10.Kapitel - Andenken

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An einem anderen Ort zu einer anderen Zeit saß der Elbenkönig an einem Tisch umgeben von einigen seiner engsten Vertrauten. Es war keine Ratssitzung oder etwas derartiges, sondern eine einfache Freundesrunde. Sie war beschaulich aber dafür umso enger miteinander verknüpft, sodass sie stets sehr offen in der Wahl der Gesprächsthemen war und die meisten mit viel Humor nahm. So auch an diesem Tag: Der Übergang des Sommers zum Herbst stand bevor, was den Elben des Waldes jedes Jahr aufs Neue ein großes Fest und eine Menge Gesprächsstoff beschaffte. Die Planungen der Dekoration, der Musik und selbstverständlich auch das Getuschel über mögliche Partner und Partnerinnen noch unverheirateter Elben blieben da nicht aus. Und da die Planung des Festes in des Königs Hand lag, wurden spezielle Wünsche oftmals direkt vor ihm diskutiert, sodass er es letztendlich oft Leid war. Doch an jenem Tag waren seine Sorgen ganz andere. Seine Gedanken kreisten nicht um das Fest, sondern weit fernab des Trubels. An einem Ort von dem er nicht einmal wusste, wo er war.

Während sich also alle freudig unterhielten und den fröhlichen Liedern lauschten oder gar mitsangen, biss sich der Blonde beunruhigt auf die Lippe und schwieg die meiste Zeit. Nur auf Fragen, die direkt an ihn gestellt wurden antwortete er, weshalb er bereits den einen oder anderen misstrauischen Blick Ferens geerntet hatte. Einmal hatte er ihn gefragt, ob alles in Ordnung sei, doch lächelte er diese Antwort mit einem einfachen Lächeln weg, weshalb der gutmütige Berater und Freund es einfach aufgab ihn weiter auszufragen. Wenn Thranduil stur war, dann war er es und daran könnte niemand etwas ändern.

Dabei kam ihm der Grund für seine Sorge fast schon lachhaft vor, schließlich verspäteten sich Vögel jeden Tag. Der Falke von Estel und Legolas war nämlich noch immer nicht eingetroffen, was ihm ernsthafte Sorgen bereitete. Es war zu lange her, dass die letzte Nachricht von ihnen eingetroffen war. Insgesamt zählte er mittlerweile eine Woche, die letzte Nachricht stammte aus Thal. Zuvor waren täglich Nachrichten eingetroffen in denen, wenn es keine neuen Erkenntnisse und Entdeckungen gab, zumindest ein kurzer Satz stand, in dem sie berichteten, dass sie wohlauf waren. Doch dann, von einem Tag auf den anderen kam nichts mehr. Kein Falke. Keine Nachricht. Kein Lebenszeichen. Waren sie gefangen genommen wurden? Oder hatten sie einfach nichts Nennenswertes herausgefunden und keinen Fortschritt erbracht?

Die singenden Elben stimmten gerade ein fröhliches Lied an, in welches alle gemeinsam mit einstimmten, als mit einem Mal der ehemalige Kellermeister Galion mit einem Falken auf dem Arm still und heimlich den Raum betrat. Leise ging er zum Kopfende des Tisches und als er dem König leise etwas zuflüsterte, reichte er seinem Herrn leise den Vogel, den dieser sich schnell auf die Schulter setzte. Thranduil musste ein Zittern unterdrücken, als er seine langen Finger an die Krallen des Vogels legte um langsam und andächtig die Fesseln zu lösen. Er freute sich endlich Nachricht zu erhalten, doch fürchtete er andererseits auch, was darinstehen könnte. Er entrollte das Pergament und ließ einen kurzen Blick über die verschlungenen grünen Tengwar streifen. Es war eindeutig die Handschrift seines Sohnes und sie war in Ruhe und nicht in Eile geschrieben, was bedeutete, dass die Lage noch immer entspannt war.

Le suilion adar! 

 Verzeih, dass dich erst jetzt eine Nachricht erreicht, doch bisher ist nichts Wesentliches passiert, mit dem wir deine Zeit beanspruchen wollten. Doch am heutigen Tage sind wir endlich auf einen bedeutenden Hinweis gefunden, wobei es sich um ein Lager handelt, welches in unmittelbarer Verbindung mit den Entführern steht. Wir zählten etwa einhundert Menschen unter denen sich nicht nur kampfbereite Männer, sondern auch Frauen, Kinder und Ergraute befinden. Es befindet sich im südöstlichen Teil deines Reiches, wobei ich den genaueren Standort auf der beigelegten Karte angefügt habe. Estel und ich haben sie belauscht und haben dabei herausgefunden, dass sie für Elladan und Elrohir Lösegeld bei Herrn Elrond fordern wollen. Allerdings werden sie sie wohl nicht freigeben, wie wir anschließend auch noch herausfinden konnten. Am besten wäre es, wenn du Elrond warnst. Wir bezweifeln, dass wir hier zu zweit viel ausrichten können.

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