6. Kapitel: Von Pferden und Überraschungen

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Es war noch früh am Morgen eines vielversprechenden Sommertages. Die Sonne spiegelte sich märchenhaft im Tau des hohen Grases und ließ ihn wie tausende kleine Perlen erscheinen, während die Vögel sanft ihre Lieder in den Wind sangen und diese mit vielen anderen Waldbewohnern teilten. So lauschte auch ein junger Elb den angenehmen Melodien, während er gelassen an einen Baum lehnte und entspannt die Augen geschlossen hielt. Es war ein befreiendes Gefühl, nur er, der Wald und der Gesang, doch so sollte es für ihn nicht ewig bleiben. Kaum hatte er über den Reiz einer solchen Idylle nachgedacht, da wurde sie auch schon von einem fröhlichen Gekicher, das von der langen Gartentreppe hinunterschallte, gebrochen. Es hätte ihn nicht weiter gestört, wäre der Trupp an ihm vorbeigezogen, doch dies sollte nicht geschehen, denn sie waren auf der Suche nach ihm. Als sie die blonde Gestalt ausmachten, gingen sie sofort auf ihn zu und begrüßten ihn munter.


Alae, mellyn nin!" (Grüße, meine Freunde!)

"Du sagtest du wollest uns vor den Ställen treffen."

Das stimmt, ich wollte euch die Tiere zeigen, damit Elrohir sich ein neues Pferd aussuchen kann." Der Blonde stieß sich vom Baum ab und übernahm die Führung der kleinen Gruppe entlang eines Pfades, der durch einen der vielen Gärten Lasgalens führte. Kein Garten, wie man ihn sonst so kannte, sondern ein Waldgarte. Er war von Bäumen gesäumt, die wiederum mit Efeuranken und anderen Kletterpflanzen umwickelt waren. Der Boden war übersät mit verschiedensten Blumen, unter anderem Rosen, Orchideen, Vergissmeinnicht und Schneeglöckchen und ein angenehmer Duft von Farn, Thymian und Minze stieg den vieren in die Nasen. Nachdem sie über eine kleine Brücke, die über einen schmalen Bach führte, getreten waren, kamen bereits die königlichen Stallungen in Sichtweite.

Sie gingen durch die großen hölzernen Tore, verziert durch säuberlich geschnitzte Ranken. Die Innenräume der Stallungen waren, ähnlich wie fast alles im Waldlandreichs Thranduils, groß und geräumig. Dunkles Holz traf auf geschmackvoll geschnitzte Ranken und Verzierungen, die sich durch Türen, Gitter und Wände zogen. Emporragende, ineinander verschlungene Säulen stützten eine hohe Decke, von der zahlreiche Laternen hingen, die Gang und Boxen in ein sanftes goldenes Licht tauchten. In den Boxen selbst standen hochgewachsene edle Tiere deren Felle sich auf einer breiten Farbpalette von weiß bis schwarz und von fuchs bis braun fächerten.

Zwei Stallburschen waren gerade damit beschäftigt, eines der Tiere zu striegeln, was sie mit großer Sorgfalt und Liebe taten. Als sich einer der beiden den Geräuschen am Eingang zuwandte und den Prinzen erkannte, verneigte er sich höflich und grüßte hîn vaer echin! Wünscht ihr etwas?" (Ich wünsche einen guten Morgen!)

Aber nein, wir kommen allein zurecht. Kümmert euch nur weiter um eure Arbeit." Erwiderte der Prinz, woraufhin die beiden Elben sich wieder dem Pferd widmeten. Die Truppe ging weiter den Gang entlang und schließlich präsentierte der Blonde seine Absicht. „Kommt, ich zeige euch !"

Windsturm? Darf ich annehmen, dass das dein Pferd ist?" Elladan lachte, woraufhin Legolas nur nicken konnte. Er hatte ihn vor Jahren von seinem Vater bekommen und auf die schwerwiegende Namensfrage hin, hatte dieser ihm lächelnd einen der Spitznamen vorgeschlagen, den sowohl er als auch jeder andere, der dem jungen Prinzen damals begegnet war, als sehr passend empfand.

Ja, seht nur! Hier ist er!" Er hatte die anderen zu einer besonders großen Box im hinteren Teil des Stalles geführt an dessen Eingangstür ein hölzernes Schild prangte. Darauf stand in grünen Lettern der Name des Tieres, umgeben von geschnitzten Blättern. Ebenso waren Blätter überall an den Holzwänden der Box aufgemalt und mit fließenden Ranken verbunden, die nur im hinteren Teil, direkt gegenüber der Eingangspforte, von einer weiteren dunklen Tür unterbrochen war. Diese war aufgesperrt und ließ einen Blick, als auch den Zugang direkt in den Wald beziehungsweise auf eine Koppel in diesem zu. Ein schneeweißes Pferd kam, kaum hatte Legolas den elbischen Namen des Tieres gerufen, durch die breite Öffnung und begrüßte den Elben, in dem es ihm leicht gegen den Kopf stupste und einen kurzen Moment, Stirn an Stirn so verharrte. Dabei fiel ein Teil der langen, prachtvollen Mähne auf die Schulter des Elben, wodurch auffiel, dass zwischen den beiden Haarfarben nicht zu viele Stufen liegen konnten.

Verlorenes LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt