Kapitel 16: Ein langweiliger Ferientag

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„Los!Jetzt oder nie!"

Rasch huschten wir so leise wie möglich um die Ecke. Ich sah mich unsicher um, doch die Luft war rein. Wir rannten den Korridor entlang bis wir keuchend vor dem Bild der fetten Dame hielten.

„Und du weißt das Passwort ganz sicher?", fragte Harper.

„Ja, ich hab's gleich aufgeschrieben nachdem ich Charlie gefragt hab.", sagte ich und kramte den Zettel aus meinen Jeans. Er war etwas zerknüllt, doch das Wichtigste war zu erkennen. Die fette Dame, welche gerade an einem Gemälde gearbeitet hatte, sah auf.

„Passwort?"

„Nifflernieren."

„Kenne ich euch?", fragte sie bemüht skeptisch und begutachtete ihre Nägel.

„Ja, wir wohnen hier, im Gryffindorturm. Also, wie alle anderen Gryffindors, die hier...wohnen.", antwortete Tonks sichtbar nervös. Harper trat ihr mahnend auf den Fuß, woraufhin sie sie wütend anfunkelte.
Die fette Dame zuckte desinteressiert mit den Schultern und schwang beiseite. Nachdem wir eingetreten waren und das Gemälde sich hinter uns geschlossen hatte, ging Ava vorsichtig vor und linste in den Gemeinschaftsraum.

„Niemand da."

Kaum hatte sie das gesagt, begann Harper sich zu beschweren:
„Dora, du bist katastrophal im Lügen! Warum konntest du das nicht mir überlassen?"

„Weil du darin besser bist?Du bringst immer irgendwas brutales mit hinein!", entgegnete Tonks empört, während sie sich im Gemeinschaftsraum umsah. Er war groß und in einer Ecke prasselte ein Kaminfeuer. Auf der anderen Seite des Raumes befanden sich zwei Treppen, die zu Schlafsälen führen mussten. Die rötlichen Töne der Möbel gaben dem Raum etwas warmes und gemütliches. Ava und ich lehnten an der Wand und tauschten einen genervten Blick aus. Harper, die dabei war, herauszufinden, welche Treppe zu den Mädchenschlafsäalen führte, murmelte bloß:„Ihr zu erzählen, dass im Gemeinschaftsraum eine Bombe ist, die wir entschärfen müssen, wäre glaubwürdiger gewesen."

„Ruhe jetzt. Denkt an den Plan.", unterbrach Ava ungeduldig die Auseinandersetzung. Tonks und Harper verdrehten die Augen und schienen sich auf diese Weise wieder versöhnt zu haben. Es war seltsam, wie sie solche Dinge manchmal einfach wortlos klärten. Ich begutachtete die beiden Treppen, bis ich sicher war, welche zu den Mädchenschlafsälen führten. Mit einer Handbewegung winkte ich anderen zu mir und wir stiegen vorsichtig die Treppe hoch, die mit einem leisen Knarzen unter uns nachgab. Oben angekommen zeigte Tonks auf eine der Türen. Dort befand sich ein Schild, auf dem in metallenen Lettern ‚Erstklässlerinnen' stand. Sie legte eine Hand auf die Klinke und drückte sie langsam runter, bis die Tür aufschwang. Wir seufzten alle erleichtert.

„Nicht abgeschlossen.", murmelte Harper zufrieden. Ihr schien es zu gefallen, dass alles nach Plan lief.
Der Schlafsaal ähnelte von der Architektur unserem. Ein runder Raum, fünf Betten, einige Kommoden und ein scharlachroter Kreisteppich in der Mitte des Raumes. An einigen Stellen lagen ein paar einzelne Klamotten herum, doch das meiste hatten die Gryffindors wohl mit in die Ferien mitgenommen. Es war nicht schwierig, Abigails Bett zu erkennen. Ungemacht und voller Zeug, dass nicht in ein Bett gehörte. Als ich die Decke beiseite schob, fand ich einen alten Schuh vor und hielt ihn mit spitzen Fingern hoch.

„Wie kann sie bloß da schlafen?", fragte Tonks angeekelt, doch sie schien hauptsächlich damit beschäftigt, die Kommoden nach interessanten Schätzen zu durchforsten. Manchmal war sie etwas kleptomanisch. Auf Abigails Kommode befand sich lediglich ein verstaubtes Bild. Ein Mann mit schmalem Gesicht und schwarzen, schütteren Haar stand neben einer kleinen Frau, dessen dunkle Augen ziemlich einschüchternd wirkten. Sie starrten beide mit ernsten Mienen in die Kamera und bewegten sich kein bisschen. Vor ihnen stand eine vielleicht neunjährige Abigail, welche unsicher zu ihren Eltern blickte und schließlich nach vorne sah und lächelte. Es war ein tristes und irgendwie graues Bild. Ich wandte mich ab. Für Abigail konnte ich keine Sympathie empfinden.

„Legen wir los, es ist nicht viel Zeit.", meinte Harper und kniete sich auf den Boden. Wortlos hielt sie eine Hand in die Luft, woraufhin Tonks ihr eine kleine Kiste reichte.

„Geht zur Sicherheit in die Nähe der Tür.", riet ich, während Harper mir größter Vorsicht die Kiste auf den Boden legte. Ich stellte mich zu Ava und Tonks und wir beobachteten gespannt, wie Harper mit ihrem Zauberstab auf die Kiste tippte und leise „Öffne dich" murmelte. Dann stand sie eilig auf und hastete zu uns. Die vier Seiten der würfelförmigen Kiste fielen nach hinten und für kurze Zeit geschah nichts. Dann ertönte ein Knall und plötzlich begann Wasser herauszufließen. Es sah braun und verdreckt aus und roch auch dementsprechend. Mit einem enormen Tempo verteilte es sich im Raum, Pflanzen wuchsen und ein leichter Nebel durchzog die Luft. Wir gingen ein paar Schritte zurück, um keine nassen Füße zu bekommen. Eine Weile beobachteten wir das Spektakel, bis schließlich alles still stand.

„So ein tragbarer Sumpf ist doch recht nützlich.", sagte Harper zufrieden.

„Abigail und ihr Fußvolk werden sich freuen, wenn sie morgen zurückkommen."
Tonks grinste schadenfroh.

Wir schlossen die Tür und schlichen die Treppe hinunter. Dann durchquerten wir den Gemeinschaftsraum bis wir wieder vor der Rückseite des Portraits standen. Ich drückte sanft meine Hand dagegen, sodass ein Spalt entstand. Sobald dieser groß genug war, reckte ich meinen Kopf raus. Niemand war zu sehen. Schnell huschten wir alle heraus und sahen zu, wie das Portrait sich wieder schloss.

„Mission erfolgreich abgeschlossen.", sagte Ava.

„Was tun Sie hier?" McGongalls strenge Stimme ertönte so abrupt hinter uns, dass wir alle einen kleinen Sprung vor Schreck machten. Sie trug wie immer ein Gewand mit Schottenkaro und einen strengen Dutt. Durch ihre Brillengläser funkelte sie uns zornig an, was nicht gerade half, während ich spontan versuchte, eine gute Ausrede zu finden. Mir wurde klar, dass es nichts brachte, zu leugnen, dass wir im Gryffindorturm gewesen waren, also beschloss ich die Wahrheit etwas abzuändern, um uns eine größere Strafe zu ersparen.

„Wir haben vor einer Weile mal das Passwort zufällig gehört und wollten nur mal wissen, wie der Gemeinschaftsraum aussieht. Es war mehr eine spontane Entscheidung, weil uns heute langweilig war.", erklärte ich und versuchte dabei, so vernünftig und ehrlich wie möglich auszusehen. Ich wusste, dass McGonagall mir aufgrund meiner Leistungen in Verwandlung vertraute und musste dies nutzen. Sie legte die Stirn skeptisch in Falten und schien nachzudenken. Ich merkte, wie Tonks neben wir die Luft anhielt. Ich legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm, denn ich wusste, wie sehr sie es hasste, zu lügen. Tonks wollte es immer allen recht machen und dies am liebsten auch immer auf ehrliche Art.

„Sie haben die Regeln missachtet und müssen dementsprechend eine Woche nachsitzen. Außerdem wird das Passwort morgen geändert und wenn ich sie noch einmal hier erwische, werde ich nicht so gnädig sein. Übrigens brauchen Sie sich auch nicht zu langweilen, denn in einem Monat stehen die Examen an, also sollten Sie ihre Zeit lieber zum Lernen nutzen."
Erleichtert atmeten wir alle auf, doch McGonagall fixierte uns immer noch streng, was uns sofort wieder nervös machte.

„Verschwinden Sie jetzt."
Wir nickten eifrig, hasteten schnell an ihr vorbei und liefen den Korridor hinunter.

„Das lief verhältnismäßig gut.", sagte Ava zufrieden. Auf ihrer Stirn waren immer noch Schweißtropfen der Anspannung zu sehen, doch ihre Lippen bildeten ein Lächeln.

„Warte mal ab, bis sie morgen von dem Sumpf erfährt."

These Are the Days of Our LivesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt