Kapitel 15. Jetzt oder nie

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Es wird draußen immer dunkler. Mit einem Schrecken stelle ich fest, dass der Herbst sich langsam dem Ende neigt. Kleine, weiße Geschenke des Himmels, sowie Mummy sie immer genannt hat, fallen sanft von dem bewölkten Nachthimmel zur Erde. An den Ästen der Bäume bilden sich kleine Eiszapfen mit einer gefährlich scharfen Spitze. 

Toll. Den ganzen Herbst habe ich hier verbracht, ohne einmal rausgehen zu dürfen. Ich hatte doch so viel vor! Ich wollte in bunten Laubhaufen springen und aus Kastanien kleine Tiere basteln. Ich habe so viel verpasst....

 Ein weiterer Monat ist vergangen, seitdem ich weiß, dass Er Mummy das Leben genommen hat. Mittlerweile denke ich jeden Tag an sie, bete sogar manchmal zu Gott, obwohl es ihn doch eigentlich gar nicht geben kann, wenn ich hier immer noch gefangen bin.

 Der Teufel redet immer auf mich ein, dass ich gefälligst mehr essen solle, da ich sonst irgendwann umkippen würde. Und wenn, es wäre mir egal. 

Heute ist er noch nicht einmal zu mir gekommen, um zu fragen, wie es mir denn geht. Aber wie soll es mir auch schon gehen? Alleine und im Stich gelassen. Er hat mir Gestern Abend, mit voller Vorfreude, erzählt, dass wir Morgen nach Australien zu seiner Hailey fliegen werden.

 Aber ich will hier doch gar nicht weg! Traurig beobachte ich eine kleine Spinne, die ihr Netz in der obersten Ecke des Zimmers spinnt. Und da fällt mir wieder der Plan ein, den ich mir heimlich ausgedacht habe, um hier endlich fliehen zu können. Um ihm zu entkommen. Entweder ich versuche wenigstens hier rauszukommen, oder er schleppt mich mit nach Australien.

 Die erste Variante ist mir wesentlich lieber. Aber er hat schon einmal gesagt, dass er mich überall finden würde...Was mache ich nur? Was ist, wenn das stimmt? Verzweifelt reibe ich mir den Schweiß von der Stirn und grüble weiter nach. Plötzlich kommt der Teufel unerwartet in den Raum. Und ich dachte schon, er hat mich vergessen.

 ,,Wunderschönen guten Abend, mein Spatz!" Begrüßt er mich grinsend. Ich sage nichts. Ich rede schon seit Tagen nicht mehr mit ihm. Es hat ja auch keinen Sinn. ,,Na, freust du dich auch schon so auf Morgen, wie ich?" Er klatscht viel sagend in die Hände und träumt vor sich hin. Nein, ich  freue mich nicht auf Morgen.

 ,,Aber Daddy...ich...ich will da doch gar nicht hin!" Jammere ich leise, was ihn aufhorchen lässt. „Ach Cathy, du weißt noch nicht was gut für dich ist und was nicht. Wir werden eine schöne Zeit dort haben. Außerdem wird Hailey dir eine sehr gute Mutter sein." Lächelt er und tätschelt meine Hand, bevor ich sie rasch weg ziehe.

„Ich mag diese Hailey nicht! Ich will hier bleiben!" Schmolle ich weiter.

„Cathy, wir ziehen nach Australien. Punkt. Hiermit ist diese unnötige Diskussion beendet."

,,Aber-"

 ,,Kein Aber" Entschlossen schüttele ich den Kopf.

 ,,Doch Aber! Wer kümmert sich dann bitte um Mummys Grab?" Ich schaue ihn mit großen Augen an. Ich lasse sie hier nicht allein zurück! Er zieht genervt sein Jackett aus.

 „Ein guter Freund von mir wird sich um die Blumen, die auf ihrem Grab stehen, kümmern. Ist das so in Ordnung für dich?" Fragt er gereizt nach.

,,Nein. Ich werde hier bleiben. Ich werde London nicht verlassen. Ich bleibe bei Mummy!" Strafend sieht er mich an. Soll er doch. Ich gehe hier nicht weg. 

„Du hast nichts zu wollen, Liebling. Wenn du aus eigenen Willen nicht mitkommen willst, dann geht das auch auf anderem Wege." 

Tränen bilden sich in meinen Augen. Ich schluchze. ,,Das ist so...so unfair!" Schniefe ich. Mit kalten Augen sieht er mich an. Was ist nur aus ihm geworden? ,,Bitte...Bitte lass uns hier bleiben!" Bettle ich weiter, aber er schüttelt streng den Kopf. Erst nach ein paar Minuten habe ich mich wieder beruhigt.

,,Gut. Ich werde jetzt auch wieder gehen. Wir sehen uns morgen früh, Prinzessin." Genau in diesem Moment wird mir klar, dass ich alles daran setzen muss, zu fliehen. Es wenigstens zu versuchen. Jetzt oder nie. 

 Noch bevor er sein Jackett anzieht, stehe ich auf und rüttle seinen Arm. ,,Du darfst noch nicht gehen!" Ich ziehe einen Schmollmund. Verwundert sieht er mich an und geht in die Hocke. ,,Ist noch irgendetwas?" Jetzt muss ich überlegen. Hitze steigt mir ins Gesicht.

 ,,Cathy?" Holt er mich aus meinen Gedanken.

,,Ähm...also...also" Ich schaue zu der Tür, die zum Bad führt. Da kommt mir eine Idee.

,,Im Bad ist eine riesengroße Spinne und...und die macht mir Angst...könntest du da mal nachschauen?" Frage ich mit leicht zitternder Stimme.

Er lacht leise. ,,Ich dachte, du hast keine Angst vor Tieren?!"

,,Äh...Naja, die Spinne ist aber richtig groß."

Er steht auf. ,,Okay, ich werde mal nachsehen, warte hier." Ich nicke eilig und spiele aufgeregt mit meinen Fingern.

 Soweit so gut...Die Schlüssel müssten in der linken Seitentasche seine Jacke sein. Aber welcher Schlüssel war der, mit dem man die andere Tür öffnen konnte? Es müsste der Größte gewesen sein. Als der Teufel ins Bad geht und die Tür leicht hinter sich schließt, ergreife ich meine Chance. Mit Herzklopfen laufe ich zu seiner schwarzen Jacke und durchwühle ihre Seitentaschen. Als ich etwas Metallisches, festes fühle, mache ich einen kleinen Luftsprung. Ja! Die Schlüssel habe ich schon mal!

  ,,Cathy? Ich kann hier Nirgends eine Spinne finden!" Ruft der Teufel aus dem Bad.

 „Da muss aber eine sein! Hinter dem Duschvorhang!" Lüge ich schnell und sprinte im Eiltempo zu der hölzernen, verschlossenen Türe. 

Ich zittere, während ich einen leicht goldfarbenen Schlüssel in das Loch stecke. Bemüht keinen Laut von mir zu geben, drehe ich ihn um und mit einem Mal höre ich ein klickendes Geräusch. Die Tür ist offen. Ich habe es geschafft!

 Überglücklich laufe ich den dunklen Gang entlang, der sich hinter meinem Gefängnis verbirgt. Es scheint ein sehr altes Gebäude zu sein. Rot orangene Mauersteine zieren die Wände des schwach beleuchteten Tunnels. Die einzigen Lichtquellen in diesem Gang sind die Fackeln, die in verschiedenen Abständen an den Mauern befestigt wurden.

  Ich erstarre, als ich ein tobendes Schreien wahrnehme. Ein lautes Brüllen. Ein Schrei aus Wut. Der Teufel. Ich beschleunige meine Schritte und laufe immer weiter und weiter, bis ich eine weitere Tür vor mir stehen sehe. Jedoch ist diese hier größer, als die anderen. 

 Schnell taste ich mit meinen kleinen Fingern nach dem Schlüsselloch. Warum muss es hier auch so dunkel sein? Hinter mir, diesmal näher, höre ich einen weiteren Schrei. Als ich eine kleine Wölbung im Holze der Tür finde, zögere ich nicht eine Sekunde und stecke irgendeinen der gleichaussehenden Schlüssel hinein, jedoch passt dieser nicht. Verflucht! Hastig nehme ich einen Anderen und bete, dass dieser endlich passt. Und tatsächlich. Was für ein Glück!

 ,,Cathy!" Ruft Er wieder nach mir. Aber das höre ich schon gar nicht mehr. Ein kalter Wind zischt mir ins Gesicht, als ich einen Schritt über die Türschwelle gehe. Ich stehe jetzt draußen, im eisigen Schnee. In Freiheit. In einer kalten Winternacht, dicht gefolgt von meinem Entführer. 

Meinem eigenen Vater.

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Ich weiß, ich weiß: Wie kann man nur an so einer Stelle aufhören zu schreiben?! Tut mir ja Leid, aber ich bin manchmal gern fies... :D

Jedenfalls geht die Widmung dieses Mal an @iloveraspberries (Richtig geschrieben o.O xD?), weil sie immer votet und auch gelegentlich Kommentare da lässt :D. Sie liest meine Geschichte schon sehr, sehr lange und es war schon längst überfällig, dir ein Kapitel zu widmen:))

 Ich beeile mich mit dem Schreiben,

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Bleeding WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt