Eine verhängnisvolle Nacht

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Der Tag kroch endlos dahin und so langsam glaubte ich paranoid zu werden. In den Schatten bewegte sich etwas. Es war mir erst aufgefallen, als wir die weiten Ebenen und die harten Steine hinter uns gelassen hatten. Wir ritten in die ersten Ausläufe eines Waldes, der laut Legolas vor Jahren vergessen wurde, und nicht mehr zu dem Waldlandreich gehörte. Die Sonne stand hoch am Himmel und noch während mir die Augen zu fielen, huschte etwas dicht an uns vorbei. Ganz schnell und dann war es auch schon vorüber. Doch, da man meinen sollte, Elben besäßen schärfere Sinne, glaubte ich, es mir nur eingebildet zu haben. Denn keiner hatte etwas bemerkt oder auch nur den Kopf in die Richtung geneigt.

So wanderte die Sonne am Himmel und stand irgendwann so hoch, dass sie mir die Schädeldecke wegbrannte. Wir machten keine Pause, ritten abwechselnd in einem ermüdendem Schritt und längeren Trabstrecken. Irgendwann begann das Leder an meinen Beininnenschenkeln schmerzhaft zu reiben. Ich musste an mich halten, bei dem kleinsten Zucken von Tilion nicht zusammenzuzucken. Mit jedem seiner Schritte wurde es schlimmer, aber ich blinzelte die Feuchte aus meinen Augen und stierte in die endlosen Baumreihen. Der Wald vermochte mich abzulenken. Wunderschöne Blumen erstreckten sich zwischen dichtem Grün über ganze Ebenen und verliehen der Luft einen süßlichen Duft. Die weißen Blumen beruhigten mich, lenkten mich von dem ab, was uns seit Stunden verfolgte. 

Irgendwann hielt das Leittier und Thranduil hob die Hand. Alles geriet ins Stehen, als er verkündete: >> Heute Nacht schlagen wir hier ein Lager auf. << Wie gesagt so getan. 

In weniger als einer Stunden hatten die wenigen Elben es verbracht ein Lager aus mehreren Zelten und zwei Feuerstellen aufzubauen. Ich bewunderte am Rande des Geschehens ihre Geschicklichkeit. Sie eilten von ihren Pferden zu den ebenen Stellen des Waldes und vollbrachten es mit wenigen Handgriffen sechs Zelte hochzuziehen. Nach wenigen Minuten brannten zwei kleine Feuer und vier Elben machten sich auf, um die Umgebung zu sichern. Legolas lehnte neben mir an einem Baum und beobachtete ebenso aufmerksam wie ich das rege Treiben auf der Lichtung. Langsam wurde es dunkel und kleine Laternen wurden an den Eingängen der Zelte angezündet.

>> Sie sind bewundernswert, nicht wahr? <<, fragte er leise und sah zu mir.

>> Wer? << Ich drehte den Kopf minimal.

>> Die Soldaten. << Legolas trat dichter zu mir und nickte in ihre Richtung. Derweil waren die vier Elben von ihrer Erkundung zurückgekehrt und traten an ihren König. Er stand bei den Pferden und tätschelte sein kurioses Reittier von einem Hirsch. Noch immer war ich mir nicht sicher, ob es nicht doch ein Elch sein sollte. >> Sie gehorchen meinem Vater aufs Wort und gehen ohne zu Zögern für ihn in den Tod. << Er hielt inne und fügte nach einer Weile hinzu, >>Trotz seiner Undankbarkeit. <<

Ich zog die Brauen hoch und wendete mich in seine Richtung Der Prinz musterte mich von Kopf bis Fuß. >> Ist er das? <<, fragte ich und schielte in die Richtung des Königs. Er hatte die Pferde hinter sich gelassen und schritt hohen Hauptes zu den Zelten. Ich wandte mich wieder an Legolas. >> Sag mir, ist er... << Ich schluckte, brachte kaum die Worte über meine Lippen. >> ...grausam? <<

Legolas legte beruhigend seine Hand auf meine Schulter. >> Du brauchst dich nicht um deine Sicherheit sorgen. Mein Vater ist kein Elb, der seine Frau schlägt. Es wird Höhen und Tiefen geben, ohne Zweifel, aber er wird dir nie ein Haar krümmen. Das schwöre ich. <<

>> Schwöre nie zu leichtfertig, Legolas. << Ich erstarrte, als ich Thranduils Stimme hinter mir hörte. Wie ertappt drehte ich mich um und sah dem Abbild des Teufels entgegen. Hatte er alles mitgehört? Wie lange stand er hinter mir? Mein Herz raste, überschlug sich beinahe. Meine Wangen wurden heiß.

Zu Boden sehend meinte Legolas, >> Natürlich, Vater. <<

Thranduils Miene regte sich nicht, als er von seinem Sohn zu mir sah. >> Dein Zelt steht neben dem von Legolas. Wachen befinden sich überall. Wenn du auf dumme Gedanken kommen solltest, warne ich dich, versuche es erst gar nicht. << 

Er brauchte nicht auszusprechen, was er sagen wollte, aber nicht tat. Ich las es in seinen Augen, wusste es, denn ich hatte bereits mit dem Gedanken gespielt. In dieser Nacht zu verschwinden würde die beste Chance sein, die sich in der nächsten Zeit bot. Dachte ich zumindest. Doch, wenn ich jetzt Thranduil ansah, war ich mir nicht mehr sicher. Er war jemand, dessen Zorn ich ungern spüren wollte. Und ich glaubte, er konnte schnell zornig werden.

Ich verzog den Mund zu einem angespannten Lächeln. Thranduils Augenlid zuckte. >> Ich weiß nicht, was du meinst. << Dann ließ ich ihn stehen und steuerte auf die Zelte zu. Ich sah nicht zurück und hoffte, er würde es auf sich beruhen lassen. Tatsächlich folgte er mir nicht. 

Ich steuerte auf das Zelt zu, welches ein Soldat für mich öffnete und trat ein, verschloss es mit einer raschen Bewegung und wurde in warmes Kerzenlicht gehüllt. Es war mir ein Rätsel, wie die Soldaten sechs Zelte, Kerzen und eine Matte mit Decken auf nur zehn Pferden transportieren konnten. Doch es sollte mir recht sein, wenn ich dafür nicht auf dem harten Waldboden schlafen musste. 

Ich zog mich nicht aus, als ich mich auf die Matte legte und eine dünne Decke über mich zog. Feuer knisterte und trieb mich von meinen Gedanken in eine ferne Welt der Ruhe und Träume. Es war wie ein Paradies aus dem ich nie aufwachen wollte.


Mir war kalt. 

Kälte kroch unter meine Kleidung und riss mich aus dem Schlaf. Ich fühlte mich wie von Eiswasser übergossen, als ich die Decke beiseiteschob und auf meine Füße kam.

Mit tauben Gliedern schob ich die Zeltplane beiseite und trat in das tanzende Licht des Kerzenscheins unter einem nachtschwarzen Himmel. Die Beine vertretend fischte ich eine Laterne von meinem Zelthacken und schritt zu den Pferden. Friedvoll dösten die Tiere und kauten an der Rinde eines Baumes. Gedankenverloren fuhr ich durch die Mähne von Tilion und machte mich auf den Weg zu meinem Zelt zurück. 

Der Mond stand hoch am Himmel und drang nur schwer durch die dichten Baumkronen des Waldes. Ich hatte noch genug Zeit zum Schlafen, wenn Thranduil in der ersten Morgenröte aufbrechen wollte. Von hier aus war der Grünwald kaum einen Tagesritt entfernt. So sagten jedenfalls die Soldaten, die ich beim Einschlafen vor meinem Zelt belauscht hatte.

Was die Elben in den glänzenden Rüstungen anging... 

Ich sah mich stirnrunzelnd um und hob die Laterne höher. Kein Soldat war wach. Keiner war auf der Lichtung und hielt, wie es Thranduil angekündigt hatte, die Stellung zwischen den Zelten. Sie mussten in den Zelten sein und schlafen. Aber war das nicht grob fahrlässig? Was, wenn man uns angriff? Doch wer sollte das tun? Giganten und Trolle lebten laut Lindir nicht in diesen Gegenden und Zwerge bauten ihre Festungen in Bergen und nicht in Wäldern. Menschen waren froh, dass sie sich nicht mit den Elben auseinandersetzen mussten. Von Riesen war weit und breit keine Spur, zumal man sie schon von weitem hören musste. Allein ihre Schritte mussten Erdbeben auslösen. Es blieb kaum jemand übrig, der uns angreifen könnte. Oder nicht?  

Ein Schatten huschte hinter meinem Zelt entlang. Dann verschwand es in einem Gebüsch. Ich hielt die Luft an. War es das, was uns schon den ganzen Tag verfolgt hatte? War das diese Dunkelheit, die Elrond erwähnt hatte? Aber laut ihm befand sich diese Dunkelheit nördlich des Grünwaldes. Wir hatten diesen noch nicht erreicht. Nein, es musste etwas anderes sein. Vielleicht doch ein verirrter Zwerg?

Langsam trat ich näher und an den Rand des Lagers. Wer war da? 

Ich wagte einen Schritt in die Schwärze des Waldes und ließ den glimmenden Kerzenschein hinter mir. Mein Herz trommelte in der Brust. Ich wollte nur sicher gehen, dass alles gut war. Danach würde ich mich wieder schlafen legen. Erst-

Etwas Kaltes legte sich von hinten an meinen Hals. >> Schreie und du bist tot <<, zischte eine Stimme leise an mein Ohr.

Thranduil FF || DIE BESTIMMUNG - Mond und SterneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt