4. 𝔗ü𝔯𝔠𝔥𝔢𝔫 - 𝔗ö𝔡𝔩𝔦𝔠𝔥𝔢 𝔚𝔢𝔦𝔥𝔫𝔞𝔠𝔥𝔱𝔢𝔫

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von marleenzpn

Draco legte den Schlüssel auf die altertümliche Anrichte im Flur, streifte seine schwarzen Lackschuhe von den Füßen, schälte sich aus seinem anthrazitgrauen Mantel und betrat das Wohnzimmer.

»Hallo, Darling«, begrüßte der mittlerweile erwachsene Malfoy seine Frau Astoria. Diese hatte den teuren Ohrensessel in Beschlag genommen, Scorpius auf dem Schoß. Das Kleinkind rutschte unruhig auf ihrer dunklen Hose herum, gleichzeitig spielte er mit ihrem linken Daumen.

»Hallo, Daphne.« Verwundert über ihren unangekündigten Besuch nahm Draco nun die Blondine in Augenschein. Sie war die ältere Schwester seiner Ehefrau und somit wohl oder übel Teil seiner Familie.

»Draco.« Mit einem Nicken in seine Richtung speiste sie ihn ab. Das war doch wohl nicht ihr Ernst! Sie befand sich in seinem Haus, also konnte sie doch wenigstens etwas mehr 

Höflichkeit an den Tag legen. Unauffällig ballte Malfoy seine Hände zu Fäusten, seine Fingerknöchel traten weiß hervor.

»Daddy!« Auf wackeligen Beinen landete der Dreijährige auf den Fliesen und eierte auf den Besagten zu. Dieser breitete seine Arme aus und zog den Kleinen in eine feste Umarmung. Draco vergrub seine Nase in dem blonden Schopf seines Sohnes, der angenehm nach Shampoo roch.

»Schön, dich zu sehen«, offenbarte der Vater seine Gefühle und blendete seine Frau und ihre Schwester für einen kurzen Augenblick vollkommen aus. Es gab nur Scorpius und ihn.

Nach einiger Zeit löste sich das Kind aus der Umklammerung, woraufhin Draco es sicher auf den Boden stellte. Sofort vermisste er die Nähe zu seinem Sohn, weswegen er ihn gerne wieder hochnehmen würde.

Daphne auf dem Sofa kam ihm wieder in den Sinn, weshalb er seine Sehnsucht noch etwas länger im Zaun halten musste. Seine Augen huschten zur besagten Frau, die elegant ihre langen Beine übereinander gelegt hatte und ihn aus kalten Augen abschätzend musterte.

»Was gibt uns denn die Ehre, dich als unseren Besuch zu wissen?«

»Darf ich meinen Neffen denn nicht einmal besuchen? Ihr schottet ihn ja vollkommen von seiner Familie ab!«, keifte Daphne und verzog ihre Lippen zu einem boshaften Lächeln.

Sie wusste, dass Draco nicht allzu gut auf sie zu sprechen war. Doch die Gründe dafür lagen sehr weit in der Vergangenheit zurück.

Um nicht die Beherrschung zu verlieren, so wie es bereits schon einmal der Fall gewesen war, zog sich Malfoy in das geschmackvoll eingerichtete Schlafzimmer zurück, setzte sich auf das breite Bett und legte sein Kinn auf seine Hände. Die Ellbogen hatte er locker auf seiner Anzugshose abgestützt.

Auf einmal befiel den junge Vater das beklemmende Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, weshalb er schnurstracks seine einfarbige Krawatte lockerte und sie kurzerhand auf das Bettlaken schmiss.

Der Besuch seiner Schwägerin bereitete ihm sichtlich Sorge. Was wollte sie denn nach all den Jahren wieder hier? Seine Gedanken und Überlegungen verknoteten sich in seinem Schädel zu einem Ball. Er drückte die Handballen an die Schläfen und atmete tief durch. Zuerst musste er erst einmal einen klaren Kopf bekommen und dann konnte er sich um Daphne und ihre hinterlistigen Gedanken kümmern.

***

»Was wollte sie denn?«, erkundigte sich Draco, nachdem Daphne fort war und er sich somit wieder in das Wohnzimmer traute.

»Setz dich«. Gekonnt ignorierte Astoria die Frage und klopfte neben sich. Unruhe breitete sich in ihrem Mann aus, dass er aber zu überspielen versuchte.

»Und?«, hakte Draco nach und fuhr sanft mit den Fingerspitzen an der Wange seiner Frau entlang. Ihre Haut war warm und weich.

»Ich werde sterben«, rückte Astoria mit der Antwort heraus und stieß keuchend die Luft, die sie angehalten hatte, aus. Eine einsame Träne quoll aus ihrem Augenwinkel, die jedoch von einer kurzen Bewegung Draco's weggewischt wurde.

Der Schock saß tief in seinen Knochen, seine Muskeln verspannten sie wie nach einem Marathonlauf, sein Hals schnürte sich zu. Die Angst spiegelte sich durch seine geweiteten Pupillen.

»Auf der Familie Greengrass liegt ein uralter Blutfluch, der an mich weitervererbt wurde. Daphne wurde von dem Unheil verschont, da es immer nur Eine aus einer Generation treffen kann. Ich weiß nicht, wie lange ich noch leben werde. Ein Jahr? Fünf? Zehn? Fünfzehn? Meine Zukunft ist ungewiss, ich-« Astoria's Stimme brach wie ein Spiegel.

Ihre sonst so strahlenden Augen schimmerten wässrig, das Leuchten darin war erloschen. Und es würde auch von da an nie mehr wieder ihre Augen bewohnen.

Seit diesem Tag sollte eine traurige Wolke über dem Haus der Malfoy's hängen, die bis zu Astoria's Tod dort verweilen würde. 

***

Neun Jahre später

Draco läutete für seinen Sohn wie jedes Jahr am Weihnachtsmorgen die kleine, bemalte Glocke. So lautlos wie möglich schob er die Tür zu Scorpius Kinderzimmer auf, das mit grünen Slytherin-Fahnen behängt war.

Der Zweitklässler rührte sich unter der Daunendecke und lugte durch seinen wirren Haarsträhnen hindurch. Mit seinen markanten Zügen war er Draco wie aus dem Gesicht geschnitten

»Dad! Ich will ausschlafen! Musst du immer diese blöde Glocke läuten? Ich bin nicht mehr fünf!«

Aber für mich wirst du immer mein kleiner Junge bleiben, schoss es Draco durch den Kopf, woraufhin er grinsen musste.

Eilig zog er die Decke von Scorpius herunter und kitzelte ihn am Bauch. Die Coolness seines Sohnes war verpufft, an seiner Stelle nun die allumfassende Fröhlichkeit, die der Vater insgeheim so liebte.

»Dad! Hör auf«, lachte der junge Slytherin und wälzte sich von dem Bettgestell herunter.

Gut gelaunt schlenderten Vater und Sohn die Treppe hinunter. Diese knarzte und stöhnte unter jedem ihrer Schritte. Die letzten Stufen überwand Scorpius durch Springen und flitzte ins Wohnzimmer, in freudiger Erwartung auf seine Weihnachtsgeschenke.

Plötzlich ertönte ein gellender Schrei, der bei Draco die Alarmglocken anspringen ließ. Er sprintete seinem Sohn hinterher, während er sich alle schrecklichen Szenarien ausmalte, die ihm auf die Schnelle durch den Kopf fegten.

Doch was er schlussendlich sah, übertrumpfte alles. In dem Ohrensessel lag seine Frau, kreidebleich, die Augen geschlossen. Sie wirkte friedlich, zufrieden. Vielleicht schlief sie ja nur...

»Darling?«, krächzte Draco, packte die Frau in seinem Wahn an der Schulter und schüttelte sie kräftig durch. Nichts. Keine Regung, kein Zucken. Für den Malfoy brach eine Welt zusammen. Die Trauer überrollte ihn wie ein Muggelauto und raubte ihm die Lebensfreude.

Nein, er durfte nicht zusammen zusammenbrechen, sondern er musste stark sein. Für Scorpius.

Dem Sohn rannen dicke Tränen über die Wangen und verbanden sich zu einem kleinen Bach. Draco schloss den Jungen in die Arme und schirmte somit Astoria's Anblick vor seinen Augen ab. Doch der kurze Moment hatte gereicht, um Scorpius' Leben für immer zu verändern.

𝔸𝕕𝕧𝕖𝕟𝕥𝕤𝕜𝕒𝕝𝕖𝕟𝕕𝕖𝕣 - 𝕎𝕚𝕫𝕫𝕒𝕣𝕕𝕚𝕟𝕘 𝕎𝕠𝕣𝕝𝕕 𝕆𝕊Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt