12.

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Ich war müde, sauer und einfach nur schlecht gelaunt. Nicht einmal Naomi oder Nico konnten etwas daran ändern. Tja, hätte ich gestern Nacht noch schlafen können, dann hätte ich es mit Sicherheit getan. Konnte ich jedoch nicht.

Ann war erst spät in der Nacht zurückgekommen. Bis dahin habe ich am Fenster gestanden und hinausgeschaut. Nicht nur das, während der gesamten herumsteherei, habe ich nicht zu zittern aufhören können. Wie das wohl von dort unten ausgesehen haben mag... Sicherlich ziemlich erbärmlich. Und genau so fühlte ich mich im Moment. Schwach und ausgelaugt.

-Pause; im Hof-

Ich stand neben Naomi die wieder einmal mit Daniel rummachte. Was für ein Wunder. Manchmal fragte ich mich, ob die beiden sich nicht gegenseitig die Luft wegschnappten und sich gegenseitig ersticken würden. Dieser Tod währe sicherlich schön, zumindest in Naomis Augen. Nach einigen weiteren endlosen Minuten rumgemache dachte ich mir, dass sie sich wohl eher versuchten aufzufressen. Und eine Pille für meinen Kopof. Nico, der gerade beim Buffet gewesen war, kam auf uns zu. Sein Blick war gleichgültig wie immer. Nur in seiner Freizeit war er so gelassen, wie an dem Kinoabend vor ein paar Tagen. Ich bedankte mich bei ihm, als er mir meine Cola in die Hand drückte. Er nickte nur knapp. "Die fressen sich schon wieder, oder?", fragte er, während er seine Cola öffnete. "Jop." Etwas ungeschickter versuchte ich das gleiche, schaffte es jedoch irgendwie nicht. Nico warf mir einen Blick zu. Nach einigen weiteren Sekunden nahm er mir die Flasche aus der Hand und öffnete sie für mich. "Danke", gab ich ein wenig kleinlaut von mir. So was von peinlich... Von ihm wieder nur ein Nicken. So standen wir da und versuchten nicht auf Naomi und Daniel zu achten, was nebenbei bemerkt extrem schwer war. Ich nahm einen Schluck von meinem Getränk und hätte fast zu husten begonnen. Verdammte Kohlensäure, fluchte ich leise. Neben mir, konnte ich den Anhauch eines Lächelns, auf Nicos Gesicht sehen. Der macht sich auch noch lustig über mich. Eine weitere Pille für meinen Kopf. Mit finsterem Blick begann ich ein Wett-starren mit einer Pflanze. Ich hätte fast gewonnen, wenn ich nicht wegen der Klingel zusammengezuckt währe. Traurig. Und schon wieder eine Niederlage. Die unsterblich in einander Verliebten trennten sich von einander und schon war ich für meine Freundin nicht mehr wie Luft. Sie nahm mich an der Hand und zog mich nach drinnen in die Klasse. Hinter uns Daniel und Nico.

Deutsch. Was für eine Qual. Das Thema: schon wieder Gedichte. So ein Mist, dachte ich mir. Gedichte konnten ja ganz nett sein, doch wenn man sich nun schon drei Jahre mit Gedichten beschäftigte, dann ging es einen irgendwann am Arsch vorbei. An genau diesem Punkt war ich jetzt angelangt. Ich hatte meinen Kopf auf meine Hand gestützt und malte mit der Anderen in meinen Block. Zwischendurch sah ich auf, um den Eindruck zu erwecken, dass ich eh zuhörte. Das schlimme daran: es funktionierte. Was für eine Lüge. Menschen waren so leicht zu manipulieren. Gedankenverloren kritzelte ich herum. Als ich mir meine Zeichnung jedoch genauer anschaute erkannte ich, dass ich drei menschenähnliche Gestalten gemalt hatte und darüber die Worte: Sei vorsichtig. Ein weinig geschockt blätterte ich um und begann erneut etwas zu kritzeln. Dieses mal jedoch, achtete ich ein wenig mehr darauf, was ich malte.

Nach der Stunde hatte ich noch Mathe, Englisch und bildnerische Erziehung. Nichts besonderes. Alle Stunden verschlief ich beinahe vollkommen. Nach der Schule hatte ich Naomi zugestimmt mit ihr noch ein wenig fort zu gehen. Das war ein Fehler gewesen, den ich noch in der Sekunde bereute, in der ich ihn beging... Nach der Schule gingen Naomi und ich in einen Kleiderladen. Natürlich war es ein Kleidergeschäft. Naomi war ja die Jenige, die den Laden bestimmte. Doch bevor ich auch nur einen Fuß in das Geschäft setzen konnte, kam mein Fluch wieder zum Einsatz, und mein Handy vibrierte vergnügt vor sich hin. Schon wieder Kopfschmerzen kriegend, sah ich auf das Display hinab. Es war die Psychologin...normalerweise rief sie mich nie an. Hatte ich einen Termin vergessen? Nein, das konnte nicht sein, ich vergaß nie auch nur irgendeinen Termin. Nicht bei der. Ich spielte mit dem Gedanken es vibrieren zu lassen oder einfach aufzulegen. Wiederwillig drückte ich auf die grüne Taste auf dem Bildschirm und hob das Handy an mein Ohr. Mit einer Handbewegung deutete ich Naomi, dass ich später nachkommen würde. "Hallo? Dr. Spin?", ich drehte mich mit dem Rücken zur Straße. "Oh Lina, du hast ja doch abgehoben. Na egal. Hast du heute noch Unterricht?"

"Nop"

"Gut kann ich dich dann bitten unverzüglichst hier her zu kommen? Deine Tante ist bereits hier." Die Passanten gingen an mir vorbei und in der Spiegelung des Schaufensters konnte ich einen kleinen grün gekleideten Jungen sehen. Blitzartig wirbelte ich herum. Nichts.

"Lina?" Meine Kopfschmerzen wurden stärker. "Ja?", fragte ich, während ich mir ein paar Pillen reinhaute. "Komm bitte her, es ist wirklich wichtig." Mit einem Seufzer willigte ich ein und beendete das Gespräch. Ein ungutes Gefühl stieg in mir auf und ließ mich die nächsten Stunden nicht mehr los. Ohne weiter darüber nachzudenken sagte ich Naomi ab und machte mich mit schnellen Schritten auf den Weg zu Dr. Daniela Spin.

Als ich bei ankam, war mir schlecht. Glücklicherweise war es nur so ein Gefühl, zumindest hoffte ich es. Ich fühlte mich beobachtet und hatte es auf einmal sehr eilig das in das Gebäude hineinzukommen. Drinnen wurde ich gleich in das Behandlungszimmer umgeleitet, wo Ann und Daniela saßen. Beide schienen nicht sehr erfreut. Ann wirkte geradezu blass, und kränklich. Ich schloss die Tür hinter mir und setzte mich auf meinen gewohnten Platz. Das alles ging schon automatisch. "Was ist? Ist meine nicht vorhandene Katze gestorben?", fragte ich um selbst ein wenig lockerer zu werden. Es gelang nicht. Im gegenteil meine Kopfschmerzen nahmen zu und mir wurde schlechter als vorher. Vielleicht sollte ich das reden einfach lassen. "Liebling ... ich ... wiest du ... Bitte hör einfach zu.", Ann stockte und brachte keinen Ton mehr heraus. Dr. Spin übernahm, "Lina, du weißt, weswegen dein Vater damals eingesperrt wurde..."

"Äh... Ja, weil er meine Mutter und ihre Geliebte getötet hat und versucht hat mich bei lebendigem Leibe zu verbrennen... deswegen... und natürlich die paar Morde, bei denen es zwar nicht eindeutiges gibt, aber naja..."

"Stimmt genau. Dein Vater... er... Er wurde heute aus dem Gefängnis entlassen. Die Polizei bietet dir und Ann an euch beiden ein paar Beamte zur Verfügung zu stellen... nur für alle Fälle."

"Haben die denn nichts besseres zu tun?"

"Wer"

"Die Beamten. Und wieso wird ER auf einmal wieder frei gelassen?"

"Das-"

"Wieso wird dieses nazistische Schwein freigelassen? Er hat mir fast alles genommen und jetzt kommt der einfach so wieder frei?" Tränen stiegen mir in die Augen und mein Übelkeitsgefühl wurde, sowie meine Kopfschmerzen, stärker. Schnell stand ich auf und hastete zur Toilette. Dort übergab ich mich. Die Galle und mein Mittagessen schmeckten so bitter und grauenhaft, dass ich mich gleich noch zwei mal übergab. Dann war mein Magen leer und ich sackte erschöpft neben der Toilette zusammen. Unglücklicherweise hatte ich nicht nur mein Mittagessen sondern auch die vor kurzem erst eingenommenen Pillen ausgekotzt. Ich fühlte mich elend und schwach. Mein Kopf pochte und meine Augen brannten. Durch die Anstrengungen zitterte mein gesamter Körper. Angeekelt spuckte ich noch ein paar mal in die Kloschüssel, dann warf ich mir noch ein paar Pillen ein und versuchte diese nicht sofort wieder herauf zu würgen. Zitternd stand ich auf, spülte runter, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und ging nach draußen. Ann sah mich geschockt an und umarmte mich. Sie drückte mich so fest ich konnte. "Komm wir gehen nach hause." Ich nickte nur und versuchte nicht erneut los zu heulen. Meine Tante bedankte sich bei Spin und wir gingen zur Tür. Doch bevor ich auch nur einen Schritt machen konnte wurde mir schwarz vor Augen und das Gefühl der Schwerelosigkeit überkam mich. Das letzt was ich wahrnahm waren die Worte: Sei vorsichtig.

Aha ... das hatte es also zu bedeuten ... Dann ließ ich mich ins Nichts fallen.

Helpless - Subliminal Sight (Creepypasta FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt