Kapitel 6. Über den Wolken

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Schwerelos gleite ich durch den Himmel. Ein warmer Wind weht mir entgegen. Die Sonne strahlt in einem leuchtenden Gold Ton.

Ich fliege durch eine Wolke hindurch. Sie fühlt sich weich und auch ein wenig feucht an. Mummy hat immer gemeint, dass es drei verschiedene Arten von Wolken gibt. Das wären zum einen die grauen; schweren Wolken, die nur am Himmel erscheinen, wenn sich ein großes Unwetter anbahnt. Viel schöner aber, sind die weißen; freundlichen Wolken, die der Sonne helfen sollen, Freude auf der Erde zu verbreiten. Bei der dritten Art, musste Mummy immer schmunzeln. Sie meinte immer: ,,Und dann gibt es noch eine ganz besondere Wolke. Sie nennt sich Wolke sieben. Auf ihr treffen sich im Gedanken zwei Menschen, die sich sehr lieb haben. Sie haben das Gefühl, dass sie schweben. Sie fühlen sich in besonderer Weise glücklich."

 Was Mummy mit Letzterem meinte, habe ich nie verstanden. Wie kann auf nur einer Wolke, Platz für zwei Menschen sein? Egal.

 Ich fliege weiter nach oben. Zwei silbern funkelnde Flügel sind auf meinem Rücken befestigt. Sie schwingen gleichmäßig auf und ab. Ein langes Kleid schmiegt sich um meine Taille. Es ist in einem sinnlichen beige gehalten. Schuhe habe ich nicht an. Aber das macht nichts, mir ist ja auch nicht kalt. Ich sehe mich um. Ein riesiges Meer aus Wolken, hier und da mal eine Schwalbe und natürlich der strahlend blaue Himmel- Aber was ist das?

 Dort oben scheint etwas in einer unerklärlichen Farbe. Es ist eine Mischung aus weiß, silbern, rosa und orange. Nein, nein es ist nicht das Sonnenlicht. Es ist etwas anderes. Langsam nähere ich mich dem leuchtenden Punkt. Ich kneife hektisch meine Augen zusammen, als es mich blendet. Nur mit Mühe schaffe ich es, ein paar Mal zu blinzeln. Ein schwacher Umriss eines Menschen erscheint. Ein Umriss einer zierlichen Frau. Es ist Mummy.

 Überwältigt stürze ich zu ihr und nehme ihre Hände in meine. Sie fühlen sich so vertraut und warm an. Mummy hat sich kaum verändert. Sie sieht noch genauso aus wie damals. Ihre langen braunen Haare flattern im Wind, ihre Augen sind mit Freude und Liebe gefüllt. Ihr wunderschönes Lächeln hat sie auch nicht verloren.

 ,,Mummy, du hast ja auch Flügel!" Stelle ich begeistert fest. Sie lacht nur und zieht mich in ihre Arme. ,,Gefallen sie dir?" Fragt sie kurz darauf. Oh, wie ich ihre Stimme vermisst habe. Ich nicke schnell und schluchze ein paar Mal. ,,I-Ich ha…habe dich so vermisst." Heiße Tränen laufen über meine Wangen. ,,Ich dich auch mein Schatz." Sie streichelt mir durchs Haar und legt ihr Kinn auf meinen Kopf. Ich klammere mich fest um ihre Schulter.

 „Ich will dich jetzt nie wieder loslassen.“ Schluchze ich ein weiteres Mal gegen ihren Hals ,,Ich dich doch auch nicht, mein  Schatz. Aber Cathy, du musst wieder zurück. Zurück zur Erde, zurück zu deinem alten Leben." Ich schrecke auf. Warum sagt sie so etwas? Will sie mich nicht bei sich haben? Weiß sie überhaupt, durch was für eine Hölle ich gegangen bin? ,,Aber Warum?" Ein großer Kloß bildet sich in meinem Hals.

 „Weil du gebraucht wirst. Du hast außerdem noch dein ganzes Leben vor dir." Sie streichelt meinen Rücken. „Ich werde überhaupt nicht gebraucht. Daddy, nein, so darf ich ihn ja schon gar nicht mehr nennen, will mich überhaupt nicht mehr. Er hat mich aus seinem Leben gestrichen. Er...er...er" Weiter komme ich nicht. Der Kloß kontrolliert meine Stimme.

 „Ich weiß was er getan hat. Es ist nicht schön. Es ist überhaupt nicht schön von ihm. Was ist nur aus deinem Vater geworden, hm?“- Sie streicht sich selbst eine Träne aus dem Gesicht, dann fährt sie fort. „Aber ich weiß, dass du es packen könntest. Ich weiß, dass du es schaffen wirst, zurück in dein Leben zu finden. In ein besseres Leben. Außerdem kenne ich Miriam. Sie ist ein wunderbarer Mensch und würde sich gut um dich kümmern." Mummy stößt einen langen Seufzer aus. Ich überlege.

 „Kann ich nicht einfach hier bei dir bleiben? Ich halte das wirklich nicht mehr aus. Es geht nicht mehr!" Ich nehme flehend ihre Hand. ,,Bitte lass mich bei dir!" Sie gibt ein gequältes Lächeln von sich. „Schatz, das geht leider nicht. Du musst zurück. Ich werde immer bei dir sein, keine Sorge. Ich bin bei dir!" Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange und wird langsam durchsichtig.

 ,,Nein! Nein! Mummy bleib hier! Bleib doch bei mir! Ich will nicht allein sein! Geh nicht!" Ich versuche meine Hand nach ihr auszustrecken. Doch plötzlich werde ich grob zurückgezogen. Jemand zieht mich zurück! Ich will mich zu dieser Person umdrehen, aber meine Hände werden unsanft auf den Rücken gedreht. Ich bin gezwungen, auf die Schulter des Fremden zu lehnen und erschaudere.

 ,,Prinzessin, du kannst mir nicht entkommen." Flüstert er verschwörerisch. Ich halte die Luft an, bis ich begreife. Daddy befindet sich hinter mir. Der Teufel selbst ist hergekommen. „Und Philippa kann dir jetzt auch nicht mehr weiterhelfen. Niemand kann dir helfen!" Er legt seinen Arm um meine Schulter. ,,Du gehörst zu mir, nicht zu deiner Mutter!" Er gräbt seine Fingernägel in mein Fleisch. Ich stoße ihn mit voller Wucht von mir weg. Er wispert etwas Unverständliches vor sich hin. Der Himmel färbt sich schwarz. Graue Wolken ziehen auf. Ein Unwetter bahnt sich an.

  Meine Flügel lösen sich langsam in Luft auf. Mein Kleid verwandelt sich zu einer giftgrünen Schlange. Sie zieht an mir und erwürgt mich fast, bis ich falle. ,,Ich werde kommen. Ich werde dich holen! Du wirst mir nicht noch einmal entwischen, Liebling!" Schreit der Teufel mir nach.

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Kapitel 6 erfolgreich abgeschlossen. Bin auf eure Meinungen gespannt, weil Viele etwas anderes erwartet hatten. Ich bitte auch die ,,Geister-Leser" um einen Kommentar:) Außerdem bin ich froh, dass die Story bis jetzt immer so gut angekommen ist :o

Bis zum nächsten Kapitel, 

eure hate_spiders ♥ 

Bleeding WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt