7. Kapitel: Aufbruch

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Ein schriller Schrei hallte durch den Wald. Einige Vögel flogen auf und Legolas erkannte ihn als den Schrei seiner Gefährten. Erschrocken ließ er den Wasserschlauch fallen und suchte nach den Hilferufenden. Als er die Entführer erblickte, schwang er sich schwungvoll in einen Ast über ihm und schlich lautlos durch die unteren Äste und Zweige hinüber zu den Menschen. Die Bäume verstanden seine Not und deckten ihn auf ihre eigene Art. So gelang es ihm, sich möglichst nah an die Gruppe heranzupirschen, ohne aufzufallen. Er kniete sich in eine alte Eiche, die sich direkt vor ihnen befand und aus der es kein Problem wäre, sie problemlos zu schießen. Sie waren zu siebt und sahen ziemlich heruntergekommen, wenn auch nicht müde aus. Doch er war nur allein, denn die Zwillinge waren unbewaffnet und konnten sich derzeitig nicht wehren. Wenn er es schnell hinter sich bringen würde und sie von oben heraus erschießen würde, dann könnte er die beiden vielleicht befreien. Doch auch die Frage, was passieren würde, wenn er nicht schnell genug wäre, schoss ihm durch den Kopf. Da beide Situationen vermutlich tödlich für die Zwillinge wären, die erste jedoch einen Hauch von Hoffnung enthielt, zog er hastig den Bogen aus seiner Halterung am Rücken und legte einen seiner Pfeile auf, um ihn auf die Feinde am Boden zu richten.

„Bevor deine Finger die Sehne verlassen, sind deine Freunde tot! Verschwinde oder wir schießen dich aus dem Geäst heraus." Der Mann, der soeben gesprochen hatte und ebenso einen Bogen in den Händen hielt, richtete diesen auf den Elben im Baum und ließ dessen Pfeil fliegen. Doch schon als Legolas die Waffe bemerkt hatte, war er flink ein paar Äste weiter nach oben gesprungen, um sich dort zwischen den Blättern und Ästen auf die Lauer zu legen. Von dort aus konnte er erkennen, dass die Menschen ihn mehr oder weniger vergessen haben mussten, denn bereits als der Pfeil in das zähe Holz der Eiche eingeschlagen war, ohne dem Elben sein Leben zu entreißen, hatten sich die meisten der kleinen Gruppe wieder den Gefangenen zugewandt.

Also nutzte er das Desinteresse und die Lautstärke der Menschen aus, um sich ihnen wiederum durch die Bäume zu nähern, wobei er dieses Mal darauf achtete, den Augen aller verdeckt zu bleiben. Vorsichtig sprang er auf den nächsten Ast einer hohen Eiche und kletterte von dort ein Stück hinab um sich direkt hinter den Räubern auf eine stark verzweigte Buche zu setzen. Mittlerweile waren auch nur noch drei der Männer zum Kampf bereit, da zwei andere die Zwillinge festhielten, damit ein weiteres Duo sie fesseln konnten. Dies schien an sich keine einfache Aufgabe zu sein, denn seine beiden Freunde versuchten sich noch immer beißend, tretend und schlagend aus dem Griff der Menschen zu befreien.

Legolas spannte seinen Bogen und legte gleich zwei Pfeile auf. Er zielte auf die, die Zwillinge fesselnden Männer. Wenn er sie erledigt hätte, wären nur wenige Sekunden Zeit, um sich auch gleich noch um die anderen zu kümmern, wobei die Bogenschützen vermutlich ein geeignetes Ziel wären. Sie würden versuchen ihn selbst niederzuschießen, um einerseits die Gefangenen zu behalten, andererseits aber auch ihr eigenes Leben zu verteidigen. Als letztes wären die Festhalter an der Reihe, da diese nur mit Messern und Dolchen ausgestattet waren. Aber auch hier musste es schnell gehen, da sie versuchen würden die Zwillinge zu ermorden. Er atmete tief durch, bereit sofort wieder einen neuen Pfeil aufzulegen. Doch plötzlich hörte er einen Schrei Elrohirs, „Legolas ego!" (Verschwinde!)

Er blickte sich um und bemerkte die etwa zwanzig weiteren bewaffneten Menschen auf die Lichtung stürmen, vor denen Elrohir ihn offenbar hatte warnen wollen. Gegen so viele hatte er allein keine Chance, denn die sieben wären schon eine Herausforderung geworden von deren Schaffen er nicht vollkommen überzeugt gewesen war. So sprang er schleunigst weiter in Richtung der Pferde, nicht auf Geräusche oder den Verlust seiner Deckung achtend.

Der scheinbare Anführer, der bereits beim ersten Auftauchen des fremden Elben das Wort an sich genommen hatte, war bei dem Ausruf des brünetten Zwillings jedoch hellhörig geworden. Er hatte die Aufforderung des Elben zwar nicht verstanden, jedoch war er sich sicher, dass der erste Teil ein Name war. Und wenn es der Name war, von dem er glaubte, ihn gehört zu haben, dann wäre es ein großer Verlust für ihn, diesen Elben flüchten zu lassen.

Verlorenes LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt