Nachdem die beiden Reiter das große Tor des Palastes hinter sich gelassen hatten, ritten sie zuerst immer weiter südwärts, bis sie nach einiger Zeit den Waldweg, der von der westlichen zur östlichen Kante des Waldes führte, erreichten. Dort trieben sie die Rösser weiter an und ritten in Richtung der Seestadt Esgaroth. Nach etwa einer Stunde der Stille versuchte Estel schließlich das Schweigen zu brechen in welches sie immer weiter zu versinken schienen.
„Ich weiß, es ist eventuell nicht ganz richtig Euch das zu fragen, da Ihr ja vermutlich..." Legolas grinste den Menschen an und hob abwehrend die Hand, woraufhin die Stimme des Sprechers erstarb. „Zwei Dinge! Erstens: Bitte hör mit dem ganzen höfischen Gehabe und Getue auf! Ich bin Legolas, ein Jäger des großen Grünwaldes oder Düsterwaldes, wie der Rest der Welt uns zu nennen pflegt. Ich mag meinen Namen eigentlich und würde es daher bevorzugen, wenn du ihn verwendest. Und zum zweiten: Bitte stell die Frage, wenn sie mir nicht passt, dann werde ich dir das mit Gewissheit kenntlich machen, aber dir nicht gleich den Kopf abreißen."
Oh, er war es leid, von jedem anderen bemuttert zu werden, der seinen Namen hörte! Wie oft hatte er sich in seinen üblichen Jägertracht in die umliegenden Dörfer geschlichen und sich als jemand anderes ausgegeben, nur damit er mit den anderen Elblingen, die wahrlich rar an der Zahl geworden waren, spielen konnte. Wie oft hatte er sich an den Wachen und seinem Vater vorbeigeschlichen und sie ausgetrickst. Doch eines Tages ward ihm gewahr, dass er nicht der Einzige war, der sich in seiner Kindheit herausgeschlichen hatte. Wie durch ein Wunder war er auf eine Geheimtür in der Rückwand seines Kleiderschrankes gestoßen, die in einen nahezu uralten Tunnel freigab. Er war dem Gang gefolgt und kam durch eine verborgene Tür hinaus in den Wald, nahe einem der Dörfer. Er wusste, dass sein Zimmer vor einigen Jahrtausenden noch seinem Vater gehört hatte. Deshalb empfand er es nur als allzu komisch, wenn sich dieser wieder einmal wunderte, was sein kleiner Elbling denn den ganzen Tag in seinem Zimmer gemacht habe.
Schließlich hatte er selbst die Grundlage für die unbemerkten Ausrisse gelegt. Doch eines Tages wollte der Vater ihn aus dem Raum abholen, um ihn auf einen Ausritt mitzunehmen und war lediglich auf ein leeres Zimmer gestoßen. Er ersann sich wieder seines Geheimganges und wartete den gesamten Vormittag in dem kleinen Tunnel. Wie erwartet kam Legolas nach einigen Stunden zurück und war zunächst überrascht und schockiert, seinen Vater in seinem kleinen Heiligtum vorzufinden. „Wie du siehst bist du nicht der einzige Prinz, der versucht hat, ein klein wenig Freiheit zu finden. Wenn du möchtest, dann helfe ich dir in Zukunft. Wenn du mir versprichst, nicht weiter als in das nächste Dorf zu gehen." Er hatte das Angebot dankbar angenommen und erzählte seinem Vater von jenem Tag an fast alles von seinen Abenteuern, der wiederum ebenfalls einige Geschichten aus seiner Kindheit preisgab. Mit der Zeit wurde es für den jungen Prinzen allerdings immer und immer schwieriger, sich als jemand anderes auszugeben, doch seine treusten und engsten Freunde veränderten ihre Verhaltensweise ihm gegenüber nicht, ausgenommen der Tatsache, dass sie ihn fortan bei seinem richtigen Namen nannten.
„Gut, Legolas. Ich wollte Eu... dich fragen, warum der König eine solche Abneigung gegenüber den Zwergen empfindet. Er scheint nicht gerade das größte Vertrauen in dieses Volk zu haben." Er erinnerte sich nur zu gut an die Verachtung und den Hass, der sich mit einem Mal in die Stimme des Waldlandkönigs gemischt hatte, die sich vollkommen von der vorherigen und anschließenden Ruhe unterschieden.
„Ada lebte in Doriath, bevor es unterging. Ich denke du kennst die Geschichten. Dann kämpfte er auf der Dagorlad, verlor seinen Vater und wurde König. Dort sah er keinen einzigen Zwerg, der sich auch nur einen Hauch um die Unabhängigkeit der freien Völker kümmerte. Die Geschehnisse rund um den Erebor sind noch nicht allzu lange her und alles was ich dazu sagen kann ist, dass er diese Sturköpfe gewarnt hat. Er ahnte, dass der ganze Reichtum auch schnell zum Untergang werden könne. Sie verweigerten ihm Nanas Kette. Ich kann sein Handeln verstehen. Aber er bemüht sich dennoch, den Handel aufrecht zu erhalten, was ich sehr bewundere." Er sprach erfüllt von Ruhe und Gelassenheit, um jegliche Beleidigung, die er übrigens nicht empfand, aus der Stimme zu kehren.
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Verlorenes Licht
FanfictionDie drei Imladris- Brüder Elladan, Elrohir und Estel begeben sich auf eine Reise in das östliche Rhovanion. Auf ihrem Weg durch den Düsterwald geht jedoch einiges schief, weshalb sich der Königssohn und der Waldläufer auf eine Rettungsmission begebe...