Kapitel 5. Wo bin ich?

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Schweißgebadet wache ich auf. Es ist dunkel und ich kann nicht viel erkennen. Eigentlich kann ich überhaupt nichts erkennen. Es beunruhigt mich. An mir zerrt eine Frage. Hat er mich jetzt? Ich versuche so leise wie möglich zu atmen. Cathy, beruhige dich doch!

 Ich wurde von Jemandem in eine Decke gepackt und in ein Bett gelegt. Es fühlt sich nicht wie mein eigenes Bett an. Auch das Kissen ist nicht so bequem wie mein eigenes. Angst durchfährt mich. Ich bin garantiert nicht zu Hause! Soll ich mich jetzt darüber freuen oder soll ich doch lieber traurig sein?

  Plötzlich höre ich Stimmen außerhalb des Raumes, in dem ich mich befinde. Ich höre ein Poltern und ein Zischen. Erneut überkommt mich ein kalter Schauer. Aber was war denn nur passiert? An alles was ich mich erinnern kann, sind ein Vogel, ein rotes Geländer und eine junge Frau. Was hat ein rotes Geländer mit einer Frau und einem Vogel zu tun?

Nun springt die Tür auf. Ich kreische hektisch und falle aus dem Bett. Mein Körper landet schmerzvoll auf einer der vielen Holzdielen und tut höllisch weh, aber trotzdem bleibe ich in dieser Position liegen. Ich will nicht aufstehen, das könnte ER sein. Ich vergrabe meinen Kopf in beide Hände und versuche nicht zu schreien.

 Sofort schaltet die Person on eben das Licht an und nähert sich. Feste Schritte nähern sich. Ich erstarre. Also ist es doch Daddy. Ich werde grob nach oben gezogen. Von einer Männerhand werde ich hochgezogen. Ich schließe meine Augen und schreie mir die Seele aus dem Leib, ich schreie, dass er mich loslassen soll, dass er weggehen soll. Er setzt mich auf seinem Schoß und hält mir die Hand  vor dem Mund.

 ,,Psst, ich will dir doch gar nichts tun.“ Flüstert er. Ich reiße meine Augen auf. Die Stimme klingt ganz anders als die Daddys.  Erschrocken drehe ich mich um und sehe dem Fremden ins Gesicht. Er sieht überhaupt nicht bedrohlich aus. Seine kurzen schwarzen Haare sind etwas verschwitzt und zerzaust. Seine braun/grünen Augen starren mich voller Mitgefühl und Trauer an. Er hat eine goldene/hellbraune Haut. Er sieht recht jung aus. Aber dennoch ist er von dem anderen Geschlecht. Ich fühle mich unwohl bei ihm zu sein.

Sein Griff lockert sich. Das nutze ich aus, um aufzustehen und zur Wand zu rennen. Ich will nicht, dass er mich anfasst. Er soll mich nicht anfassen! Ich setze mich auf die kalten Holzdielen und starre ihn einfach nur an. Etwas unbeholfen sieht er zur Seite.

 ,,Dennis, du hast sie ja total verschreckt!“ Ertönt es nun von der Zimmertür. Ich reibe nervös meine Hände und will sehen, wer die Person mit der weiblichen Stimme ist, bis sie dann endlich in den Raum tritt. Ein Lächeln huscht über meine Lippen. Miriam. Die Frau von der Brücke. Die Frau die mich vom Fliegen abgehalten hat. Die Frau, die ER gefeuert hat.

 Sie kommt näher. Diesmal habe ich nicht das Gefühl, zurückweichen zu müssen. Sie ist eine Frau, da ist das in Ordnung. Schnell kommt sie auf mich zu und drückt mich an sich. ,,Weißt du noch wer ich bin?“ fragt sie, während sie mir ein großes Lächeln schenkt. Ich nicke. Ich kann einfach nicht sprechen. ,,Okay, das ist gut. Tut mir Leid das dich mein Freund so erschreckt hat. Er ist ein ganz Netter, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“ Er ist ein Mann, da mache ich mir sehr wohl Sorgen.

Langsam steht dieser Dennis auf. Er bemüht sich, mich nicht noch einmal so zu erschrecken, aber es klappt nicht. Schnell springe ich hinter Miriams Rücken und denke nicht mal daran, mich ihm vorzustellen.

Er setzt sich im Schneidersitz neben seine Freundin und sieht sie fragend an. Miriam nickt nur  in meine Richtung. Seufzend steht er dann auf und geht aus dem Zimmer. Puh, endlich ist er weg.

 Miriam setzt sich nun neben mich und scheint zu überlegen. ,,Cathy, Dennis ist wirklich ein guter Mensch, das kannst du mir glauben.“ Ich schaue verächtlich zur Seite. Das hab ich auch von Daddy gedacht.

 ,,Hast du Hunger? Möchtest du etwas essen oder trinken?“ Ich schaue sie an. Sie meint es ernst mit mir. Sie ist wirklich besorgt um mich. Ich schüttle den Kopf und sehe mich im Zimmer um. Die Wände sind in einem freundlichen Fliederton gestrichen. Die Möbel sind alle weiß und beige. Zudem zieren schöne Orchideen die Fensterbank. Ich muss wohl in Miriams Schlafzimmer sein. Nett hat sie es hier.

 Langsam geht meine Sprechsperre vorüber. ,,Miriam?“ Frage ich sie leicht verlegen. Sie lächelt und nimmt meine Hand. ,,Ja?“ Ich versuche genauso schön zu lächeln wie sie, aber es gelingt mir nicht. ,,Darf ich dich vielleicht Miri nennen?“ Sie schmunzelt.

 ,,Aber natürlich darfst du das. So nennt mich sowieso schon Jeder.“ Erleichtert atme ich aus. Doch sofort wird Miri wieder Ernst. Habe ich irgendetwas Falsches gesagt? Eindringlich sieht sie mir in die Augen. Ihr liegt irgendetwas auf dem Herzen. ,,Cathy, darf ich dir eine Frage stellen?“ Ich zögere, nicke dann aber. Sie reibt sich die Augen und setzt ein paar Mal  zum Sprechen an, bis sie es dann tatsächlich tut. ,,Warum soll ich dich nicht zurück zu deinem Vater bringen?“ Ich schnappe scharf die Luft ein. Nein….Nein, nicht diese Frage! Ich kann ihr das doch gar nicht erklären! Ich darf es ihr nicht mal erklären Ich habe versprochen, es Niemandem zu erzählen! Egal was kommt.

 ,,Al…Also das…das….das kann ich dir leider nicht erklären“ Betrübt schaue ich auf die Holzdielen. ,,Cathy, aber dein Vater vermisst dich bestimmt schon. Er wird nach dir suchen und wenn er dich nicht findet, ist er tot-traurig“ Nein, er ist nicht traurig. Er wäre nicht traurig! Er ist doch froh, dass er mich endlich los ist. Wenn er mich vermissen sollte, dann auch nur, weil er jetzt keinen Spielpartner mehr hat.

 ,,Bitte….Bitte bring mich nicht zurück!“ Schluchze ich. Sie wird es nicht verstehen. Sie wird mich zurück bringen! ,,Hey, nicht weinen. Wir schaffen das schon. Wenn dir so viel daran liegt, dann werde ich dich erst mal hier behalten.“ Ich falle ihr in die Arme und lasse sie meine Erleichterung spüren. ,,Danke….Danke Miri!“ Weine ich schon wieder.

 ,,Es ist kein Problem. Aber so kann das auch nicht weiter gehen. Wir müssen zusammen eine Lösung finden, ja?“ Ich nicke. Sie steht auf und klopft sich die Hose ab.

 ,,Es ist übrigens schon wieder Abend. Möchtest du wirklich nichts essen?“ Ich lächle. Ich lächle, weil sie sich so viele Sorgen macht. ,,Nein danke, ich habe wirklich keinen Appetit, ich bin einfach nur müde.“ Sie nimmt mich hoch auf ihren Arm und legt mich in das große Himmelbett. ,,Möchtest du etwas Anderes zum Anziehen haben? Meine Sachen müssten dir zwar deutlich zu groß sein, aber du hättest etwas über die Nacht.“ Ohne meine Antwort abzuwarten, läuft sie zum Kleiderschrank und zieht einen warmen Pullover und eine  Jogginghose heraus. ,,Magst du das mal überziehen?“ Ich lache und nehme ihr die Sachen ab. Sie dreht sich um, damit ich mich umziehen kann. Sicherheitshalber ziehe ich mich trotzdem unter der Bettdecke um.

  ,,Miri, ich bin fertig!“ rufe ich schließlich und komme hervor. ,,Steht dir ausgezeichnet.“ Lächelt sie und zeigt ihren Daumen nach oben. Ich stimme mit ein und lache mit. Dann lege ich mich unter die Decke und versuche meine Augen offenzuhalten. ,,Bevor du jetzt einschläfst, wollte ich dir sagen, dass ich morgen früh nicht da bin. Ich werde zu meinen Eltern fahren und ihnen ein wenig Gesellschaft leisten. Das würde heißen, dass du mit Dennis allein wärst. Jedoch bin ich mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee wäre.“ Sie schaut mich nachdenklich an.

  Auf keinen Fall will ich mit ihm allein sein! Ich hab keine Lust auf ein neues Spiel. Aber andererseits hat sie ja schon gesagt, dass er nett ist. ,,Nein, nein. Es ist kein Problem“ Lüge ich schnell. Sie drückt mich liebevoll an sich schaltet das Licht aus. ,,Gute Nach.t“ Damit verlässt sie das Zimmer. Bald darauf fallen meine Augen erschöpft zu.

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Diesmal geht die Widmung an Finja_1D (: Hoffe du magst das Kapitel ♥ Vielen Dank für eure lieben Kommentare! Echt aufbauend!

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