schon wieder ganz gut aus, in zwei bis drei Tagen wird es wohl weg sein. Ich muss nur diese paar Tage ohne Essen aushalten.

"Hi Jin, geht's dir gut, du bist so blass. Und wieso trägst du eine Maske?" Namjoon blickt mich ein wenig skeptisch an, sobald ich vor ihm stehe.

"Erkältung. Aber keine Sorge, mir geht es ansonsten so weit gut, ich will nur niemanden anstecken." Ich lächele ihn an, auch wenn ich eine Maske trage sieht man es an meinen Augen. Er lächelt zurück, dieses warme Lächeln beruhigt mich ein wenig auch wenn ich immer noch Angst habe, dass er etwas bemerken könnte. Egal was passiert, das letzte was ich will ist ihm Sorgen zu bereiten, das hat er nicht verdient. Insbesondere nicht wegen so etwas scheinbar belanglosem wie Noten, er hat immer versucht mir zu helfen, aber ich habe nie begriffen was er mir da erklärt. Obwohl er doch so gut erklären kann, und das einzige was ich hier tue ist ihm das Gefühl zu geben genau das nicht zu können. Das werde ich in zwei Wochen sogar nochmal tun, da schreiben wir die nächste Prüfung. Er hat so etwas wie mich nicht verdient, vielleicht hat mein Vater recht und ich bin nutzlos, nichts mehr als ein Ballast, welcher den Leuten das Leben schwer macht. Wieso schaffe ich es nur nicht, einfach aufzuhören, den Menschen Probleme zu machen, ich bin so... so unfähig...

-

A+ Student° ~ Jin FF, Side Story für Sociophobia° Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt