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"Guten Tag Fr. Kim, Seokjin-ah" Begrüßt uns mein Lehrer, wir tun es ihm gleich. Danach setzen wir uns auf die Stühle vor ihm und warten darauf, dass er weiterspricht.

"Also, wie sie anhand der Prüfungen möglicherweise gemerkt haben, steht es aktuell nicht so gut bei ihrem Sohn. Er kommt fast nirgendwo über eine drei, vieren sind auch dabei und sogar eine fünf. Die genaueren Noten sind: Koreanisch 3, "

Wiedermal höre ich danach nicht mehr zu, sondern blicke einfach nur auf den Boden unter meinen Füßen, hoffend meine Mutter ist nicht all zu enttäuscht von mir. Allerdings sind das fast schon utopische Vorstellungen, ich denke ich kann froh sein, wenn sie mich danach nicht schlägt.

"...also Seokjin, an deiner Stelle würde ich mich wirklich ein wenig mehr anstrengen, du willst doch bestimmt an eine gute Oberschule. Das wäre es jedenfalls von meiner Seite, gibt es noch irgendwelche Fragen?" Wir schütteln beide den Kopf und verlassen den Raum, ich habe es noch nicht einmal geschafft ihr in die Augen zu blicken. Aber das was sie tut, sobald wir außer Sichtweite des Lehrers sind, ist unglaublich.

Ohne zu zögern ohrfeigt sie mich, vor zwei meiner Klassenkameradinnen und deren Eltern. Von der Seite nehme ich geschockte Blicke und Getuschel wahr, jedoch bin ich aktuell mehr damit beschäftigt, selbst nicht all zu geschockt auszusehen. Wie immer fängt sie an mich anzuschreien.

"Wie kannst du dir sowas nur erlauben, das ist dein Abschlussjahr! Werde gefälligst besser du Nichtsnutz! Das war doch früher nicht so, wann bist du eigentlich so faul geworden, wir haben als Eltern versagt! Du bist so.... so nutzlos!" Wütend stapft sie davon, ich gehe ihr mit weiterhin gesenktem Kopf und brennender Wange hinterher. Ich spüre die geschockten Blicke meiner Klassenkameradinnen in meinem Rücken, ich hoffe einfach nur sie erzählen es nicht Namjoon.

Im Auto auf dem Weg nach Hause würdigt sie mich keines Blickes und spricht auch kein Wort mit mir, ich kämpfe immer noch mit den Tränen. Von seiner Familie zu hören zu bekommen, man sei wertlos und nutzlos tut einfach weh und das wird wohl auch noch ein paar Tage anhalten.

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"Seokjin komm essen!" Mein Vater ruft von unten nach mir, jedoch antworte ich ihm nur, ich hätte keinen Appetit. Ich will ihnen nicht unter die Augen treten und das mit dem Appetit war nicht einmal gelogen. Seit Wochen nimmt mein Appetit ab, langsam bemerke ich das aber ich kann mich nicht aufraffen zu essen. Vielleicht habe ich sogar schon angenommen, wer weiß.

Ich liege jetzt schon den ganzen Tag in meinem Bett, als wir vom Elternsprechtag wiedergekommen sind bin ich geradewegs in mein Zimmer gelaufen und habe das nicht geändert. Es ist bereits Abend, ich habe sowohl das Mittag- als auch das Abendessen ausgelassen.

Was ich heute alles hätte machen sollen löst schon fast Panik in mir aus, ich muss nächste Woche meine Präsentation vorstellen mit welcher ich noch nicht einmal angefangen habe. Außerdem schreibe einen Vokabeltest in Japanisch für den ich auch noch nicht einmal angefangen habe zu lernen. Und dann auch noch die Prüfung am Montag. Ich kann einfach nicht, ich habe nicht die Energie dafür.

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Einen Tag später fing ich dann doch endlich mit der Präsentation an. Naja, besser gesagt hat Namjoon mich dazu gebracht, es hat sich herausgestellt, dass wir auch zu zweit arbeiten dürfen und selbstverständlich haben wir die Chance genutzt. Gerade sitzen wir in einem dieser Internetcafés und sitzen an der PowerPoint, wie immer ein riesen Aufwand für nichts, da es eh nach der Vorstellung im Archivordner landet. Aber das ist erstmal egal, bisher geht es mir einfach nur um die gute Note. Namjoon fühlt das selbe.

"Ließt du dann den Part vor, ich mache den mit den vielen Fachbegriffen wenn das okay ist." Dankbar lächele ich ihn an und nicke, ich hatte es noch nie sonderlich mit Fachbegriffe aussprechen, besonders dann nicht, wenn ich nervös bin. Das ist außerdem noch ein weiterer Grund, wieso ich solche Vorträge hasse, sich vor die ganze Klasse zu stellen und zu reden ist absolut furchtbar.

Zwischendurch bestellten wir uns einen weiteren Kaffee, es wird sogar schon dunkel draußen. Wie viel Freizeit man opfern muss, nur um gut in der Schule zu sein ist unfassbar. Soviel dazu, wenn Erwachsene sagen "Lebe deine Jugend". Wie denn bitte? Wenn man sein Leben so lebt wie andere es wollen lebt man praktisch gar nicht und wenn man so lebt wie man es will wird man von seinen Eltern geohrfeigt. Erkenntnismäßig. Das Leben ist einfach nicht lebenswert, der Meinung bin ich schon seit Jahren aber was soll man schon dagegen machen?

Nachdem wir unsere Tassen geleert und ich die Präsentation auf meinem Laptop gespeichert habe, machen wir uns auf den Weg raus. Direkt peitscht mir kalter Wind ins Gesicht, sodass ich meinen Kragen ein wenig höher ziehe.

"Wollen wir noch irgendwo was essen gehen? Es ist noch nicht all zu spät und irgendwie will ich nicht nach Hause." Mit anderen Worten, ich will keine weiteren Standpauken aushalten müssen, weil wir so spät damit angefangen haben.

"Klar, ich wäre für Hähnchen. Und du?" Er fröstelt ebenso etwas.

"Gute Idee, die Wärme vom Grill tut bestimmt gut." Ich lächele ihn an und wir kämpfen uns durch die Kälte zu unserem liebsten Restaurant. Es fühlt sich an als wäre es schon mitten in der Nacht, dabei ist es erst 19 Uhr. Merkwürdige Jahreszeit, so früh sollte es noch nicht so dunkel sein.

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Nach einer Stunde ungefähr verlassen wir das Restaurant und machen uns auf den Weg nach Hause, leider müssen wir in verschiedene Richtungen laufen und können nicht zusammen gehen.

Doch als ich Zuhause beim Rucksack packen nochmal in meinen Kalender schaue, rutscht mir mein Herz in die Hose. Wir schreiben den Vokabeltest nicht nächsten Freitag sondern Morgen! Ich habe mir die Wörter noch nicht einmal durchgelesen, wir soll ich das denn schaffen? Der eine Test wird meine Note zwar so gut wie nicht beeinflussen, aber meine Eltern begreifen sowas nicht. Sprich wenn ich den verhaue obwohl ich jetzt Nachhilfe habe, weiß ich trotzdem nicht was mir blüht.

Emotional am Ende setze ich mich an den Schreibtisch und schlage das Buch auf, aber wie schon bei den letzten Prüfungen ist das Geschrei meine Eltern in meinem Kopf so viel lauter als die Vokabeln und ich kann nichts davon aufnehmen. Umso mehr ich versuche mich zu fokussieren, desto lauter wird es und ich fühle mich als würde ich verrückt.

Wie immer fällt mir nur eine Beschreibung dafür ein: Panik.

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A+ Student° ~ Jin FF, Side Story für Sociophobia° Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt